Rapito - Entführt

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Rapito – Entführt


„Liebe ist der einzige Grund, für den wir zu sterben bereit sind."

-Liebe in Gedanken


Alenia

Die laue Sommerluft hatte sich wie eine warme Decke über die Toskana gelegt. Ich atmete aus und sah zu, wie Caius unsere kleine Tochter hochhob und sie durch die Luft wirbelte. Cassie quietschte aufgeregt und entlockte mir ein leises lachen. Mein Gefährte sah zu mir herüber und ich lief über die vertrocknete Wiese zu ihm. Entspannt legte ich meine Arme um seinen Hals, hauchte ihm einen federleichten Kuss auf die Wange.

Cassie wurde unruhig und zappelte, bis Caius sie herunterließ. Mit ihren kleinen Beinchen rannte sie über die Wiese zu einer Blume und pflückte diese. Ich wollte sie gerade ermahnen, nicht zu weit weg zu laufen, doch sie kam schon wieder zurück und drückte mir die Blume in die Hand. „Für dich.", meinte sie und schaute mit großen Augen zu mir hoch. Ein breites Lächeln schlich sich auf mein Gesicht und ich betrachtete die Blüte. Sie war rot und hatte zarte Blütenblätter. Vorsichtig drehte ich sie in meinen Händen.

Plötzlich spürte ich, wie sich zwei starke Arme um mich legten. Ich lehnte mich an meinen Gefährten und genoss die Ruhe um uns herum. Keine Wachen, keine Bediensteten, niemand, der uns in diesem wunderschönen Moment stören könnte. Nur wir drei. „Wir brauchen eine Vase mit Wasser.", bemerkte Caius und ich öffnete meine Augen wieder. Er hatte recht, die schöne Blume ließ schon schwach ihren Kopf hängen. Cassie, die die letzten Worte ihres Vaters gehört hatte, kam wieder zu uns gerannt und schaute traurig auf ihren Fund. „Ist die Blume jetzt tot?", fragte sie enttäuscht. Ich tauschte einen Blick mit Caius und schüttelte den Kopf.

„Nein, sie braucht nur ein bisschen Wasser.", erklärte ich meiner Tochter, die sich daraufhin auch gleich umsah, als würde jetzt aus dem Nichts jemand auftauchen und uns Wasser bringen. „Wo ist Alec?", wollte sie wissen und verschränkte die Arme. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Caius Mine sich versteinerte und ich drückte seine Hand, um ihn daran zu erinnern, dass Cassie nicht immer klein bleiben würde. „Er ist mit Jane und den anderen im Schloss. Warum fragst du? Magst du ihn etwa?", stichelte ich und nahm sie hoch. „Nein, aber ich will, dass er der Blume Wasser bringt.", antwortete sie wie aus der Pistole geschossen und nahm mir ihr Geschenk wieder aus der Hand.

„Das hat sie von dir.", flüsterte ich vorwurfsvoll zu Caius, der jetzt wieder zufrieden aussah und mir Cassie abnahm. „Können wir jetzt Wasser holen?", fragte sie ungeduldig dazwischen. „Wir tun sie in eine Vase, sobald wir wieder im Schloss sind.", versprach Caius ihr, aber Cassie wirkte immer noch unzufrieden. „Aber das dauert ja noch ewig!", beschwerte sie sich, „Wir müssen uns jetzt um die Blume kümmern." „Es ist nur eine Blume, Cassie. Im Schlossgarten gibt es tausende davon.", sagte mein Gefährte und kassierte sofort einen bösen Blick von unserer Tochter.

„Wir sind doch auf dem Weg hierher an einem Blumengeschäft vorbeigekommen. Da müssten wir doch Wasser und eine Vase kriegen.", schlug ich vor. „Können wir da schnell hingehen?", bettelte meine Tochter sofort, doch Caius verneinte. „Wir haben nicht genug Tücher und auch nur eine Sonnenbrille, das reicht nicht für uns drei."

„Dann geht eben nur Mama.", kam prompt die Antwort und ich musste zugeben, dass ich darauf gar nicht gekommen wäre. „Eigentlich hat sie recht.", stimmte ich zu und warf meinem Gefährten einen bittenden Blick zu. „Auf keinen Fall lasse ich dich alleine da unten rumlaufen. Das ist viel zu gefährlich und es sich nicht einmal Wachen in der Nähe." Innerlich verdrehte ich die Augen. „Gut, dann gehst du und ich warte hier mit Cassie auf dich.", machte ich den Gegenvorschlag, um ihm zu zeigen, dass er sowieso keine Wahl hatte.

„Nein."

An diesem Punkt hätte ich schon beinahe aufgegeben, aber Cassie war eben wie ihr Vater und das Wort „Nein" existierte nur in ihrem Wortschatz, wenn sie es zu anderen sagte. „DOCH!" Wütend stemmte sie ihre kleinen Arme in die Hüfte und legte blinzelnd den Kopf in den Nacken, um ihrem Vater in die Augen schauen zu können. Caius verdrehte die Augen und gab schließlich mit einem genervt klingendem „Meinetwegen" sein Einverständnis. Ich zog mir ein Kopftuch an und verdeckte mit einer großen Sonnenbrille mein Gesicht. „Ich bin doch gleich wieder da.", flüsterte ich Caius ins Ohr und küsste ihn noch einmal. Mit einem leichten Seufzen ließ ich mich gegen ihn fallen, während Cassie uns ungeduldig beobachtete.

„Und du machst keinen Ärger, ja?" Ich strich meiner Tochter noch einmal über den Kopf und nahm ihr die Blume ab, dann machte ich mich auf den Weg hinunter ins Dorf. Sanfte Sonnenstrahlen durchbrachen an manchen Stellen das Blätterdickicht und ich nahm mir einen Moment Zeit, die Schattenspiele auf dem Waldboden zu bewundern, dann rannte ich weiter.

Auf einmal hatte ich ein seltsames Gefühl. Irritiert hielt ich inne. In Vampirgeschwindigkeit drehte ich mich um, doch ich konnte niemanden entdecken. Schulterzuckend lief ich bis zur Landstraße. Ich hatte Glück, dass die Gegend hier so gut wie ausgestorben war, sodass ich nicht auf andere Menschen achten musste und so schnell laufen konnte, wie ich wollte. Nur einmal musste ich aufpassen, als ein blauer Van an mir vorbeifuhr.

Nach ein paar Minuten war ich im Dorf fast angekommen, bis mich eine Welle aus warmer Luft traf, die einen starken Blutgeruch mit sich trug und mir direkt ins Gesicht blies. Verwirrt blieb ich stehen. Nur eine Straße weiter befand sich der Blumenladen, doch ich entschied mich trotzdem, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich bog um die Ecke und stand schließlich vor einem kleinen, relativ normal aussehenden Haus. Der Blutgeruch war mittlerweile so stark, dass ich Probleme hatte, mich zu beherrschen und dass ich noch nicht besonders lange ein Vampir war, machte die Situation nicht gerade besser.

Vom Blut angelockt klopfte ich an die Tür, bis ich bemerkte, dass diese einen Spalt weit offenstand. Lautlos trat ich ein und befand mich sofort in einer Art Wohnzimmer. Auf den ersten Blick konnte ich nichts ungewöhnlich entdecken, deswegen folgte ich dem verlockenden Duft und ging durch die nächste Tür, welche mich in eine Art Waschraum führte. Auf einem alten Wäschetrockner standen über 20 Blutkaraffen, bei deren Anblick mir schon das Wasser im Mund zusammenlief. Von meinen Instinkten beherrscht machte ich einen Schritt nach vorne und hob eine der Karaffen an meine Lippen. Das Blut floss mir wohltuend die Kehle hinunter und ich schloss genießerisch die Augen, ohne mir Gedanken zu machen, warum hier einfach so Blut herumstand und niemand im Haus zu sein schien. Ich wollte gerade nach dem nächsten Gefäß greifen, da hielt ich inne und blickte aus dem Fenster.

Der blaue Van, der vor ein paar Minuten an mir vorbeigefahren war, stand nahezu komplett verdeckt hinter einer Hecke, ich konnte nur einen kleinen Teil der Windschutzscheibe richtig sehen. Und hinter dieser Scheibe saß ein vermummter Mann und starrte mich durch rote Augen krankhaft an. Im nächsten Moment legte sich von hinten eine Hand auf meinen Mund.

Die Karaffe zerschellte auf dem Boden.




Mondi lontani - Welten entfernt || twilightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt