19. Selbstzweifel

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Gang und Fallais waren gerade vom Abendessen aufgestanden. Die anderen hatten sich gerade noch zu einer Runde Tinker-Taiming im Mädchenzimmer verabredet, doch Gang hatte keine Lust mitzuspielen. Seit dem Streit mit Elisabeth mied er den Kontakt zu ihr. Schließlich hatte er gesagt, er wolle ins Bett gehen und Fallais war dann zu ihm gestoßen.

„Und? Was geht gerade so bei dir?", fragte Gang.

„Nichts, und bei dir?", erwiderte Fallais.

Die beiden waren noch nicht so richtig warm miteinander geworden, zumal ihre Eltern auch nicht viel miteinander zu tun hatten. Also gingen sie still weiter den Gang entlang.

„Ähhmm.... Hallo?", fragte eine Mädchenstimme hinter ihnen.

Von irgendwo kannte Gang diese Stimme, doch er konnte sich nicht erinnern woher. Zwei Mädchen standen hinter ihnen und guckten verloren durch die Gegend.

„Wir haben uns verlaufen", meinte das eine Mädchen mit schulterlangen blonden Haaren und klaren blauen Augen.

„Ja genau, wir müssen zu Zimmer 423! Wisst ihr wo das ist?", fragte die andere. Sie hatte dunkelbraune, wellige Haare und ebenfalls braune Augen. Die Haare gingen ihr bis zur Hüfte.

„Entschuldigung, leider wissen wir das nicht. Oder etwa du Gang?" meinte Fallais. „Nein, ich weiß das auch nicht", sagte Gang.

„Ohhhh, wir haben uns ja noch gar nicht vorgestellt! Ich bin Johanna und das ist meine Zwillingsschwester Hanna. Ich weiß, wir sehen nicht aus wie Zwillinge aber wir sind ja auch zweieiige Zwillinge. Und wer seid ihr? Du bist doch der Sohn von Thuna, oder? Oh mein Gott, deine Mutter ist ja soooo schön!", plapperte Johannah darauf los und deutete auf Fallais.

„Ja, der bin ich" sagte Fallais.

Auf einmal fiel es Gang wieder ein. Diese zwei Mädchen waren in ihrer Klasse!

„Und ich bin Gang", sagte Gang. „Wie kommt es, dass ihr so Erdenkinder Namen habt?"

„Ach unsere Eltern haben mal mit deinem Vater über die Namen auf der Erde gesprochen und dann haben ihnen diese zwei Namen sehr gut gefallen" meinte nun Hanna.

„Achtung, Flirtalarm!", zischte Fallais Gang zu.

„Ja achnee", sagte Gang etwas zu laut.

„Was ist?", fragte Hanna.

„Ach, du musst wissen, Gang ist schon vergeben. Er hat ein Auge auf Elis..." setzte Fallais an, doch Gang fuhr ihm dazwischen.

„Das stimmt doch gar nicht!", rief er knallrot.

Peinlich berührt wandte Hanna den Kopf ab und senkte die Stimme: „Jojo, ich geh schon hoch, ok?"

„Jaja, ich komm dann nach" antwortete Johannah. „Also, was wolltest du sagen?" Fallais holte Luft. Gang murmelte: „Ihr seid doch alle blöd", drehte sich um und ging in Richtung ihres Zimmers.

War es so offensichtlich, dass er Elisabeth mochte? Sie war einfach so... „Stopp Gang", sagte er zu sich selbst.

Als er um die nächste Ecke bog, sah er wie Tail dort mit zwei anderen Jungs herumstand.

„Hallo Gang!", rief Tail. „Komm doch rüber!"

Warum eigentlich nicht? Schließlich hatte er sowieso nie vorgehabt schon zu schlafen und Tail war ja eigentlich schon ganz okay.

„Ok" sagte er also. „Hallo, ich bin Gang, und wer seid ihr?" Die anderen beiden Jungen sahen auch sehr nett aus.

„Ich bin Enyo", sagte einer von ihnen. Enyo war klein und hatte blonde Haare. Der andere war sehr groß und hatte dunkelbraun bis schwarze Haare.

„Und ich bin Silvan", sagte der nun. „Wir wollten gerade hoch gehen und noch etwas spielen. Willst du nicht mitkommen?", fragte Tail.

„Klar", antwortete Gang.

Auf einmal fühlte er sich schrecklich allein. Seine Freunde spielten ohne ihn und Fallais amüsierte sich mit einem Mädchen aus ihrer Klasse. Elisabeth dachte, er sei ein Idiot und Wolf hatte noch nicht einmal versucht, ihn zu überreden mitzuspielen. Wenn er alle anderen ansah, merkte er, dass sie alle etwas konnten. Alle außer er. Er war der Sohn von zwei Erdenkindern, er war aber dennoch in Amuylett geboren und hatte kein Erdenkinder Talent. Magikalie konnte er also auch nicht besitzen. Er konnte einfach nichts. Einfach gar nichts. Nichts. Nichts. NICHTS!!!

Er hatte gelernt, damit zurecht zu kommen, doch gerade kamen all die Selbstzweifel wieder hoch.

„Was ist denn los, Gang?", fragte Enyo plötzlich. Er schien sehr einfühlsam, dass er merkte, dass es Gang nicht gut ging, obwohl sie sich erst ein paar Minuten kannten.

„Ach, nichts", erwiderte Gang und ging mit gesenktem Kopf weiter. Als sie im Zimmer angekommen waren, spielten sie noch eine Weile Tinker-Taiming, doch Gangs Laune war am Ende.

Bald verabschiedete er sich auf sein Zimmer und legte sich dort hin. Fallais war noch nicht da. Er schien sich ja köstlich zu amüsiere mit dieser Johanna. Er spürte, wie ihm auf einmal Tränen die Wangen herunterliefen. Auf einmal wünschte er, seine Mutter wäre bei ihm.

Maria war immer da gewesen, wenn es ihm nicht gut ging und hatte ihm von ihrer Zeit in Sumpfloch erzählt. Das hatte Gang gefallen und er hatte sich ganz schnell wieder beruhigt. Doch jetzt musste er allein damit klarkommen. Er drehte seinen Kopf aufs Kissen und schluchzte leise hinein.

Er musste eingeschlafen sein, denn als die anderen hereinkamen (übrigens ohne Tail), sahen sie nur sein nasses Kissen und Gang, wie er reglos dalag. 

Die Magie der Niemandsländer- Dämmerlicht und SumpfgeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt