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Eleanor räumte grade eine Kiste neuer Bücher in ein großes, kastanienbraunes Regal, als das Telefon im Buchladen klingelte.
Sie arbeitete schon zwei Jahre hier, schon immer war es ihr Wunsch eine kleine Wohnung zu haben und in einer Bibliothek oder einem Buchladen zu arbeiten.
Vorsichtig legte sie die beiden Bücher, die sie gerade ihrer zierlichen Hand hielt, zurück auf den Pappkarton und huschte rüber zur Kasse, neben der das Telefon stand.
Als sie dem Anrufer zwei Fragen zu gelagerten Büchern und eine zu Goethe beantwortet hatte, legte dieser wieder auf.

Eleanor schlenderte zurück zu ihrer Box und bemerkte in eben jenem Gang eine umher flanierende junge Frau.
Diese schob sich vorsichtig eine Strähne ihrer roten Locken hinter ihr Ohr und las den Klappentext eines Buches. Die eher zierliche Person - das heißt eigentlich war sie vergleichsweise muskulös jedoch einfach etwas klein - trug eine hellbraune Lederjacke über einem weißen T-shirt, hüftabwärts eine enge, schwarze Jeans und ein paar knöchelhohe Lederstiefel, ebenfalls schwarz.
Der Knall eines zuklappenden Buches ließ Eleanor aus ihren Gedanken hochschrecken. Als sie bemerkte, dass sie die Frau angestarrt hatte, wandte sie sich schnell wieder ihrem Karton zu.

Zwei Minuten später drehte sie sich wegen eines Räusperns erschrocken in die Richtung der Herkunft des Geräusches. Ihr entgegen starrten zwei waldgrüne Augen, die der rothaarigen Schönheit gehörten, die sie noch eben beäugelt hatte.
„Mh?", schreckte Eleanor verwirrt auf, nachdem sie sich aus ihren Gedanken hochgeschreckt war.
„Ich hab noch nichts gefragt", lachte die Fremde.
„Oh, ähm... das tut mir Leid. Was kann ich für sie tun?", stammelte die 21-jährige während ihr die Röte in die Wangen schoss.
„Ich dachte, sie können mir vielleicht ein Buch empfehlen. Vielleicht einen Klassiker?", erkundigte sich ihr Gegenüber.
„Nun, ja, also wenn sie sich für feministische Literatur interessieren, könnte ich Virginia Woolf oder im speziellen Jane Austen's „Stolz und Vorurteil" wirklich empfehlen. Es zieht sich zwar ein wenig, allerdings lohnt sich das Warten.
Wenn sie mehr auf was deskriptives Lust haben, können Sie sich „Of Mice and Men" von John Steinbeck mal ansehen. Das ist aus den 1930ern und spielt in Kalifornien.
Sollten sie jedoch für tragische Romanzen mit einer Note von Humor etwas übrig haben, sind „Eine wie Alaska" und „Das Schicksal ist ein mieser Verräter" von John Green zwei meiner Favoriten. Wirklich mitreißend und traurig, aber gleichzeitig ermutigend und einfach sehr herzlich. Ist aber eher was für Jugendliche, befürchte ich. Wobei es viele schöne und ansprechende Metaphern gibt. Meine favorisierte ist die mit den... ach, wissen Sie, ich will Sie nicht weiter langweilen. Außerdem schweife ich ab.
Kommen Sie, ich zeig Ihnen einfach das Regal mit den Klassikern.", unterbrach Eleanor sich selbst und ging in eine Richtung los mit einem etwas unsicheren Blick zu der Dame, von der sie hoffte, sie würde mitkommen. Ihre Hoffnung wurde erfüllt und die Beiden liefen durch den Laden.

„Ich fand Ihre Ausführung wirklich interessant und bedauere es, dass Sie so abrupt aufgehört haben", gab die Besucherin zu und lächelte.
Ihr Lächeln wurde erwidert und bald waren sie angekommen, denn der Laden war nicht riesig.

Eleanor widmete sich wieder ihrer Kiste und war nun auch schnell mit dieser durch. Sie ging an die Kasse, da davor ein Mann mittleren Alters stand und zwei Bücher im Arm hielt. Als sie dort angekommen war, legte der Mann die Bücher ab, sie scannte sie und er bezahlte.
Etwas in Gedanken sah Eleanor auf ihr Telefon und bemerkte eine Nachricht von ihrem Freund, der sie später abholen wollte. Während sie ihm antwortete, näherten sich Schritte und ein Buch wurde auf den Tisch gelegt.

„Wenn Sie nichts dagegen hätten, könnten wir uns mal auf einen Kaffee treffen und Sie erzählen mir von ihren Lieblingsmetaphern. Was machen Sie nach der Arbeit?"
Sofort schreckte Eleanor hoch und blickte wieder in die grünen Augen, neben denen die roten Locken mittlerweile oben zu einem kleinen Dutt fixiert wurden.
„Ich bin übrigens Natasha", stellte die Besitzerin der Augen fest und schob ihre Buchwahl ein Stück weiter über die Theke.
Ohne dem Buch weiter Beachtung zu schenken, scannte Eleanor es und starrte weiterhin in die Augen, ihres Gegenübers.
„Oh, wow, das interessiert Sie wirklich, mh? Ich meine, ich würde wahnsinnig gern mit Ihnen was trinken gehen und ich hab sogar in 5 Minuten Schluss, allerdings ist es heute schlecht, aber vielleicht wollen Sie mir ihre Nummer geben und dann schreib ich Ihnen, wenn es passt, falls das für Sie okay ist. Ich bin übrigens-"

„Ellie, Baby", rief auf einmal jemand durch den Laden und kaum waren die Worte verhallt, stand auch schon ein gut aussehender junger Mann neben den beiden Damen. Kurz sah er zwischen Ihnen hin und her, doch als Eleanor den Blickkontakt abbrach und ihn ansah, nahm er ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie kurz.
„Einen Moment, John, wir können gleich los. Lass mich kurz noch das Gespräch zu Ende führen", sagte sie vorsichtig, worauf er nur salopp antwortete: „Aber lass mich nicht zu lange warten", ihr dann zuzwinkerte und nachdem er Natasha kurz begutachtet hatte, den Laden verließ.
„Das tut mir wirklich Leid. Das ist mein Freund Johnathan. Wir sind verabredet, ich hab ihn schon die letzten zwei Male versetzt, das kann ich heute nicht schon wieder tun. Hier ist Ihre Rechnung", stammelte Eleanor vor sich hin und schob das Buch wieder über die Theke, diesmal mit einem Beleg darin, weil Natasha das Geld vorher schon dazu gelegt hatte und das Buch nun bezahlt war.

„Das ist nicht so schlimm", lächelte die Rothaarige und schob einen Zettel zurück. „Aber fang bitte an, mich zu duzen, ich bin erst 26."
Verdutzt schaute Eleanor auf den Zettel und erblickte eine Telefonnummer darauf. Sie hob ihren Blick nochmal, zu ihrem Pech hatte sie ihre neue Bekanntschaft allerdings schon auf den Weg zur Ladentür gemacht. Jedoch drehte sie sich noch einmal um, starrte in Eleanors meeresblaue Augen und lächelte minimalistisch.
„Ich denke, Du hättest mehr verdient als das", gab sie in einem sanften Ton von sich und nickte dabei Richtung John, der durch die Glastür zu sehen war und desinteressiert auf seinem Handy herum tippte.
„Ruf mich an oder schreib mir", fügte Natasha noch hinzu, brach dann den intensiven Blickkontakt ab und verließ die Buchhandlung.

All die einsamen LeuteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt