Geist oder doch ein Mann?

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ROSA

„Du bist nicht real, ein verdammter Geist!"

Ich öffne die Augen und schrecke hoch, kneife die Augen so schnell zu, dass ich kaum etwas von der Umgebung wahrnehme, in der ich mich befinde.

Was ist passiert und wieso fühlt sich die Pritsche auf einmal so unfassbar weich an?

Ich versuche in meinem Inneren zu kramen, was gar nicht so einfach ist. In den letzten Monaten ist so viel schreckliches passiert, dass sich meine Seele abgekapselt hat, so sehr, dass ich an fast nichts herankomme.

Außer Guzmans Gesicht, das ich immer vor mir habe. Und das letzte Mal sah es so unfassbar echt aus, dass ich nicht mehr sicher bin, ob ich es überhaupt gesehen habe. Meine Atmung beschleunigt sich, als ich daran denke, wie sehr mich sein Tod verändert hat. Denn das ist er. Er ist bei einer Explosion in seinem Auto in die Luft gesprengt worden. Bei der Erinnerung an das Stück Haut mit dem Tattoo darauf, kehrt sich mir so sehr der Magen um, dass ich die Augen aufreiße und die Beine über die Pritsche werfe.

Doch als ich mich abstütze, gibt die Matratze nach und ich runzle die Stirn. Mein Blick gleitet etwas nach unten und als ich das blaue Laken sehe, schüttle ich denk Kopf.

„Wo bin ich?", spreche ich meine Gedanken laut aus.

Die Helligkeit, die mich noch immer blendet, passt ebenfalls nicht zu dem Loch, in dem ich die letzten Monate ausgeharrt habe.

Wie passt das zusammen?

Wieso sträubt sich mein Gehirn hartnäckig, die so wichtigen Informationen für sich zu behalten?

Warum zur Hölle?

„Du bist in Sicherheit, Rosa", höre ich plötzlich eine mir viel zu bekannte Stimme. Ich zucke zusammen, denn sie klingt so sehr nach Guzman, dass ich mich frage, ob ich vielleicht verrückt geworden bin.

Oder hat mich Gandia tatsächlich umgebracht?

Vielleicht im Schlaf erstochen, oder durch ein Gas in den Tod geschickt?

Bevor ich mich auf Verletzungen untersuchen kann, hebe ich den Blick und traue meinen Augen nicht. Mein Herz setzt einen Moment lang aus und will danach gar nicht mehr weiterschlagen. Sekunde um Sekunde warte ich darauf, dass es wieder anfängt zu hämmern, so wild, dass es mir den Atem verschlägt, doch es passiert nichts.

„Ich bin es, G-"

„Nein!", schreie ich auf, als der Geist von Guzman – es kann nichts anderes sein – auf mich zukommen will. Ich springe auf und schüttle den Kopf, spüre, wie meine Beine und mein gesamter Körper anfängt zu zittern.

Die Übelkeit tritt wieder in den Vordergrund und lässt mich wünschen, mich endlich übergeben zu können. Doch mein Magen ist gelähmt, genau wie mein Herz, meine Atmung einfach alles.

„Alles okay, ich will dir nichts tun", spricht der Geist und sieht mich aus besorgten Augen heraus an. Genau die Augen, die ich mir in den letzten Wochen wieder und wieder vorgestellt habe. Die Augen, die für immer geschlossen sind und doch sehen sie so lebendig aus, dass es kein Geist sein kann. Bin ich verrückt geworden? Ich muss es wohl sein, denn ich kann mir das sonst nicht anders erklären.

„Sag doch bitte was." Wieder will er auf mich zukommen, doch ich schlinge meine Arme um mich und schüttle den Kopf. So sehr, dass es verdammt wehtut.

„Das ist nicht real. Das ist nicht real", wiederhole ich immer wieder. Tränen sammeln sich in meinen Augen, die ich schließe, weil ich den Anblick nicht mehr ertragen kann. Salzige Tropfen quellen trotzdem durch die Lider und rinnen meine Wangen hinunter.

Gangs of Sinaloa - Cruel LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt