Kapitel 22

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte war es, wie ich mit Schrecken feststellte schon halb eins Mittag. Mein Schädel brummte und ich fühlte mich wie gerädert. Außerdem konnte ich mich nur bruchstückweise an gestern erinnern. Ich weiß bloß, dass ich mit June auf einer Party war und dass ich Blut gesehen habe. Und dann – Filmriss.

Als ich dann nur mit einer Schlabberhose, einem Top und Strickjacke nach unten machte, merkte ich, dass ich nicht mehr Herr meiner Muskeln war! Unten ins der Küche stand mein Vater und kochte. Wow! Er kochte! Ich dachte immer, so was ist nur was für Frauen! Na ja, wahrscheinlich eines dieser Klischees.

„Na, auch schon wach! War ja gestern auch ganz schön spät!“, begrüßte mich mein Vater.

„Mmh. Morgen!“, brummte ich und machte mir einen heißen Tee, mit dem ich mich dann auf ins Wohnzimmer auf meine heiligen Sessel pflanzte. Ich. Liebe. Sitzen.

Leider kam nach ein paar Minuten auch mein Vater mit dem Essen (Eierkuchen, Anforderungsstufe… 1) und setze sich mir gegenüber auf die Couch. Das wird bestimmt ein interessantes Vater- Tochter- Gespräch. Von wegen langer Party, bla, bla, bla.

„So. Wieso kamst du gestern erst so spät?“, begann mein Vater.

„Weil es eine Party war und kein Kindergeburtstag. Außerdem bin ich 16!“, verteidigte ich mich. Bin ich heute Morgen wieder sarkastisch!

„Nicht so frech, junge Dame! Ich bin zwar sehr locker mit dir, aber alles kannst du dir auch nicht erlauben. Aber das du so spät kamst war eigentlich nicht das Problem. Das Problem war, dass du hier halb ohnmächtig ankamst!“, sagte mein Vater und seine Stimme wurde immer lauter. Ach so. Jetzt kommt die „Ich- war- ja- so- besorgt- “ Nummer.

„Da hat jemand geblutet und ich kann kein Blut sehen. Und außerdem habe ich kein Glas Alkohol getrunken, wenn du denkst, dass es daran liegen soll!“ – Langsam wurde ich auch sauer. Er soll jetzt ja nicht so tun, als wäre er schon so weit, dass ich ihn als richtigen Vater ansehe. Er hat sich 16 Jahre nicht für mich interessiert und wollte nichts mit mir zu tun haben, also soll er bitte damit aufhören, mit mir ein Vater- Tochter- Gespräch zu führen.

„Ach so! Du kannst kein Blut sehen. Warum hat Sally mir dann nichts gesagt? Und du warst natürlich vollkommen nüchtern?!“, fragte mein Vater ironisch. Nicht sein Ernst? Er glaubt mir nicht? Man, er kennt mich doch eigentlich gar nicht. Nichts. Kein bisschen von mir und meinem Leben. Ich merkte, wie mir die Tränen kamen und stand auf.

„Man, dann frag doch Sally. Ich kann kein Blut sehen. Es gab eine kleine Schlägerei und James hat mich gerettet. Als er dann geblutete hat wurde mir schwindelig und June hat mich nach Hause gebracht. Den Rest kennst du ja. Aber schön zu wissen, in wie weit du mir vertraust. Weißt du was, du kannst mich mal. Du glaubst doch nicht ernsthaft so tun so können, als wäre die Welt in Ordnung. Ich musste mein ganzes Leben neu beginnen, du weil du nach 16 Jahren beschließt, mal etwas mit deiner Tochter zu unternehmen!“, schrie ich und rannte in mein Zimmer. Mein Vater folgte mir, doch ich schloss ab und schmiss mich aufs Bett um mich auszuheulen.

„Luna, mach bitte die Tür auf. Es tut mir leid. Ich hätte dir vertrauen sollen, aber ich hatte Angst um dich! Glaub mir!“, sagte er flehend und rüttelte an der Tür. Glaubt er ernsthaft, davon geht die Tür auf? Ist er jetzt Harry Potter oder was?

„Lass mich in Ruhe!“, schrie ich wütend zurück und weinte noch mehr.

Nach ein paar Stunden- es war mittlerweile halb fünf am Nachmittag wachte ich auf und guckte nach unten. Dort saß mein Vater auf der Couch und las ein Buch. Nein, kein Kochbuch ;)! Sollte ich mich bemerkbar machen? Verdient hatte er es nicht. Aber er sah so traurig aus. Und ich kann eigentlich niemandem lange böse sein!

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