Verzweiflung

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GUZMAN

„Unsere einzige Chance Gandia zu finden ist tot und ich war so dumm und habe den Tatort betreten."

***

„Das war eine Falle!", brülle ich, als ich die Eingangstür des Lofts aufreiße und zuknallen lasse. Meine Wut ist so stark, dass ich jeden killen könnte, der mir quer kommt. Und Gott weiß, wie oft ich heute kurz davor war aus den meisten Köpfen der Passanten Culiacáns Brei zu machen. Das Pochen in meinen aufgeplatzten Knöcheln an meinen Händen ist nur ein Zeugnis dafür, wie oft ich diesem beschissenen Pendecho in die beknackte Fresse geschlagen habe.

Als Elisabetta und Jesus sich blicken lassen und mich verhalten ansehen, dränge ich mich zwischen ihnen hindurch. Dabei ist es mir scheißegal, ob ich einen oder beide anremple.

„Ich hätte es wissen müssen!", knurre ich und hole die Tequila Flasche aus dem Hängeschrank und öffne sie, kippe einen Drittel hinunter und sehe aus dem Augenwinkel, wie sie eindeutige Blicke austauschen, was nicht gerade dazu beiträgt, dass ich mich beruhige. Im Gegenteil, sie feuern meine Aggression weiter an, sodass ich schon bald für nichts mehr garantieren kann.

„Komm schon Guz, lass dich davon nicht -"

„Was?", schneide ich ihm das Wort ab und schaue ihn mörderisch an. Jesus schluck, dabei hüpft sein Adamsapfel rauf und runter. Er scheint zu kapieren, dass er lieber die Klappe halten sollte, wenn er verhindern will, dass ich ihm den Kiefer auf drei verschiedene Arten breche. Ich setze die Flasche erneut an und trinke Schluck um Schluck. 

Das Brennen setzt sofort ein und treibt mir die Tränen in die Augen, doch ich mache weiter, bis ich die Hälfte durch habe. Erst dann stelle ich sie zur Seite und muss mich für einen Moment an der Arbeitsfläche der grellen Küche festhalten, ansonsten hätte ich das Gleichgewicht verloren.

„Geht's, Alter?", höre ich Jesus fragen. Ich nicke, schaue mit einem Tunnelblick geradeaus und laufe los, als ich mich sicher genug auf den Beinen fühle.

„Was hast du vor?", mischt sich Elisabetta ein. Was hat sie hier überhaupt noch verloren? Immerhin hat sich ihre grandiose Spur in Luft aufgelöst, na ja, nicht wirklich, aber was kümmert mich diese bescheuerte Redewendung? Hm?

„Lass ihn", meint Jesus zu ihr. Wie gerne würde ich mich umdrehen und ihm danken, doch dann würde ich wahrscheinlich umkippen, also gehe ich weiter und setze mich auf die Hantelbank. Fahre mir verzweifelt durchs Haar und beschließe mich so richtig auszupowern. Wie gut das in angeheitertem – oder schon betrunkenen – Zustand geht, werde ich noch herausfinden. Doch ich muss etwas tun, muss mich bewegen und kann nicht einfach so rumsitzen und darüber nachdenken.

Also lege ich mich hin, atme tief durch und beginne Gewichte zu stemmen. Und mit jedem Heben und Senken der fast achtzig Kilo beruhigt sich mein Herzschlag mehr und auch meine Gedanken scheinen sich nicht mehr in Überschallgeschwindigkeit zu drehen.

Doch ich mache weiter und weiter und weiter. Erst als mich das Zittern meiner Muskeln und der Schweiß, der in meinen Augen brennt, daran erinnern, dass ich nicht aus Stahl bin, höre ich auf und wische mir mit der Schulter über die Stirn.

Meine Atemzüge fühlen sich verdammt tief an, fast so, als ob ich mich ums zweifache aufplustern würde, wenn ich einatme. In meinem Blut rauscht nach wie vor die Wut und je länger ich hier sitzen bleibe, desto schneller kehrt sie an die Oberfläche zurück.

Also stehe ich auf, gönne meinen Armen keine Pause und beginne auf den Sandsack einzudreschen.

Schlag. Atmen. Kick. Atmen. Schlag, Kick, Schlag. Atmen.

Gangs of Sinaloa - Cruel LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt