XXVII

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TW: SH, Mention of/Attempted Suicide

"Hey Elle, wie geht's dir so?", kam es in sanfter, nahezu flüsternder Stimme aus Richtung der Tür. Eleanor machte sich nicht die Mühe, hochzuschauen. Sie lag in Natashas Bett, tief unter Natashas Decke vergraben und heulte Rotz und Wasser in Natashas Pullover, den sie angezogen hatte und in dem ihr Gesicht vergraben war.

"Elle, ich weiß, es ist nicht einfach, aber du hast dieses Zimmer seit  zwei Tagen nicht verlassen. Mir ist bewusst, dass dir Natasha fehlt, aber-", Wanda schob sich vorsichtig durch die Tür, während sie sprach, aber sobald sie den Namen der Russin über die Lippen brachte, kam von Eleanor ein übertönendes Schluchzen. Sie vergrub ihr Gesicht so tief im Kissen, welches noch die Reste von Natashas Geruch enthielt, dass Wanda Angst bekam, sie könnte daran ersticken, bis ihr wieder einfiel, dass Nat nur atmungsaktive Kissen benutzte, weil sie befürchtete, jemand könnte sie nachts um die Ecke bringen wollen.

"Hey, ich weiß, sie fehlt dir, aber du musst echt was essen, das ist langsam nicht mehr gesund. Kommst du mit in die Küche? Sonst kann ich dir auch was machen und herbringen, aber bitte, iss was", flehte die Sokovianerin, während sie sich auf der Bettkante niederließ. Eleanor hatte ihr den Rücken zugedreht. Wanda legte sanft ihre Hand auf die Taille der 21-Jährigen. Diese drehte ihr träge das Gesicht zu. Ihre Augen waren zugeschwollen, rot und glasig. Ihre Unterlippe zitterte leicht und ihr Blick war leer.

"Oh du liebes bisschen, Süße, komm her." Wanda versuchte sich den Schock nicht anmerken zu lassen, aber sie konnte nicht anders als Ellie in den Arm zu nehmen. Von dieser kam ein weiterer Schluchzer und ein vernuscheltes: "Sie nennt mich auch oft Süße."

"Shh, schon gut, alles wird gut", flüsterte sie und zog Eleanor näher an sich heran, "und jetzt komm her", presste Wanda hervor, während sie sich mit Ellie in den Armen aufrichtete, die Decke von abschüttelte und Richtung Tür marschierte. Eleanor wollte sich wehren, war aber zu kraftlos und so nahm sie ihr Schicksal hin.

Natasha war nun seit gut zwei Tagen weg und ihre Freundin kam nicht sonderlich gut damit klar. Den ersten Nachmittag hatte sie versucht, so normal wie möglich zu wirken und ein wenig Konversation mit Wanda zu treiben. Auch Pepper hatte sie sehr gern und selbst mit dem Teenager, den Tony geradezu wie einen Sohn behandelte, Peter, hatte sie ein paar Worte gewechselt, obwohl sie immer noch nicht gern in Gesellschaft von Männern war, aber schon am ersten Abend brach alles zusammen.

Mit Mühe und Not trug Wanda die junge Frau bis in die Küche und setzte sie dort auf die Arbeitsplatte. Während sie den Kühlschrank öffnete, keuchte sie: "Worauf hast du Lust? Toast oder Brötchen mit irgendwas oder lieber was warmes? Ich mach auch hervorragendes Paprikash, aber das würde eine Weile brauchen."

Eleanor zuckte nur lustlos mit den Schultern und blickte müde ins Leere. "Dann gibt es jetzt Toast. Isst du Käse, Elle?", entschied Wanda für sie, während sie schon den Belag aus dem Kälte abstrahlenden Schrank räumte.

Ein Glas Sprudelwasser und drei Scheiben Toast später entschied Ellie, mal wieder nach Hause zu gehen. Sie war schon gut einen Monat nicht mehr da gewesen und auf der Arbeit, war sie auch ewig nicht mehr erschienen, aber es würde nicht besser werden, jetzt all ihre Zeit in Natashas Zimmer zu verbringen. Also berichtete sie Wanda träge von ihrem Plan, diese fragte, ob sie wenigstens nach ihr sehen dürfe, so einmal am Tag, Ellie zuckte wieder nur ihre Schultern und stand ohne ein weiteres Wort auf.

Sie wankte stumm den Gang hinunter und suchte in Nats Zimmer ihre Sachen zusammen. Zwischendurch kam Pepper herein. Wanda hatte ihr erzählt, was Eleanor vorhatte und kam, um ihr ein Taxi anzubieten. Sie nahm es dankend an und verabschiedete sich.

Gut 20 Minuten später schloss sie die Tür ihrer Wohnung auf. Sobald die Tür ins Schloss fiel, plumpste ihr Gepäck schallend auf den Boden des stillen Flurs. Das Apartment war wie tot.
Ellie schlurfte durch die Wohnung und ließ sich in ihrem Zimmer auf ihr Bett fallen. Nach einem tiefen Seufzer schloss sie die Augen und über ihre Wange rollten einzelne Tränen.

All die einsamen LeuteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt