•25•

51 2 0
                                    

Pov. Sugawara

Erneut waren wir alleine und diese altbekannte, unangenehme Stille entstand. Wie ich diese Situation zwischen uns doch hasste. Alles war gerade so kompliziert und dieses beklemmende Gefühl, das ich seit Wochen hatte, verstärkte sich zunehmend. Also langsam halte ich das echt nicht mehr aus. Sollte ich es ihr sagen? Nein, das würde sicher alles nur verschlimmern und dann wären wir wieder am Anfang.

Amaya schien kurz zu überlegen, dann setzte sie sich auf ihr Bett. Aus irgendeinem Grund war ich sauer auf sie. Ich konnte meine Gefühle aber trotzdem nicht beschreiben. Irgendwie fand ich ihre ganzen Aussagen und Taten ein wenig....kindisch? Ich denke, dieses Wort beschreibt es ganz gut. Zuerst lügt sie uns alle an, damit wir nicht über ihre Krankheit Bescheid wissen. Das ging dann jedoch total in die Hose und im Endeffekt war das dümmer als andere Alternativen. Dann sagt sie, dass sie mich auch mögen würde, aber im gleichen Atemzug erklärt sie, es funktioniere nicht und jetzt will sie für mich die Operation machen aber denkt nicht über sich nach, obwohl sie keine Verbindung zu mir aufbauen will.

Anscheinend starrte ich die ganze Zeit auf gelbe Sonnenblumen, die in einer Vase auf einem Tisch neben ihrem Bett standen. Amaya blickte verwirrt zwischen mir und den Blumen hin und her. Als ich das bemerkte, tauchte ich aus meinen Gedanken auf und mein Blick wechselte zu Amaya, die mich nun stirnrunzelnd ansah.

,,Was willst du?", fragte ich sie gerade heraus. Sie sah mich nur unwissend an und runzelte leicht die Stirn. ,,Was willst du?", wiederholte ich. ,,Überlege dir diese ganze Sache genau und denke dabei weder an mich noch an deinen Vater noch an sonst wen. Was willst du?"

Amaya lächelte leicht und signalisierte mit einem leichten Tätscheln neben ihr, dass ich mich zu ihr setzen solle. Zögernd setzte ich mich neben sie und wartete neugierig auf ihre Antwort.
,,Koshi. Wenn ich hundert Prozent ehrlich bin, mache ich es für uns. Was dich ja genau genommen mit einschließt."

Ich hörte ihr aufmerksam zu. Es schien sich tatsächlich etwas geändert zu haben, das spürte ich ganz deutlich.
,,Ich würde dir gerne etwas erzählen, was ich noch fast keinem gesagt habe. Genaugenommen geht es darum, warum ich dich vor zwei Wochen von mir gestoßen hatte."
Ich wurde neugieriger. ,,Wenn du nicht willst, musst du mir das nicht erklären."
Es war schon peinlich genug. Auf eine Erklärung war ich nicht gerade scharf, aber besser wäre es, sie nicht zu unterbrechen."

,,Ist schon gut. Es geht sogar eher um mich als um dich. Früher, bevor ich euch kennengelernt hatte, habe ich niemanden an mich herangelassen. Selbst meinen Vater hatte ich von mir geschoben und versucht, ihm die Schuld zu geben, weil ich nicht schwach sein wollte. Später habe ich das aber so bereut, dass ich versucht habe, alles zu tun, was er wollte. Ich versuchte niemandem zu nahe zu kommen, damit ich auch niemanden verletzen konnte. Aber als ich dich im Krankenhaus gesehen hatte, realisierte ich erst, wie unglücklich mich das alles eigentlich machte.

Ich ging wieder zur Schule und habe euch kennengelernt. Schon am ersten Tag hab ich mich bei euch wohlgefühlt und ich hatte wieder Hoffnung. Dieses Gefühl von Normalität hatte ich nie so sehr wie bei euch. Aber dann wurde ich wieder in die Realität zurückgeschleudert. Als ich... mich in dich verliebt hatte, wurde mir wieder klar, dass ich dich nur verletzen würde."

,,Amaya..", sagte ich leise. Ich verstand zum ersten mal ein wenig, warum sie uns nichts erzählt hatte.
,,Doch das alles hat sich mit dir geändert. Die Wahrheit ist, dass ich gerade egoistisch bin und alle meine früheren Prinzipien über den Haufen werfe. Was ich damit sagen will: Es tut mir leid, dass ich das einfach für euch entschieden habe. Das war wirklich dumm von mir. Auf der einen Seite würde ich das alles gerne ungeschehen machen. Doch auf der anderen Seite will ich es nicht. Erst diese Krisenzeit zwischen uns hat unsere Bindung stärker werden lassen. Du hast mein vollstes Vertrauen erlangt und ich kann dir beim besten Willen nicht sagen wie, denn das habe ich noch keinem geschenkt." Ich spürte, wie sie gegen Ende immer offener und selbstbewusster wurde. Sie dachte gar nicht erst darüber nach, die passenden Wörter zu finden.

Amaya schien auf eine Rückmeldung zu hoffen, da sie mich erwartungsvoll ansah.
,,Wenn du mich fragst, ist das ganz und gar nicht egoistisch. Ich finde, dass das ganz natürlich ist. Ich weiß, es ist schwer zuzugeben, dass man schwach ist. Ich denke nur, dass man seine Schwächen zu seinen Stärken machen kann. Zumindest sollte man sie akzeptieren und daran arbeiten. Als ich nicht mehr der reguläre Zuspieler war, hat mich das schon etwas gekränkt, aber ich arbeite daran und gebe nicht auf! Schließlich ist jeder Punkt von Kageyama auch ein Punkt für uns."

Ich schuldete Amaya aber noch eine richtige Antwort, um mit ihr alles klären zu können.
,,Übrigens weiß ich dein Vertrauen sehr zu schätzen und deine Antwort war im Grunde genau das, was ich hören wollte. Nein, ehrlich gesagt, war sie noch mehr als das. Ich muss mich auch entschuldigen. Für dich muss es ja am schwersten sein und ich war ja auch egoistisch, dann sind wir also quitt", scherzte ich und dieses beklemmende Gefühl war wie verflogen.

,,Wir sind also wieder Freunde?"
,,Waren wir das denn etwa nicht mehr?", antwortete ich gespielt empört.
Wir kicherten und sahen uns dann wieder an. Ist der Zeitpunkt jetzt da? Soll ich es wagen, wo wir uns doch gerade erst wieder gefunden hatten? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
,,Aber da das jetzt alles geklärt ist, findest du dann nicht, dass wir es zulassen sollten?"
Ich konnte spüren, wie sie mit sich kämpfte. Ich wusste nur zu gut, wie schwer diese Frage zu beantworten war. Letztendlich war es eine Entscheidung fürs Leben, die wir zu treffen hatten. Da sie immer noch nichts sagte, kamen Zweifel auf. Ich hätte sie nicht mit allem überrumpeln sollen. Es war eben einfach noch zu früh gewesen.

,,Unter einer Bedingung", fing sie ernst an.
,,Du erwähnst mich im Interview, wenn ihr beim Frühlingsturnier gewonnen habt", beendete sie lachend ihren Satz.
Ich stimmte in ihr Gelächter mit ein und erwiderte: ,,Du weißt doch gar nicht, ob wir gewinnen."
,,Ich spüre es eben!"
,,Schon klar. Hey, es ist schon dunkel und ich sollte nach Hause. Ich schreibe dir, wenn ich angekommen bin", verabschiedete ich mich und stand auf.
,,Tschüss Koshi."
Die anderen waren sicher auch schon nach Hause gegangen und deshalb beschloss ich direkt zu gehen. Ein breites Grinsen legte sich über mein Gesicht und es fühlte sich an, als würde ich durch die Gänge schweben. Als ich unten auf der Straße war, schaute ich wieder zu Amaya hoch. Eine Frage hatte ich noch an sie. Glücklicherweise sah auch sie zu mir herunter und ich konnte sie fragen. Na gut, was heißt hier fragen. Handzeichen würden es schon eher beschreiben. Ich zeigte mit dem Finger zuerst auf sie, dann auf mich und formte zuletzt ein Herz, wobei ich meinen Kopf schief legte, um eine Frage zu signalisieren. Es dauerte nicht lange und sie verstand meine Frage.

Auch sie zeigte auf mich, dann auf sich und formte ebenfalls ein Herz, während sie gleichzeitig mit dem Kopf nickte.

Die Definition vom Leben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt