32.

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Schweißgebadet wache ich auf und sehe kurz nichts und auf einmal dann alles. Mein Zimmer, die Vorhänge, das Fußende meines Bettes und Rick, der sich neben mir aufgesetzt hat und mir vorsichtig den Arm streicht, als wolle er mich beruhigen.
"Was ist?", will er wissen, "Hast du geträumt?"
Ich nicke und erzähle ihm von dem wirren Traum, der meinen Schlaf begleitet hat.
"Interessant", kommentiert er nur und kratzt sich am Kopf. Ich fühle mich komisch...so, wie man sich eben nach einem Albtraum fühlt. Man ist zwar wach, hat aber noch nicht ganz realisiert, dass in der Realität keine Gefahr auf einen wartet.
"Träumst du öfters sowas?", fragt Rick und ich nicke, gebe zu, dass mir sowas sehr oft passiert und ich den Traum, wenn ich mich daran erinnern kann, danach meistens aufschreibe.
Ich habe Angst, dass wenn ich wieder einschlafe, ein neuer Traum auf mich wartet, also blicke ich auf den Wecker auf meinem Nachttisch.
4:45 Uhr
Ich schnaufe und Rick dreht sich sofort zu mir, um mich in den Arm zu nehmen. Sein Körper ist warm und beruhigend.
"Von was träumst du so?", frage ich ihn, um auf andere Gedanken zu kommen.
Er lacht leise: "Ich glaube, das sollte ich dir besser nicht erzählen..."
Ich gucke ihn grimmig an und er versucht es zu erklären: "Meine Träume...die sind...die sind noch...äh...krasser?...", er holt tief Luft, meint dann aber, "...obwohl...nicht krass...eher...wie soll man das jetzt sagen? Horrormäßiger? Gibt's das Wort überhaupt?", will er wissen und ich zucke mit den Schultern.
"Und da hast du keine Angst?", will ich von ihm wissen und er erwidert nur ein: "Nö...gehört halt dazu."
Uff...tja, was soll man dazu sagen...

"Ich glaube...ich...ich kann jetzt nicht mehr schlafen!", gestehe ich Rick und will mich aufsetzen, um mich ans Bettgestell zu lehnen, doch er zieht mich wieder zurück.
"Du kannst nicht...oder du willst nicht?", fragt Rick und mein Körper schüttelt sich quasi automatisch, so unangenehm ist mir das gerade.
"Beides", gebe ich schließlich zu und Rick greift nach meiner Hand, um diese leicht zu drücken.
"Ich bin doch da, wenn was ist, dann...dann weck' mich einfach, also...falls ich schlafe, ja?", fragt er und ich murre nur.
Dann spüre ich, wie er sich über mich beugt, um mir einen Kuss auf die Wange zu drücken. Meine Haut beginnt zu prickeln und ich fahre die Stelle mit meinen Fingern nach.
Ohne großartig darüber nachzudenken, klammere ich mich an Rick, der auf dem Rücken liegt, fest, lege meinen Kopf auf seine Brust und höre sein Herz schlagen.
Auf einmal will ich gar nicht mehr schlafen. Ich will Zeit mit Rick verbringen...und zwar so viel wie möglich. Doch als ich zu seinem Gesicht sehe und seinem Atem lausche, merke ich, dass er schon wieder schläft. Ich kuschele mich also wieder an ihn und versuche, nochmal einzuschlafen.

- - -

Neben mir bewegt sich etwas und ich bin schlagartig hellwach.
"Hey", murmele ich, als ich bemerke, dass Rick gerade aufstehen will.
"Na?", fragt er und ich muss bei seinem Anblick lächeln.
"Wo willst du hin?", will ich von ihm wissen und er meint, er müsse mal.
Als er aus dem Zimmer raus ist, stehe ich auf, um die Sonne ins Zimmer zu lassen. Mein Wecker zeigt 7:30 Uhr an, was bedeutet, ich kann noch eine ganze Weile liegen bleiben...schließlich ist Wochenende.
Als Rick wieder ins Zimmer kommt, sehe ich ihn mit großen, erwartungsvollen Augen an. Er fragt mich mit einem Blick, was los ist/wieso ich so gucke und ich zucke mit den Schultern.
Gleich darauf macht er es sich wieder neben mir bequem.
"Also...willst du nochmal versuchen zu schlafen?", will er von mir wissen und ich zucke wieder mit den Schultern: "Nur, wenn du auch willst. Wir können aber auch quatschen, wenn du möchtest", sage ich und Rick nickt.
"Okay, dann lass' ein bisschen reden. Über was eigentlich?", will er wissen und ich muss mir schnell was einfallen lassen.

"Erzähl' mir von dem besten und dem schlimmsten Erlebnis deines Lebens!", fordere ich ihn auf. Rick scheint verwundert darüber, denn er zögert, dann sagt er aber: "Einverstanden. Aber unter einer Bedingung...", ich sehe ihn verwundert an, nicke aber und er fährt fort, "nur...wenn du mir auch von deinem erzählst!"
Ich nicke: "Okay...kein Problem."
"Also...das beste war...als ich...endlich laufen konnte", meint Rick und wir müssen lachen. Eindeutig ein Witz.
Ich verdrehe die Augen: "Mensch ey, nicht sowas. Du weißt, was ich meine!"
Er lacht und sagt dann vollkommen ernst: "Okay...das schlimmste, und das ist die Wahrheit, war tatsächlich...als...als mein Vater abgehauen ist...vom einen auf den anderen Tag waren meine Mom und ich allein." Ich nicke, versuche mir vorzustellen, wie es wäre, wenn auf einmal einer meiner Elternteile weg wäre.
Rick erzählt von den wenigen Erinnerungen, die er an seinen Dad hat. Auch, dass er es aufgegeben hat, ihn wiederzufinden. Er scheint tief in Gedanken versunken, als er auf einmal wie aus einem Traum erwacht und sagt: "Okay, jetzt du!"

"Also...das...also, das schlimmste war, als mein Opa gestorben ist. Da...da war ich ziemlich neben der Spur. Er war sowas wie mein bester Freund..."
Erinnerungen überfallen mich und ich muss mich stark zurückhalten, um nicht in Tränen auszubrechen.
Rick scheint nicht damit gerechnet zu haben, mich so emotional zu erleben, denn er sieht mich mit hilflosem Blick an.
Doch dann sagt er: "Das Beste ist...wenn du darüber sprichst...komm' schon, erzähl' mir alles."
Ich habe den Verdacht, dass er das macht, damit ich ihn nicht weiter ausquetsche...
Ich schüttele den Kopf, denn ich will jetzt nicht rumheulen und so wechseln wir das Thema.

"Du redest wirklich gern, oder?", fragt mich Rick, als ich gerade dabei bin, ihm von der Märchenaufführung in der Grundschule zu berichten anfange.
Auf jeden Fall verstumme ich abrupt bei seiner Aussage und schäme mich dafür, dass ich so viel erzähle.
"Sorry..", murmele ich und Rick sieht mich verwundert an.
Doch er scheint zu begreifen, denn er sagt: "Achso...ne, so war das nicht gemeint. Ich...ich find' das toll, wirklich. Da muss ich nicht selber reden und die Vorstellung von dir als Schneewittchen ist echt süß...du bist süß!" Ich verziehe das Gesicht und wende den Blick ab, doch Rick legt einen Finger unter mein Kinn und dreht meinen Kopf wieder zu sich rum.
"Du bist wirklich besonders und du...du...", er zögert, "du bedeutest mir so unglaublich viel. Das hätte ich echt nie gedacht."
Ich glaube, ich werde rot.
Seine Augen fixieren meine und ich schwebe auf Wolke sieben. Er kommt immer näher und schließlich treffen seine Lippen auf meine.
Oh Mann. Wie habe ich das vermisst!

Wo die Liebe hinfällt... (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt