Der Wind pfiff durch das Zimmer, es war Nacht und es war durchaus frisch. Natasha strampelte vorsichtig die Decke von ihren Beinen und tapste zum Fenster rüber. Der dunkle Holzboden knarrte unter ihren zarten Füßen. Als sie das Fenster geschlossen und den Luftzug aus der Welt geschafft hatte, wollte sie gerade zurück ins Bett fallen, da sah sie auf ihrem Nachttisch ihr Telefon vibrieren. Sie schnappte es sich und flitzte rüber in die Bibliothek.
Gerade als sie gegangen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, räkelte sich Eleanor in ihrer Decke. Sie drehte sich zur Seite und suchte mit geschlossenen Augen auf der anderen Seite des Bettes dem warmen Körper, der ihrer Freundin gehörte. Als sie mit ihrer Hand die Bettkante erreichte, schlug sie müde aber ruckartig die Augen auf.
"Nat? Baby?", säuselte sie nahezu geräuschlos. Dann hörte Ellie die Stimme aus dem Nebenzimmer. Sie rollte sich vom Bett und schlurfte zur Tür. Das alte Holz öffnete sich gerade in dem Moment und sie stand Natasha Nase an Nase direkt gegenüber.
"Süße, was machst du denn hier? Warum schläfst du nicht?", wisperte die Russin in ihrer leicht rauen Stimme. Sie nahm ihre Freundin mit beiden Händen an der Hüfte und zog sie ein Stück an sich heran. Zwar lächelte die Rothaarige sanft, aber man konnte einen Unterton in ihrem Blick vernehmen.
"Hatten wir das nicht schon diskutiert, bevor wir überhaupt zusammen waren? Ich mag keine kalten Betten", nörgelte Ellie, als sie ihre Arme und Nats Hals schlang und nach einem kleinen Sprung von ihr hochgehoben wurde. Eleanor legte ihr Gesicht auf Natashas Schulter ab und platzierte sanft einen Kuss an ihrem Hals.
Sie bewegten sich zurück zum Bett und die 21-jährige fragte: "Was hast du um die Uhrzeit gemacht?", wobei sie mittig ihres Satzes unterbrechen musste, um zu gähnen.
"Ich hab telefoniert, es war wichtig. Ich wäre nicht rangegangen, wäre es nicht wichtig gewesen", versicherte Nat ihr und legte sie gerade neben sich hin.
"Ist was passiert?", war Eleanor auf einmal wieder hell wach und drehte sich aus der Rückenlage auf die Seite Richtung Natasha.
"Nichts, worüber du dir Sorgen machen musst, Baby, aber ich befürchte, wir müssen bald zurück nach New York", nuschelte diese mit einem Anflug von Bedrücktheit in der Stimme, weniger weil sie selbst betrübt übers Gehen war, sondern weil sie wusste, wie sehr ihre Freundin England liebte.
"W- Was? Wann?", sah diese sie aus großen Augen an. Die Russin hätte schwören können, dass sich Tränen in den Augen ihrer Bettgenossin bildeten, aber sie konnte sie bei sich behalten.
"Ich weiß, dass du es hier magst, aber es ist ausgesprochen wichtig. Nick Fury hat mich persönlich angerufen wegen einer Mission. Ich muss bis spätestens Ende der Woche wieder in den Staaten sein und ich werde dich beim besten Willen nicht hierlassen. Tut mir wirklich Leid, Baby. Willst du morgen nochmal in die Stadt?", man konnte die Reue in ihrer Stimme hören, dass sie ihrer Partnerin den Urlaub so früh abnehmen musste, aber es war ernst. Sie rutschte ein Stück an sie heran und nahm sie in den Arm.
Und so schliefen sie wieder ein, Natasha mit Schuldgefühlen und Eleanor leicht traurig, aber beide glücklich miteinander. Am nächsten Tag fuhren sie tatsächlich nochmal in die Stadt, streunten durch Buchläden, schlenderten durch die Gassen, kamen in den Regen, wie sich das in London gehört und packten schließlich im Haus wieder ihre Sachen und räumten noch ein wenig auf. An noch eben jenem Abend, um genau zu sein war es schon Nacht, saßen sie in ihrer Maschine Richtung Amerika.
Die meiste Zeit schliefen die Beiden, aber Mr. Johnson brachte sie sicher bis zum Stark Tower und ging erst wieder, als er überzeugt war, dass sie unbeschwert angekommen waren. Sie packten ein wenig aus und weil sie vom Tag und von der Reise müde waren, gingen sie früh schlafen. Also um genau zu sein, ging Natasha früh ins Bett, weil sie am nächsten Tag wieder früh trainieren musste und es ungewiss war, wann sie auf die Mission musste. Ellie saß noch ein bisschen mit Wanda im Gemeinschaftsraum und sprach über Paris und London und England allgemein und alles was sie erlebt hatten. Irgendwann wurde sie aber auch müde und nachdem sie Wanda zu ihrem Zimmer gebracht hatte, huschte sie vorsichtig in Nats Raum und kuschelte sich an ihre Freundin.
Die Nacht war aber viel zu kurz und unglücklicherweise hatte sich Eleanor so eng an sie geschmiegt, dass Nat unmöglich aufstehen konnte, ohne sie zu wecken und so waren Beide schon 6:30 Uhr wach. Allerdings hatten sie durch den Flug immerhin 5h gewonnen, weshalb sie trotzdem ausreichend geschlafen hatten; Natasha sogar noch mehr als Ellie.
Weil Eleanor zu viel geschlafen hatte, um sich nochmal umdrehen zu können, ging sie mit Natasha trainieren. Eine Aufwärmung, ein paar Runden Boxen und ein Workout füllten zwei Stunden, aber als Nat sich zum Joggen draußen fertigmachte, hörte Ellie auf; schließlich war sie nicht besser trainiert als der New Yorker Durchschnittsmensch.
Der Sommer war nahezu vorbei und die Nächte wurden wieder kälter, obwohl die Tage durchaus noch etwa 20-25°C erreichten. An diesem Septembermorgen war es ziemlich frisch, weshalb Nat sich noch eine Jacke holte und dann gleich den Tower verließ, um nicht auszukühlen. Ellie hingegen nahm eine lange, warme Dusche und holte sich dann ein Buch, mit dem sie sich im Gemeinschaftsraum niederließ. Bald kamen ein paar der anderen Avengers herein, die sich vor dem Training noch einen Kaffee holen wollten, aber manche erschienen auch erst deutlich später, weil sie ihren Kaffee lieber nach dem Training hatten. Mit Natasha kamen Steve und Sam herein. Ellie verstand nicht ganz, worum es ging, aber alle drei schienen joggen gewesen zu sein und Sam regte sich tierisch über Steve auf.
"Siehst du was ich meine?!", nörgelte er nur Nat an, welche ihn auslachte. Steve bemerkte das verwirrte Gesicht der 21-Jährigen, setzte ein unschuldiges Lächeln auf und zuckte mit den Schultern.
Die Russin löste sich vom Trüppchen und kam, immer noch grinsend, zu ihrer Freundin herüber. Nach einem flüchtigen Kuss sagte sie schadenfroh: "Steve ist schneller als Sam und warnt ihn vor, wenn er an ihm vorbeiläuft, wie ein guter fürsorglicher Mitbürger das so machen würde", aber auch das löste Eleanors Verwirrung nicht komplett auf. Bald vergaß sie den Gedanken allerdings.
Die Beiden machten sich Frühstück und aßen zu zweit in Nats Zimmer. Danach packten sie ihre Sachen aus. Es fanden sich einige Sachen an, die Ellie verloren gehabt zu haben geglaubt hatte, aber Nat hatte die ganze Zeit darauf bestanden, es würde sich alles wieder anfinden.
Als sie sich soweit wieder eingerichtet hatten, nahm die 26-Jährige sich ihre Freundin beiseite. Diese war etwas verwirrt, vielleicht sogar unsicher, weil sie nicht wusste, worum es ging.
"Baby, ich muss morgen auf die Mission, wegen der wir hergekommen sind", erklärte die Rothaarige, ihre Freundin auf ihrem Schoß und mit ihren Haaren spielend.
"Oh- okay. Weißt du schon, wann du wieder kommst?", fragte diese unschuldig.
"Nein, aber es kann eine Weile dauern. Außerdem bin ich ziemlich weit weg", antwortete sie ruhig mit ein wenig Betrübtheit in Blick und Stimme.
"Wo geht's hin?", wollte Ellie vorsichtig wissen und wurde konzentrierter.
"Asien. Wo genau darf ich nicht sagen, aber das ist ja auch nicht wichtig." Natasha suchte den Blickkontakt zu ihrer Partnerin. Sie wusste, wie diese Information sie treffen würde und auch für sie selbst war das nicht das Allerschönste, aber es war eben ihr Job. Sie war es all denen schuldig, die sie verletzt oder getötet hatte, jetzt auf der vermeidlich "richtigen" Seite zu stehen. Sie wollte nicht die Killerin sein, die kleine Mädchen auf dem Cover einer Zeitschrift sehen und als ihre Heldin feiern würden, wenn sie das nicht verdient hatte. Sie tat es für ihr Gewissen.
Augenblicklich erstarrte Ellie und ließ die Strähne fallen, die sie bis eben um ihren Zeigefinger gewickelt hatte. Ihr Blick wurde stumpf und ungerichtet, obwohl sie Nat direkt in die Augen sah. Eine glasige Schicht bildete sich auf ihren Augen und ihre Oberlippe fing minimalistisch an zu zittern.
"Ich weiß, es ist nicht das, was du hören willst, und es ist auch nicht das, was du verdient hast, aber es ist das, was ich tun muss. Es tut mir wirklich Leid und ich wünschte, es wäre nicht notwendig", hauchte Nat niedergeschlagen.
"Hör bitte auf, dich zu entschuldigen. Wir wissen beide, dass es nicht in deiner Macht steht, das zu entscheiden. Ich wünschte bloß-", zitterte Eleanors Stimme und brach dann weg.
"Ich-", versuchte sie es noch einmal, aber es wurde wieder nichts und so legte Nat eine Hand auf das braune Haar und führte den dazugehörigen Kopf auf ihre Schulter, um ihn dort abzulegen. Gleich darauf vernahm sie ein herzzerreißendes Schluchzen. Ellie konnte nichts mehr dagegen tun.
"Es tut mir Leid, Baby."
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All die einsamen Leute
Fanfiction„Als ich dich sah, verfiel ich dir. Und du fingst an zu lächeln, weil du es wusstest." plot: Eleanor ist 21 Jahre alt und arbeitet in einem New Yorker Buchladen. Eines Tages trifft sie eine bezaubernde junge Frau, die, wie sie später erfährt, zu den...