unerwarteter Besuch und überraschende Erkenntnisse

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GANDIA

„Ich hätte Sie gar nicht erkannt. Der falsche Schnauzer steht Ihnen hervorragend, Alvarez."

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Zwei Besuche innerhalb zwei Tage. Ein Wahnsinns Rekord, denke ich, als ich mich auf den ekligen Stuhl setze, der hinter einer Plastikscheibe steht, die mich von meinem Gegenüber trennt.

Ich komme mir tatsächlich immer mehr, wie einer aus diesen amerikanischen Gangsterfilmen und Serien vor, der sogleich eine verzweifelte Frau empfangen wird, die ihm gesteht, dass sie ein Kind von ihm erwartet und ihn anfleht, sich nicht für das Wohl aller zu opfern.

Doch so etwas gibt es hier nicht. Nicht, dass es kein Kind geben könnte, diese Vorstellung besteht und wer weiß, vielleicht ist es tatsächlich Rosa, die mich sehen will.

Ich mache mir keine Hoffnungen, vor allem auf etwas, dass sowieso keinen Bestand hat, oder viel mehr hatte. Dennoch wäre es wirklich fantastisch, wenn sie es wäre.

„Hände so, dass ich sie sehe", brummt der Wärter, der mich hierher gebracht hat und den ich schon fast vergessen habe.

Ich strecke ihm demonstrativ meine Hände hin und sehe zu, wie er die Handschellen öffnet. Das Klicken ist immer noch Musik in meinen Ohren und lässt mein Herz sehnsüchtig in meiner Brust schlagen.

Ich war bei der Armee, habe im Krieg gedient und viele meiner Männer sterben sehen – einige näher, als gut für mich gewesen ist – und danach wurde ich vom FBI ausgewählt, absolvierte die Ausbildung und arbeitete mich nach oben. Bis ich schließlich zur DEA gekommen bin, um das Böse auf der Welt auszumerzen.

Doch mit der Zeit verliert man alles aus den Augen und die Grenzen verschwimmen immer mehr, bis man am Ende selbst auf der dunklen Seite steht und man nicht mehr weiß, wie man dorthin gekommen ist.

Und ich muss gestehen, dass mich Rosa vom Weg geführt hat. Sie ist eine Versuchung, der ich nicht widerstehen konnte und so habe ich mich auf die dunkle Seite der Macht gestellt, eine, die ich verlassen muss, um geläutert aus dieser Sache herauszukommen.

Und genau deshalb muss Rodrigo endlich anfangen seinen Teil der Abmachung einzuhalten, ansonsten werde ich hier verrotten und das darf nicht sein.

Ich bin das Opfer, der Geschädigte in diesem Fall und niemand sonst. Weder Guzman, dieser Wurm, noch Rosa, die sich mir gerade zu angebiedert hat.

Würde es zum Prozess gegen mich kommen und sie gegen mich aussagen, so würde es wahrscheinlich dennoch gut für mich ausgehen. Denn wem glaubt man mehr?

Einer labilen Frau, die das schlimmste über mich herausposaunt, oder einem hochdekorierten und geschätzten Captain?

Das laute Sirren der Türen reißt mich aus meinen Gedanken. Erst jetzt nehme ich wahr, dass neben mir auch noch einige andere Insassen wie mich hat, die auf ihren Besuch warten. Und so wie es scheint, gilt für all jene die Regel mit der flehenden Frau.

Denn wie ich gesagt habe, sind die meisten schwanger und die, die keine Anzeichen zeigen, sind es vielleicht doch.

Als ich meinen Besucher erkenne, der sich trotz Verkleidung mir nicht verbergen kann, spielt sich ein sardonisches Lächeln auf meine Lippen. Er setzt sich hin und greift nach einer Sekunde Bedenkzeit zum Hörer, genau wie ich.

„Ich hätte Sie gar nicht erkannt. Der falsche Schnauzer steht Ihnen hervorragend, Alvarez", begrüße ich ihn und sehe, wie seine dunklen Augen gefährlich funkeln.

„Verzeihen Sie, ich wollte Ihre falsche Identität nicht gefährden", scherze ich und lache kalt. Die Perücke, die er trägt, ist einfach nur lächerlich und wirkt dilettantisch.

Gangs of Sinaloa - Cruel LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt