Das Radio dudelte Weihnachtslieder, draußen fiel Schnee und Eleanor saß mit einer Tasse heißer Schokolade in eine Decke eingehüllt auf ihrer Fensterbank, während sie in das weiße Gewirbel im Licht der Straßenlaterne vor ihrem Fenster starrte. Es war der 23. Dezember und es war früh Abend. Mit einem dramatischen Seufzer hob Ellie ihre Tasse an die Lippen und leerte sie in einem Zug. Dann stellte sie sie auf dem Fensterbrett ab, von welchem sie sich in jenem Moment erhob und schlurfte in ihrer Decke zu ihrem Bett. Sie ließ sich fallen und schloss erschöpft die Augen. Der Abend war noch nicht alt, aber das würde er für Eleanor heute auch nicht mehr werden.
Sie hatte Natasha nun Monate nicht mehr gesehen. Sie hatte die Erinnerungen mit ihr weitestgehend verdrängt, aber vergessen konnte sie sie nicht. Manchmal erwischte sie sich, wie sie durch die Regalreihe ging, in der sie Nat zum allerersten Mal gesehen hatte und auf den Fleck starrte, an dem sie sie gesehen hatte. Eleanor würde es sich selbst nicht eingestehen wollen, aber sie vermisste Natasha.
Langsam, aber ohne sich dagegen zu wehren, driftete sie in den Schlaf ab. Es war ein tiefer, aber traumloser Schlaf. Mitten in der Nacht wurde sie wach. Es war kalt. Die Decke war auf den Boden gefallen, bemerkte sie. Mit einem Blick auf den Wecker auf dem Nachttisch bemerkte sie, dass es nach Mitternacht war. Ein minimalistisches, traurig getöntes Lächeln durchzog ihr Gesicht. Ellie griff nach der Decke, zog sie mit bester Mühe zu sich hoch und rollte sich auf ihre andere Seite, damit die Decke über sie gezogen wurde.
Als sie sich gedrehte hatte, lag sie mittig in ihrem Bett und starrte mittig in das schattige Gesicht einer alten Freundin.
"Warum tauchst du immer mitten in der Nacht auf? Willst du mir einen Herzinfarkt verpassen, wenn ich aufwache?", flüsterte sie verschlafen und so leise, sie konnte es selbst kaum hören.
"Das wäre das letzte, was ich wollen würde, aber ich komm halt, wenn ich fertig bin und nicht erst den Morgen danach", raunte Nat zurück, wieder einmal ohne die Augen zu öffnen.
Als Eleanor sie wirklich hören konnte, wurden ihre Augen riesig. Sie hatte Natasha in den letzten Monaten immer wieder überall gesehen. In der Bahn auf leeren Sitzen neben ihr, im Laden wenn es ruhig genug war, dass sie Zeit zum träumen hatte, warum hätte ein Halbtraum mitten in der Nacht jetzt die echte sein sollen?
"Nat?", zitterte Ellies Stimme, nur noch minimalistisch vorhanden und kurz vor dem Wegbrechen. Ihre Augen wurden von Tränen gefüllt und so vorsichtig es ging, streckte sie eine Hand nach der teils verletzten und doch zarten Haut aus und fühlte, dass Natasha wirklich da war. Dann brachen bei Eleanor sämtlich Barrieren ein. Tränen strömte über ihr Gesicht und sie rollte sich schwungvoll in Natashas Arme.
"Du bist es wirklich. Du bist wieder da. Du-", nuschelte sie in das T-Shirt der Rothaarigen, wurde dann aber von ihrem eigenen Schluchzen unterbrochen.
"Hey, hey, Baby, alles gut", versuchte Nat sie zu beruhigen. Sie bemerkte, was ihre Abwesenheit angerichtet hatte und schloss ihre Freundin in die Arme. So lagen sie da eine Weile lang, still und in einander verschlungen.
"Ich hatte schon Angst, ich muss meinen Geburtstag allein verbringen", wisperte Ellie irgendwann in die dunkle Stille hinein.
"Du hast heute Geburtstag?", flüsterte Nat in gebrechlicher Stimme.
"Es ist nach Mitternacht. Es ist der 24. Dezember", erklärte Eleanor nur ruhig und fügte noch hinzu: "wobei ich wohl nie erwähnt hab, dass das mein Geburtstag ist."
"Herzlichen Glückwunsch, Süße", gratulierte Natasha, küsste ihre Freundin zärtlich auf die Stirn und legte danach ihre eigene darauf, sodass sie Stirn an Stirn lagen, wobei die Russin Eleanors Gesicht mit beiden Händen hielt.
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All die einsamen Leute
Fanfiction„Als ich dich sah, verfiel ich dir. Und du fingst an zu lächeln, weil du es wusstest." plot: Eleanor ist 21 Jahre alt und arbeitet in einem New Yorker Buchladen. Eines Tages trifft sie eine bezaubernde junge Frau, die, wie sie später erfährt, zu den...