Kapitel 9

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Dunkle Wolken zogen über den Himmel und verkündeten mit lautem Donner ein Gewitter. Schnell huschte ich über den Weg, den wir gelaufen waren, in der Hoffnung noch vorm Regen mein Handy zu finden. Ich spürte die ersten Tropfen auf meinem Arm und suchte nur um so hektischer weiter. Mit dem Kopf zum Boden gerichtet bekam ich mal wieder nicht mit, was sich vor mir abspielte und lief direkt in jemanden rein. Wenn ich davor nicht schon alle Phasen der Panik durchlaufen hatte, dann spätestens jetzt. Eine Hand stützte mich an der Seite, damit ich nicht vor Schreck in den Matsch fiel. Mit klopfenden Herzen blickte ich hoch. Eine blaue Hose und ein weißes Hemd. Die Schuluniform des Internats. Seine braunen Augen fixierten  mich intensiv, als mein Blick höher zu seinem Gesicht wanderte. Vom nahen sah er noch viel hübscher aus mit den dichten Wimpern und seinen hohen Wangenknochen. Wahrscheinlich könnte man mit ihm nichtmal außerhalb des Internats rumlaufen, weil er zu viel Aufmerksamkeit mit diesem Gesicht aud sich zog. "Suchst du etwas?" Warum musste er so eine tiefe Stimme haben?! "Äh nein, ich habe mich nur...verlaufen...ja ich habe mich verlaufen." Nervös wich ich seinem prüfenden Blick aus. "Dein Handy?" Er wechselte die Hand, mit der er seinen Regenschirm hielt und zog mein Handy aus seiner Hosentasche. Ok ich hatte vielleicht ganz leicht verkackt, aber das bekam man sicherlich noch irgendwie gerade gebogen...irgendwie. "Warum hast du mein Handy?" Fragte ich ihn unschuldig. Doch in seinem Blick veränderte sich nichts, während er mich abwartend an sah. "Wahrscheinlich hast du es vorhin mit deinem verwechselt und es ausversehen eingesteckt nicht wahr?" Versuchte ich es weiter, doch sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. "Nein." Um uns herum prasselte der Regen wie aus Eimern herunter und ich war echt froh, dass er mich mit unter seinem Regenschirm stehen ließ. "Ja ok, ich habe es hier verloren. Darf ich es jetzt wiederhaben?" Forschend betrachtete er mein Handy, bevor er es wieder einsteckte. "Du darfst hier eigentlich nicht sein. Ich gebs dir später wieder." Ohne eine Antwort abzuwarten lief er los und ließ mich im Regen stehen. War das sein fcking ernst. Hatte er gerade wirklich mein Handy eingezogen? "Warte, lass mich wenigstens mit unter deinem Regenschirm laufen." So schnell wie ich es durch den Matsch halt schaffte, ohne den Boden zu küssen, rannte ich zu ihm und hakte mich bei ihm ein. Verwirrt blieb er stehen und sah zu mir runter. "Was ist? Du läufst sonst zu schnell und ich werde nass." "Du bist schon nass." Doch er machte auch keine Anstalten meinen Arm von seinem zu lösen. Ein kalter Wind peitschte durch den Kiefernwald, sodass Lan Zhan den Regenschirm zusammenklappte und los rannte. "Du kannst doch nicht einfach los rennen. Lan Zhan!" Der Wald um uns herum hatte nun nichts mehr von dem ruhigen und idyllischen Ort von vorhin. Die Bäume knarzten schaurig und warfen lange Schatten, als ob der Wald nicht so schon dunkel genug wäre. Neben mir rannte Lan Zhan. Seine Füße trafen sicher auf die Stellen im Waldboden, ohne ein einziges mal ins schlittern zu geraten und ich bemerkte, dass auch ich sicher den Weg entlang rannte, wie als wäre ich schon hunderte Male diesen Weg langgegangen. Ich spürte, wie der kalte Regen mir den Rücken runterlief und mein nasses Haar mir immer wieder ins Gesicht klatschte. Wir trugen beide die weißen Hemden der Schuluniform, wobei sie jetzt eher durchsichtig waren. Und so würden wir essen gehen? Ich konnte mein lachen nicht mehr unterdrücken, als ich mir vorstellte, wie Lan Zhan mit durchsichtigem Hemd den Essenssaal betrat und vom Lehrertisch missbilligende Blicke bekam, während die Mädchen ihn, wie einen Snack auf zwei Beinen ansehen würden. Wahrscheinlich würde er danach keine Konkurrenz bei irgendeinem der männlichen Schüler haben. Zwischen den einzelnen lachern nach Luft schnappend rannte ich hinter Lan Zhan weiter den Weg entlang. Renne und lachen ist definitiv keine gute Idee.

Nach einer gefühlten Ewigkeit und komlett durchnässt schafften wir es zum Hauptgebäude. In der Eingangshalle kamen wir beide zum stehen. "Hey Lan Zhan, wenn mein Handy wegen dir jetzt nass ist dann bringe ich dich höchstpersönlich um." Bevor er die Mensa betrat sah er mich nochmal an und diesmal spiegelte sich ein leichtes lächeln auf seinen Lippen wieder, während er mein und sein Handy hervorzog und mir noch kurz demonstrierte, wie trocken die beiden waren. Aber oh mein Gott dieses lächeln...ich musste ihn unbedingt von Yanli vernhalten, wenn ich keine liebestolle Schwester haben wollte. Wahrscheinlich würde selbst Qing augenblicklich erweichen, wenn sie dieses lächeln sehen würde.

Schnell eilte ich ihm hinterher. Er stand vor mir bei der Essensausgabe und meine Befürchtung, dass unsere Hemden fast durchsichtig waren hatte sich bestägt. Auch die Vorahnung, dass wirklich alle Mädchen ihn anstarrten, wie als hätten sie einen schlechten Tag gehabt und jetzt bot man ihnen ihren Lieblingssnack an, bewahrheitete sich. Ich verschluckte mich an meinem wiedeaufkommendem lachen, als ich seinen Rücken durch das Tshirt sah. Es war klar, dass er nicht wirklich fettablagerungen hatte. Aber dass er sogar trainierte...Auf einmal rutschte die Sorge, dass man ihn so halb nackt sehen konnte viel mehr in Vordergrund, als mein Interesse daran, ob man bei mir etwas sah. Doch bevor ich irgendetwas tuen konnte war schon einer der Lehrer aufgestanden und hatte ihm seine Jacke angeboten. Wenn ich mich recht erinnerte, war auch er teil der Lan-Familie und Lan Zhans älterer Bruder. Mir kam mein liebenswerter Bruder natürlich nicht zur Hilfe. Schnell schnappte ich mir mein Essen, bevor ich zu den anderen eilte.

until we meet again (modern AU)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt