Der Tod war immer ein kalter dunkler Abgrund. Die Türen des Lebens werden einem mit einem großen "NICHT BETRETEN"-Schild vor die Nase zugeschlagen, während das Schloss zufällt und man sich in der Dunkelheit gefangen fühlt, als ob man in einem Schrank eingeschlossen worden wäre.
Zumindest erinnerte ich mich so daran.
Dieser eine Moment, bevor sich das Leben abstellte und der Tod sich einschaltete. Man öffnete die Augen im dunklen, trüben Wasser des Flusses, in dem sich die Seelen ausruhten, und darauf warteten, dass jemand ihnen eine Münze in den Mund steckte, damit sie zu ihrem vorgesehenen Ruheort gelangen konnten. So wie ich meine Brüder kannten, würden sie natürlich vergessen, mir eine Münze in meinen Mund zu legen, und mich dazu verdammen für alle Ewigkeit im Fluss zu schweben.
Doch da lag das Problem.
Die Dunkelheit blieb länger aus, als gewöhnlich. Das irritierte mich. Thanatos erschien nicht, um meine Seele aus meinem Körper zu reißen, sie in die Unterwelt zu bringen, und um mich in den Fluss zu werfen, wo ich bleiben würde, bis ich eine angemessene Beerdigung bekam.
Und dann öffnete ich meine Augen, die sofort von Lichtern angegriffen wurden, bevor alles verblasste, und ich an die Decke eines der vielen Gänge im Labyrinth starrte. Ich blinzelte schnell und holte scharf Luft. Ich schoss aufrecht und griff nach meiner Brust. Dabei sah ich eine schwache, weißblaue Staubspur, die der Bewegung meines Arms folgte. Ich starrte es erschrocken an, bis ein Geräusch durch den Flur drang und mein Herz durchbohrte.
Ein herzzerreißendes Heulen, bei dessen Klang mir sofort Tränen in die Augen schossen, als ich mich umdrehte und sah, wie Kain zusammengesunken auf dem Boden knieend meine Leiche umklammerte und dabei unkontrolliert schluchzte. Ein Schrei kam aus meinem Hals, als ich sah, dass Kain meinen Körper festhielt. Meine Leiche war kalt und blass und das Schwert aus meiner Brust entfernt, so dass sich unter mir eine Blutlache ausbreitete und meine hellblauen Augen ins Nichts starrten.
Meine anderen Brüder standen fassungslos um Kain herum. Malachis Augen waren wässrig und seine Lippen fest zusammengepresst, als ob es ihm alles abverlangte, nicht loszuheulen. Cerberus biss die Zähne zusammen und ich war sprachlos, als ich die nassen Spuren auf seiner Wange sah. Auch Theo biss die Zähne zusammen, seine Lippen zitterten, aber er weinte nicht und sagte auch nichts. Charon starrte nur auf mich herab und versuchte zu begreifen, dass ich tot war. Dorean weinte und wischte sich heftig übers Gesicht, während ihm der Rotz aus der Nase lief. Blaine starrte zu Cerberus hoch und versuchte offensichtlich zu verdauen, dass auch er Gefühle hatte.
Alle trauerten über meinen Körper gebeugt.
Meinen Körper.
Ich war tot.
Aber meine Seele... Ich sah auf mich herab. Meine Haut war blass, strahlte aber einen sehr leichten weiß-blauen Ton aus, und jedes Mal, wenn ich mich bewegte, erschien glitzernder blau-weiser Staub, bevor er verschwand. Ich schluckte schwer und bemühte mich, mich zu erheben. Mein Körper fühlte sich taub an. Es tat nichts mehr weh und es pochte auch nichts mehr. Ich fühlte einfach... gar nichts. Ich stolperte zu ihnen rüber, um mich zwischen Charon und Malachi zu stellen, aber das Schlimmste war, dass keiner von ihnen mich sah. Niemand konnte mich fühlen. Ich schnappte nach Luft und versuchte, das Schluchzen zu stoppen, das aus meinem Hals bahnbrechen wollte, als ich auf Kain hinunterblickte, der meine Leiche hin und her wog.
Tränen liefen über Kains Wangen, als er wimmerte und schluchzte und seine Wange an die meiner Leiche drückte. Ich konnte nicht einmal hören, was er mir zu sagen versuchte. Ich konnte ihn nur zwischen Schluchzer meinen Namen stöhnen hören. So hatte ich Kain noch nie erlebt, noch nie. So war er noch nicht einmal drauf gewesen, als er mir offenbart hatte, wieso er mich wie Scheiße behandelt hatte. Er hatte geweint und geschrien, aber nun viel er auseinander. Seine Schluchzer trafen mich stachen in meinem Herz, schlimmer als jedes Schwert. Ich hielt es nicht mehr aus und weinte mit ihm, und es schmerzte ungeheuerlich, dass auch er mich wie die anderen nicht sehen konnte.
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Verrat in Elysium [malexmale] (Übersetzung)
Fantasy[Buch 4] Abels Leben lag in Trümmern. Nach einem Leben voller Verrat und Qualen hatte er beschlossen, sich nichts mehr aus Beziehungen zu machen. Außerdem, wer hätte schon Zeit dafür, wenn die Titanen in Anmarsch waren? Und doch schmerzte sein Herz...