Kapitel 26

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Schon als ich den Namen des Angeklagten hörte, wäre ich am liebsten schreiend aus dem Saal gelaufen, aber wahrscheinlich hätten man mich dann in die Klapse gesteckt!

„Blake Jackson", rief der Richter.

Zwei, mal so nebenbei bemerkt, schwer bewaffnete Polizisten, brachten Blake mit Handschellen in den Raum. Ihnen folgte ein junger Mann mit einer Nerd- Brille, der laut dem Richter Felix Devinson nannte.

Als ich mich vorsichtig zu James und seinen Freunden, also auch Ryan umdrehte, erkannte ich die Schadenfreude in ihren Gesichtern.

Lange Zeit zum Nachdenken blieb mir nicht, denn dann begann der Richter mit der Verhandlung und dem Verfahren.

„Wir haben uns heute hier versammelt, um den Mord an Julian Moralla zu klären. Der Angeklagte Blake Jackson soll ihn begangen haben. Die Staatsanwaltschaft hat das Wort!", sagte der Richter, ein kleiner rundlicher Mann.

Der Staatsanwalt legte die Beweise dar und erklärte nochmals den Sachverhalt. Doch die Beweislage war extrem gering. Es gab lediglich eine DNA von Blake, die am Tatort gefunden wurde. Außerdem hatte man Reifenspuren am Tatort gefunden, die von seinem Motorrad stammen könnten. Mehr nicht. Eigentlich ziemlich dünn für eine Anklage.

Ich sah zu Ryan, der Blake die ganze Zeit süffisant angrinste. Ich wette, er wusste etwas.

Dann rief der Richter Blakes Verteidiger auf und dieser erhob sich langsam. Dann begann er:

„Mein Mandant war zwar am Tatort, aber schon Stunden vor der Tat. Zur Zeit des Mordes war er mit seiner Ex- Freundin Cassandra Cornwall in der örtlichen Bar >>Nightlife<<. Diese bestätigte die Aussage. Mein Mandant hat also ein Alibi. Und die Reifenspuren können nicht von meinem Mandanten stammen, da sein Motorrad zur Tatzeit in der Werkstatt zur Reparatur war!"

Mein erster Gedanke: Er hat eine Ex- Freundin??? OMG!! Diese Person will ich gar nicht kennenlernen.

Aber sein wir doch mal ehrlich: Ich glaube, jeder hier weiß, dass Blake etwas mit dem Mord zu tun hat. Selbst wenn er ihn nicht begangen hat, muss es nicht heißen, dass er seine Finger nicht mit im Spiel hat. Ich glaube auch nicht, dass er so dumm wäre, Spuren zu hinterlassen.

Ich sah wieder zu Ryan, doch dem war das Grinsen vergangen. Wahrscheinlich wusste er genauso wie jeder andere hier im Raum, wie die Verhandlung ausgehen würde.

Es wurde noch eine Weile rumgelabert, irgendwelche Zeugen aufgerufen, die meinten, irgendetwas bezeugen zu können und bla, bla, bla.

„Wir ziehen uns zur Beratung zurück!", verkündete der Richter und zog sich mit seinen „Beratern" zurück.

Schon nach fünf Minuten kehren sie zurück.

„Wir haben ein Urteil gefällt! Aufgrund mangelnder Beweise wird das Verfahren eingestellt und der Angeklagte für unschuldig befunden. Doch da es schon häufig zu solchen Verhandlungen kam, in der Mr. Jackson solcher Fälle angeklagt wurde, wollen wir diesmal eine Strafe verhängen. Sie dürfen eine Person auswählen, die wir ebenfalls für passend empfinden und diese wir sie begleiten, also in ihrer Freizeit!", erklärte der Richter und sah Blake direkt an.

Was? Von dieser Disziplinarmaßnahme hatte ich noch nie gehört. Also in Deutschland gibt es die definitiv nicht! Was, wenn diese Person gar nicht wollte?

Ich hörte Ryan und seine Freunde lachen. Die würden es auch verdienen, dort angeklagt zu werden. Ich will ehrlich gesagt gar nicht wissen, was für Straftaten die schon alles begangen hatten.

„Mein Mandant nimmt das Urteil an, benötig aber kurz Zeit, um eine Person auszuwählen!", erwiderte Blakes Verteidiger.

Nach einer Weile stand Blake auf und sagte:

„Ich will, dass Luna Black diese Aufgabe übernimmt!"

Alle guckten mich an. Ale. Und die dich mich nicht kannten, wussten jetzt, wer ich war. Aber ich will das nicht machen!!

„So sei es. Sind Sie damit einverstanden, Ms. Black?", fragte der Richter, der natürlich jetzt auch wusste, wer ich bin.

Ich sah erst zu Ryan, der so schien, als wolle er mich am liebsten erdolchen und dann zu Blake, der mit seinen Lippen die Worte Tu es, oder bereue es! Formte und mich dann angrinste. Verdammt. Ich glaube, ich bin mal wieder in so einer blöden Dilemmasituation!!

Aber ich glaube, ich habe mehr Angst vor Blake als vor Ryan. Was nicht heißen soll, dass ich vor Ryan keine Angst hätte! Er war mir ungefähr so viel geheuer, wie einem ein Hund mit Tollwut mit Todeshunger!

Ich traf meine Entscheidung und ich wusste, ich würde sie so oder so bereuen.

„Ja, bin ich!", erwiderte ich und seufzte kaum hörbar. Blake grinste mich siegessicher an, aber ich versuchte, ihn weitestgehend auszublenden.

Ein Blick zu Ryan zeigte mir, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war. Er zog seinen Zeigefinger über seine Kehle, was wahrscheinlich zu viel bedeuten sollte wie du bist ja so was von tot!! Und ich bin mir sicher, dass er damit absolut recht hatte!

But YOLO!

„Gut, dann hätten wir das ja geklärt. Jedes erste Wochenende im Monat wird sich jemand davon überzeugen, dass sie auch ja so oft wie möglich in der Gesellschaft von Ms. Black befinden. Andernfalls werden sie eine anderweitige, verschärfte Strafe erhalten. Hiermit beende ich die Gerichtsverhandlung für beendet", sagte der Richter, stand auf und verließ den Saal, gefolgt vom restlichen Gericht.

Als letztes verließ Blake das Gericht, nicht ohne Ryan noch einen spöttischen Blick zuzuwerfen, den dieser mit einem ultimativen Killerblick beantwortete. Wenn Blicke töten könnten, wäre Ryan definitiv Serienkiller, wenn er das nicht schon ist.

Nachdem sich der Raum langsam leerte, verließen auch die letzten, darunter June und ich, den Raum.

Draußen zog June mich in eine Ecke und fragte besorgt:

„Wieso hast du zugesagt?"

„Ich musste. Hast du mal seinen Blick gesehen? Oder die von Ryan?", antwortete ich aufgebracht.

„Nein, tut mir leid. Aber bitte versprich mir, dass du dich nicht in Gefahr begibst und mit mir redest?", bat June und lächelte mich an, doch ich erkannte, dass sie sich ziemlich um mich sorgte.

„Natürlich! Ich verspreche es dir! Und danke", erwiderte ich und schloss sie in den Arm. Dann gingen wir zurück zu den anderen. Alle, sogar Mr. Corner sahen mich komisch an, doch keiner sagte etwas. Wahrscheinlich ist das morgen das Gesprächsthema Nummer 1.

„Da dieses Thema, um das es heute ging, ja nicht ganz ohne war, werdet ihr heute nicht mehr in die Schule gehen müssen. Ihr habt den Tag frei!", sagte Mr. Corner und schickte uns los. Alle waren begeistert und jeder machte sich auf seinen Weg nach Hause.

„Du, willst du noch mit zu mir oder willst du erst mal eine Weile allein sein?", fragte June mich plötzlich. Ich liebe ihre Art einfach. Irgendwie weiß sie fast immer, wie es mir geht.

„Danke. Ich würde gerne eine Weile alleine sein!", antwortete ich und versuchte ein Lächeln. June sagte nichts, sondern zog mich in eine warme Umarmung und lächelte mich an, dann ging sie. Was würde ich nur ohne sie machen?!

Ich holte meinen mittlerweile aufgeladenen IPod raus und fing an, Say Something in Endlosschleife zu hören.

Doch als ich gerade um die Ecke biegen wollte, drückte mir jemand ein Tuch mit Chloroform auf die Nase, dann wurde es augenblicklich schwarz um mich.

NamelessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt