37.

10 0 0
                                    

Der Rest der Woche verlief problemlos. Rick und ich haben jeden Abend miteinander telefoniert und heute ist endlich Freitag.
Oh Mann...ich bin irgendwie total nervös. Gestern habe ich mit meiner Mutter telefoniert und ihr gesagt, dass Rick und ich heute Nachmittag zum Kaffee vorbeikommen (obwohl ich gar keinen trinke). Sie hat sich mega gefreut und gesagt, dass sie froh ist, dass ich endlich jemanden habe...
Ich muss zugeben, ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, dass ich irgendwann mal in einer Beziehung stecken würde.

Ich habe Rick die Adresse von meinem Elternhaus geschickt und wir haben vereinbart, uns halb drei dort zu treffen.
Gerade ist es zwanzig und ich bin mal wieder viel zu früh dran...ich kann einfach nicht einschätzen, wie lange ich bis irgendwohin laufe...

Als ich fünf nach halb auf mein Handy sehe, ploppt genau in dem Moment ein Anruf auf.
„Hey wo bist du?", frage ich Rick, der sich am anderen Ende der Leitung gemeldet hat.
„Ähm...genau, ich wollte dich nochmal fragen...also...meine Navi App hat sich aufgehangen und jetzt weiß ich nicht, wo ich lang muss. Ich stehe an der Brücke von letztens."
Das ist praktisch, von da aus ist es nämlich nicht mehr weit.
„Okay, siehst du vor dir den Kreisverkehr?", frage ich und Rick stimmt zu.
„Du nimmst die dritte Abfahrt und biegst dann gleich in die nächste Straße ein. Von da aus sind es nur noch 240 m die Straße rauf. Das gelbe Haus auf der linken Seite."
„240 m?", fragt Rick lachend, „du klingst wie ein Navi!"
Ich muss auch lachen: „Naja...deins scheint ja kaputt zu sein."
Er bedankt sich und meint, er wäre in fünf Minuten da.

Ich sehe an dem Haus hoch, in dem ich meine Kindheit verbracht habe und merke, wie meine Mom aus dem Badfenster guckt.
„Na, wo bleibt dein Schatz?", will sie von mir wissen. Ihre Stimme ist nicht mal leise, ich könnte schwören, dass hat selbst Rick am Straßenende gehört.
„Pscht", mache ich und lege mir den Zeigefinger über den Mund.
Sie lacht jedoch nur und schließt dann aber das Fenster.
Kurz darauf steht Rick neben mir.
„Hey", sage ich und er begrüßt mich mit einer Umarmung und einem kurzen Kuss auf die Wange.
„Bereit?", frage ich nervös und er nickt.

Wir klingeln und meine Mom lässt uns rein.
Oben angekommen treffen wir nur auf sie.
„Wo ist denn Ben?", frage ich und sehe mich um.

Meine Mom sagt, er sei noch in der Schule, müsste aber jeden Augenblick nach Hause kommen.
Dann bittet sie uns ins Esszimmer, wo sie den Tisch schon gedeckt hat und eindeutig aufgeräumt hat.
„Schön, dass ihr die Zeit finden konntet", meint meine Mutter und wir nicken nur. Dann beginnt sie, Rick in ein Gespräch zu wickeln und ich sehe mich in dem Zimmer um, das sich nach meinem Auszug kein bisschen verändert hat.

„Moin Moin", murmelt mein Bruder, als er den Flur betritt und meine Mutter zu ihm geht.
„Hey Ben", rufe ich und falle ihm um den Hals. Wir haben uns zwar letztens kurz gesprochen trotzdem habe ich ihn furchtbar vermisst.
„Okay, genug Umarmungen...", sagt er nach einer Weile und ich trete wieder einen Schritt nach hinten und ramme dabei fast an Rick.
„Also...äh...Rick, das ist mein Bruder Ben. Ben, das ist mein...mein Freund Rick!" Die beiden sehen sich mit komischem Blick an und meine Mutter lenkt uns wieder zurück ins Esszimmer.

„Nehmt doch bitte Platz", bittet sie uns und Rick und ich setzen uns an die lange Seite des Tisches, auf welchem schon ein Kuchen und Süßes steht.

„Ihr kennt euch aus der Schule?", fragt meine Mom wir nicken nur.
„Und wie lange seid ihr jetzt schon...äh...ein Paar?", will sie wissen und ich muss überlegen, doch ehe ich was sagen kann, antwortet Rick: „Ein paar Wochen..."
Mom sieht mich verwirrt an und ich bestätige Ricks Aussage: „Ja...also seit vielleicht einem Monat."
Ich sehe zu Rick, der aber die Wand gegenüber anstarrt.

Um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, frage ich meinen Bruder: „Und...hast du jetzt mein Zimmer in Beschlag genommen?"
Er sieht mich verwirrt an: „Nein...also...naja...da steht ja nicht mehr viel drin..."
Doch meine Mutter unterbricht ihn: „Wir haben vor das Zimmer an Studenten zu vermieten. Wir sind vor einer Woche mit der Renovierung fertig gewesen. Eingerichtet ist es auch schon."
Wow...
Okay, meine Eltern hatten früher schon mal erwähnt, dass sie, wenn ich ausziehe, das Zimmer vermieten wollen. Aber trotzdem fühlt es sich komisch an...

Die Wohnungstür geht auf und man hört das Laminat knacken, als mein Dad die Wohnung betritt.
„Beim Bäcker hatten sie leider keine Torte mehr, aber ich habe Eierschecke und belegte Brötchen mitgebracht", sagt er auf dem Weg vom Badezimmer ins Esszimmer.

„Hallo Belle", begrüßt er mich förmlich, zieht mich dann aber an sich ran, um mich in eine Umarmung zu verwickeln.

„Hey Paps", ich setzte mich wieder und er sieht Rick mit musterndem Blick an.
„Ach so...äh Papa, das ist Rick", beginne ich und meine Mom unterbricht mich: „Ihr Freund!"
Ich nicke und zu Rick sage ich: „Das ist Jens mein Dad."
„Schön Sie kennen zu lernen!", meint Rick und die beiden schütteln sich die Hand.
Papa gibt Mom noch einen Kuss, packt die Backwaren noch schnell aus und setzt sich dann neben sie.

„Also, dann guten Appetit!", sagt meine Mutter und ich nehme mir direkt ein belegtes Brötchen. Rick tut es mir gleich.
Wir essen eine Weile, ehe mein Dad anfängt, Rick auszuquetschen.
Er fragt alles Mögliche, von Ricks Schule über seine Hobbies bis hin zu seiner Familie. Irgendwie ist es peinlich, aber es ist logisch, dass er das alles wissen möchte, da er Rick schließlich kennen lernen will.
Zum Glück beantwortet er alle Fragen und scheint sich nicht gerade unwohl zu fühlen.
Rick reißt sich tatsächlich zusammen, er wirkt gar nicht so kindisch wie sonst immer. Er scheint alles unter Kontrolle zu haben...

Als wir dann fertig mit Essen (und den Fragen) sind. Entschuldigen Rick und ich uns, da ich unbedingt in mein altes Zimmer will.

Wo die Liebe hinfällt... (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt