Abrechnung

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GANDIA

„Sie wissen sicherlich, wieso ich Sie hierher gebracht habe, oder?"

***

Wann waren Tränen so süß, denke ich als ich Rosa vor dem Grab ihrer Mutter stehen sehe. Sie wischt sich über die nasse Wange und verabschiedet sich und so wie es aussieht, für immer. Wollen die beiden wirklich abtauchen und sich irgendwo ein neues Leben aufbauen?

Ha, dass ich nicht lache.

Doch bevor ich sie wieder aus den Augen verliere, verlasse ich mein Versteck und folge ihr mit einem sicheren Abstand. Friedhöfe sind wirklich praktisch, sie bieten einem tausend Möglichkeiten, um Personen unbemerkt beobachten zu können.

Und ich habe nicht meinen Tod vorgetäuscht, um mich von ihr fernzuhalten, sondern, um ihr in aller Ruhe zu folgen. Egal wohin.

Dieser Tag war tränenreich, würde ich sagen. Zuerst der Abschied von ihrem Vater und nun, muss sie sich selbst von ihrer toten Mutter trennen. Die Welt ist wirklich ein grausamer Ort und wir Menschen haben sie zu dem gemacht, was sie ist. Teuflische Gestalten, die vor nichts halt machen und diesen wunderschönen Planeten zerstören.

Doch genug philosophiert, es gilt das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren. Sie läuft über den Kiesweg, der zur Straße führt, während die Blätter über ihr zu Boden fallen.

Als würde ihre Seele die zarten Gewächse dazu bringen, sich von ihren Wurzeln zu lösen und sich im freien Fall zur Erde begeben.

Im schmalen Schatten der Bäume folge ich Rosa, trete in ihre Fußspuren, würde es welche geben und nehme ihren Geruch war, der sich schwach im Wind hält.

Wie ich mich nach ihr verzehre, als hätte sie mich mit einem Zauber belegt, der mich immer an sie bindet. Sie schaut sich nicht einmal um, so unvorsichtig ist sie.

Wie gerne würde ich jetzt abschätzig mit der Zunge schnalzen, doch ich will nicht riskieren, dass sie mich sieht und meinen genialen Plan zunichtemacht.

An der Straße trennen sich schließlich unsere Wege, denn ich habe noch eine Verabredung. Also tauche ich in eine der vielen Gassen Culiacáns ab, lege den Weg zu meiner bescheidenen Unterkunft zurück und schalte die Nachrichten ein. Die noch immer von meinem schändlichen Tod berichten und von den zwei Flüchtigen, die mich auf dem Gewissen haben.

„Wie schade, dass sie es nicht mehr erleben werden, wenn ich wie der Erlöser auferstehe", sage ich zu meinem Gast, der sich in der Ecke vor Angst krümmt und windet.

Ich drehe den Kopf zu der rassigen Brünette, die an meine Heizung gekettet ist und mich mit ihren braunen Augen verflucht. Dumpfe Laute dringen durch ihren Knebel und hätte sie ihre Stiefel noch an ihren Füssen, würden sie nun über den schäbigen Boden kratzen.

Doch die habe ich ihr schon längst abgenommen, denn wir wollen doch niemanden aufmerksam machen.

„Ihnen widme ich mich schon bald, Alma. Sie müssen sich nur noch etwas gedulden", lache ich und nehme das Wegwerfhandy, das auf dem Tisch liegt und drücke die Schnellwahltaste. Das Ding hat zwar nur eine Nummer eingespeichert, trotzdem ist es die effizientere Variante. Es klingelt und klingelt und mit jedem weiteren steigt meine Mordlust an. Doch gerade, als ich die erste an meinem Besuch austesten will, nimmt dieser verdammte Wurm ab.

„Das nächste Mal gehen Sie schneller ran!", knurre ich und widme mich wieder den Nachrichten. Die die ganze Zeit von meinem schmählichen Ableben berichten, sie zeigen betroffene Kollegen, die mich abgrundtief gehasst haben, aber nun ihren Schmerz über ihren Verlust zum Ausdruck bringen. Alles nur elende Heuchler.

Gangs of Sinaloa - Cruel LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt