| 𝐭𝐰𝐞𝐧𝐭𝐲 |

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Jungkook warf den zusammengeklappten Regenschrim einmal hoch in den bewölkten Himmel, bevor er ihn gekonnt wieder auffing und in einem Schwung auf Chris richtete.

"Du hast mir zwei Monate versprochen."

Seine Stimme klang tiefer als sonst, und er gab sich nicht einmal Mühe, die dunkle Enttäuschung darin zu verstecken.

Chris hatte ihm zwei Monate Zeit zugesichert, damit Jungkook mit dem Butcher verhandeln konnte- damit er eine Chance hatte, angehört zu werden. Und Jungkook hatte auf diese Zeit vertraut.

Als er vor ein paar Tagen im Shaft davon erfahren hatte, dass der Goldene Ring sich nun vollständig von ihm losgesagt hatte, kam er sich unerwartet verraten vor; Chris und Suga waren seine einzige Quelle zum Goldenen Ring, und er musste sich auf ihre Worte verlassen können.

Warum sonst solltet ihr in Paris sein?

Jungkook lehnte sich gegen die kalte Fensterwand vor dem Café du Flore, die Hände in den Taschen seines dunklen Mantels vergraben und das schwarze Haar zu einem unsauberen Zopf gebunden, aus dem seine langen Bangs ihm seitlich über seinen braunen Augen kitzelten.

Chris rieb sich die Hände in der kalten Novemberluft und wippte ungeduldig auf den Sohlen seiner braunen Stiefel herum: "Ich hab dir doch gesagt, dass ich nichts von den Containern voller Masken und Waffen wusste- das sind Sachen für den inneren Kreis, und zu dem gehör' ich nich' mehr.", entgegnete Chris und zog sich die Kaputze seines Hoodies ein Stück tiefer über das Gesicht, um seine Narbe besser zu verstecken.

Man traf ihn so gut wie nie ohne eine Kappe oder eine Kaputze über seinem Kopf, um die längliche Narbe schräg über seiner Stirn bishin zu seiner Schläfe zu verdecken- nur im Einsatz zeigte er sie so offen wie möglich.

Um einen besseren Blick auf sein Gesicht zu erhaschen, neigte Jungkook den Kopf einen Stück zur Seite, wobei der lange Ohrring an seinem rechten Ohr zu schwingen begann.

Seine markanten, dunklen Augenbrauen bildeten eine strenge Falte auf seiner blassen Stirn und er schniefte knapp: "Du gibst dir mehr Kompetenz, als du eigentlich hast."

Chris blinzelte verwirrt. "Waaaa...", er warf einen fragenden Blick auf Suga zurück, der gelangweilt hinter ihm stand und nur mit den Schultern zuckte. Sein weißes, katzenartiges Gesicht verriet ohnehin nie, was gerade in ihm vorging- Chris war dafür schon wesentlich besser geeignet.

Die schweren Wolken im Himmel brachen ein Stück auf und ließen die schwache Sonne über Paris wandern; weißgelbe Strahlen beleuchteten das nasse Pflastergestein der Straßen und spiegelten sich in den bodenlangen Fenstern des Café's, gegen das Jungkook seinen Rücken lehnte.

Der Geruch von warmen, verregneten Straßen stieg ihm in die Nase und er schloss einen Moment die Augen, um die schwachen Sonnenstrahlen auf seinem blassen Gesicht zu begrüßen.

Es erinnerte ihn an den Frühling, in dem er sein Leben mit Taehyung in Paris begonnen hatte; direkt gefolgt von ihren langen Sommernächten und vielen, bunten Blumen, die ihren Balkon schmückten und zahlreiche Düfte in das lichtdurchflutete Apartement schickten.

Die Wolken zogen sich wieder zu, verschluckten die warme Erinnerung an den glücklichen Sommer und es wurde wieder dunkel vor Jungkook's Augen, als hätte die Sonne ihre warmen, schützenden Hände von seinen Wangen genommen.

Er öffnete seine braunen Augen und das Licht war aus den Pariser Straßen erloschen; die grünen Blätter waren von der eisigen Schwärze des anstehenden Winters verschluckt worden und die Bäume nun so kahl und leer wie der Balkon ihres Apartements.

Chris war sichtlich nervös geworden, da Jungkook mit seiner Erklärung so lange auf sich warten ließ, der nun wieder begann, den Regenschirm in seiner Hand in die Luft zu werfen und wieder aufzufangen.

"Dann hat der Butcher also nur vergessen zu erwähnen, dass er mich verstoßen hat?", fragte Jungkook in gelassenem Ton und starrte abwesend die Straße hinab, doch in seinem markanten Unterkiefer trat die Anspannung sichtlich hervor.

"Wer hat dir das erzählt?"

Es war die tiefe, ruhige Stimme von Suga, die sich nun plötzlich einschaltete und Jungkook wandte ihm sein Gesicht zu.

"Spielt keine Rolle, wer-", setzte er an, als Suga ihn unterbrach:

"Es spielt eine Rolle, wer es dir erzählt hat.", erwiederte er fest entschlossen, "Weil es Bullshit ist."

Der Regenschirm knallte diesmal zu Boden. Sie starrten einander prüfend in die Augen und Jungkook hoffte von ganzem Herzen, dass Suga die Wahrheit sagte, dass er besser informiert war und Jul sich nur geirrt hatte.

Chris beendete die Angespannte Stille, indem er laut in die Hände klatschte: "Okay!"

Darauf warfen sie ihm gleichzeitig einen genervten Blick zu.

Chris blickte nachdenklich zu Boden und zeigte beiläufig mit einem Finger auf Jungkook: "Der Butcher hätte keinen Grund, dich vor einer Anhörung zu verstoßen. Du bist viel zu wertvoll für ihn, J.", versicherte Chris ihm voller Überzeugung, "Denk doch mal nach; warum sollte er zwei Jahre lang unaufhörlich nach dir suchen lassen und dich dann, wenn er dich endlich gefunden hat, so willkürlich verstoßen?"

Darüber hatte Jungkook noch gar nicht im Einzelnen nachgedacht- er war viel zu schockiert gewesen, um Jul's Worte sachlich zu überdenken. In seinem Kopf drehte sich alles darum, wie er Taehyung nur aus diesem Abgrund herausziehen konnte, ehe es zu spät war.

"Wer hat dir davon erzählt?", wiederholte Suga, diesmal drängender als zuvor.

Jungkook fuhr sich mit einem Finger über die Lippen, als er sich daran erinnerte, wie Jackson den Blondie im Shaft erschossen hatte. "Er ist tot."

Suga atmete tief durch. "Die einzige Person, die uns hätte erklären können, wer eine verdammt riskantes Lüge in den Untergrund gesetzt hat, ist tot?"

Doch für Jungkook war das Ganze kein so großes Rätsel mehr; Jackson hatte Jul erschossen, ohne zu zögern. Jackson, der seinen Krieg mit dem Goldenen Ring bekommen wollte und sich alle Mühe gab, Jungkook zu vernichten, ohne dabei allzu offensichtlich zu sein.

Welchen besseren Ort gab es um ein Gerücht zu verbreiten, als den Shaft? Jackson wollte ihn verschwinden lassen, machte ihn zum Futter für den hungrigen Untergrund, um dem Goldenen Ring kräftig den Mittelfinger zu zeigen und Taehyung für sich zu gewinnen.

Diese verdammte Schlange.

"Ich brauche einen Gefallen.", verkündete Jungkook kurzentschlossen.

Suga seufzte: "Setz es auf die Liste."

Jungkook hob die Brauen. "Du hast mir nicht nur Blumen mitgebracht, sondern auch noch eine Liste?", er deutete auf die Gladiolen in Suga's Hand, "Keine Rosen, wirklich erfrischend nicht immer dem Klischee nachzujagen."

"Die sind nicht für dich.", raunte Suga und schnüffelte unauffällig an den blassrosanen Blumen in seiner Hand.

Chris blickte wieder zu ihm auf und bemerkte das Funkeln in Jungkook's Augen, das er nur zu gut aus ihrer Vergangenheit im Untergrund kannte; der Prinz der goldenen Dynastie hatte einen Plan.

Ein gespanntes Lächeln zuckte auf seinen Lippen und Chris nickte ihm flüchtig zu:

"Was brauchst du?"

___note_____________

Bild: Hot JK (Es war dieses Bild, dass mich zu dem Teil 'Serpents' inspiriert hat- bei diesem Bild von JK habe ich alles vor mir gesehen!) 𓆙

Schon Kapitel 20 Leute...! Und ihr habt ja keine Ahnung, was noch auf euch zukommt. (Evil laugh)

Wie hat es euch gefallen? ♥︎

xoxo

Liza



















Serpents | taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt