Sentimenti - Gefühle

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Sentimenti – Gefühle


„Vergeblich habe ich gekämpft. Es geht nicht. Meine Gefühle können nicht unterdrückt werden."

-Jane Austen


Caius

Wie friedlich ihr Gesicht blickte. Als müsste sie nur die Augen aufschlagen und die Welt würde geheilt sein. Befreit von all dem Hass, der Wut, dem Verrat, die Verbrechen und der Dunkelheit, die tief in den eisigen Herzen von Menschen und Vampiren lauerte, und nur darauf wartete, endlich freigelassen zu werden. In Vampiren wie mir.

Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich so geworden war. So unberechenbar. Seelenlos. War es, als meine Menschenfamilie mich verstieß? Als ich als menschlicher Straßenjunge Tag für Tag ums Überleben kämpfte? Als mein Erschaffer mich biss und damit das letzte bisschen Menschlichkeit, das sich noch in mir befunden hatte, aus mir herausgesogen hatte?

Ich wusste es nicht. Aber all das zählte nun nicht mehr. Alles, was in diesem Moment von Bedeutung war, war das bildschöne Menschenmädchen vor mir, dessen Herz verführerisch gegen ihre Rippen schlug. Ich holte noch einmal tief Luft und atmete ihren Geruch genießerisch ein. Warum hatte ich nie zuvor bemerkt, wie gut Alenia roch? Ihr Duft war eine Mischung aus Orange und irgendeinem sommerlichen Akzent.

Nachdenklich betrachtete ich ihr Gesicht. Ich hätte niemals erwartet, dass ein Mensch so wunderschön aussehen könnte. Ihre Gesichtszüge waren fein und passten perfekt in ihr rundes Gesicht, welches von blonden, weichen Locken umrahmt wurde. Volle Lippen und eine perfekte, süße Nase vollendeten den Engel vor mir.

Fasziniert trat ich einen Schritt näher an sie heran. Langsam bückte ich mich zu ihr herunter und ging vor dem Bett in die Hocke. Meine Kehle kratzte und der Durst ließ meine Augen schwarz wie Pech werden, doch ich ignorierte es. Aus irgendeinem Grund wusste ich, dass ich sie nicht verletzten würde. Ein grausames Lächeln erschien auf meinem Gesicht. Wie verschieden wir doch waren.

Auf der einen Seite stand sie – der Engel.

Auf der anderen ich – der Teufel.

Zwei verschiedene Welten. Gegensätzlich und doch konnten sie ohne einander nicht existieren.

Würde sie die dunkle Seite wählen, wenn ich sie erneut fragen würde? Für mich? Hoffnung keimte in mir auf, die ich schon lange verloren geglaubt hatte. Hatte die Einsamkeit endlich ein Ende?

Gerade, als ich überlegte, ob ich es riskieren konnte, ihr einmal über die Wange zu streichen, ohne dass sie davon aufwachte, ging die Tür mit einem leisen Knarzen auf. Ich knurrte leise, reagierte aber ansonsten nicht. Aros und Marcus Eintreten überraschte mich in keiner Weise. Schon vor langer Zeit hatte ich gelernt, die Schritte meiner Brüder von den der Wächter zu unterscheiden.

„Caius." Mein Name war nicht mehr als ein bedrohliches Knurren aus Marcus Mund. „Was hast du ihr angetan?"

Ich antwortete, ohne den Blick von der Schönheit vor mir zu lösen. „Wieso denkst du, ich würde so einem Engel etwas Böses wollen?" Ich bemerkte, wie Aro von hinten an mich herantrat und mir über die Schulter blickte. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass er wieder eine seiner Augenbrauen hochgezogen hatte und seine Augen vor Neugierde funkelten.

„Das musst du mir erklären, Bruder." Ich ging nicht auf Aros Kommentar ein, sondern riss mich von Alenia Anblick los, um Marcus einen stechend scharfen Blick zuzuwerfen. „Ich habe nicht vor, ihr in irgendeiner Form wehzutun. Im Gegenteil, es war eigentlich ganz friedlich hier, bis ihr plötzlich aufgetaucht seid."

„Was tust du dann hier?" Ich rollte genervt mit den Augen. Seit wann interessierte es Marcus, was im Schloss vorging?

„Die schlafende Schönheit vor mir betrachten. Sieht man doch. Und könntet ihr jetzt bitte wieder gehen oder zumindest etwas leiser sein? Ihr weckt sie sonst noch auf.", gab ich sarkastisch zurück. Obwohl es in gewisser Weise auch stimmte. Ich richtete meinen Blick wieder auf Alenia und hoffte, dass sie von dem Stimmengemurmel nicht aufwachen würde.

„Warum ist sie nackt, Caius?", hakte Aro auf einmal etwas leiser nach und bot mir seine Hand, die ich kopfschüttelnd ablehnte. Die Details brauchte er jetzt wirklich nicht brühwarm zu erfahren. „Ich habe mit ihr geschlafen und da sie anschließend eingeschlafen ist, hat sie sich vorher nichts mehr angezogen."

„Du hast was?!" Entsetzung schwang in Marcus Stimme mit. „Sei ruhig. In diesem Raum ist niemand taub und eben, weil ich mit ihr geschlafen habe, sollten wir ihr noch etwas Ruhe gönnen, oder?" Fast musste ich über die verdrehte Situation lächeln. Normalerweise war Marcus immer derjenige, der andere aufforderte, etwas leiser zu sprechen.

„Sie ist ein Mensch, Caius!"

„Danke für die Information, darauf wäre ich jetzt nicht gekommen.", erwiderte ich trocken. Marcus schien sichtlich besorgt und vergewisserte sich aus nächster Nähe, dass ihr nichts fehlte. „Siehst du nicht, was du angerichtet hast?", fauchte er mich an. „Und blaue Flecken hat sie auch noch!"

Ich unterdrückte den Impuls, genervt zu seufzen und erhob mich langsam. „Von den paar Flecken wird sie schon nicht sterben und da du ja so wunderbar auf sie aufpasst, kann ihr sowieso niemand etwas anhaben. Und außerdem wird sie ab jetzt ebenfalls unter meinem Schutz stehen, also wird es erst gar niemand wagen, sie auch nur falsch anzusehen."

„Ich glaube, du verstehst die Lage nicht, mein Bruder." Ernst schaute Marcus mir in die Augen. „Jetzt, da du mit ihr geschlafen hast, riecht sie überall nach dir. Mal davon abgesehen, dass Athenodora versuchen wird, sich an Alenia zu rächen und die halbe Garde hinter ihr steht, weil jeder von Alenias Duft genervt ist und sie am liebsten auch beseitigt haben will, hast du sie jetzt noch fester an dich gebunden. Wenn du sie jetzt verlässt, wird sie nie wieder glücklich werden. War es eine Nacht wirklich wert, ihr Leben so zu zerstören?"

„Jede Sekunde." Fest entschlossen schaute ich Marcus und Aro in die Augen. Sie sollten wissen, dass ich es ernst meinte und Alenia nach dieser Nacht nicht einfach so wieder fallen lassen würde. „Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde einen Weg finden, mit Alenia zusammen zu sein."

Ich weiß noch nicht wie.

Ich war von mir selbst erdstaunt, dass ich diesen Satz wirklich gesagt hatte. Normalerweise hatte ich immer einen Plan. Wusste immer, wie es weiterging. Doch jetzt war ich das erste Mal seit so vielen Jahrhunderten unsicher, was ich tun sollte.

Ich warf Alenia einen zuneigenden, fast schon zärtlichen Blick zu. Mir war bis jetzt nicht bewusst gewesen, wie groß ihr Einfluss auf mich war.

„Ich sehe deine Bindung zu ihr und ich habe auch bemerkt, wie sie von beiden Seiten stärker geworden ist. Aber du solltest dir über die Konsequenzen bewusst sein.", stimmte Marcus nach kurzem Überlegen zu und auch Aro gab mit einem Nicken sein Einverständnis.

„Allerdings solltest du dir schleunigst etwas bezüglich Athenodora einfallen lassen, denn sie steht gerade vor der Tür.", sagte Aro plötzlich alarmiert.

Mondi lontani - Welten entfernt || twilightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt