Kapitel 20

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Ich war mir nicht sicher, wie lange ich im Bett gelegen hatte.

Ich wollte mich nicht bewegen. Ich wollte nicht essen oder schlafen oder trinken oder arbeiten oder sonst etwas. Ich fühlte mich viel zu wund, um mich zu bewegen. Ich wollte nur so lange ich konnte unter den Decken zusammengerollt liegen bleiben. Ich hatte die Tür zu meinem Zimmer verschwinden lassen und Malachi gebeten, eine Barriere rund herum aufzustellen. Ich wollte alleine sein.

Aber gleichzeitig auch nicht.

Und die Aufmerksamkeit der Person, nach der ich mich sehnte, war die, die ich am wenigsten wollte. Warum war das alles nur ein einziges großes widersprüchliches Durcheinander? Schlimm genug, dass ich nach all dem nicht verrückt werden konnte. Die Göttin Lyssa und ihre Mänaden wollten mir nicht einmal diesen Trost schenken.

Ich fühlte mich jetzt noch elender, weil ich zum ersten Mal in meinem sehr sehr langen Leben einen Nervenzusammenbruch hatte. Ich hatte noch nie so die Kontrolle verloren und ich fühlte mich so erbärmlich. Und das vor Malachi und Adrian, die mich als den scharfzüngigen kleinen Bruder kannten, der sich mit einer exzentrischen Einstellung allem stellen würde. Sie hatten meinen Zusammenbruch erlebt und ich wollte sie jetzt nicht einmal ansehen. Ich hatte mich doch tatsächlich an Malachi geklammert und gehofft, dass ich endlich etwas Zuwendung von jemanden bekommen und mich festhalten konnte, dem ich auch was bedeutete. Ich hatte gehofft, dass er mir etwas Trost spenden könnte, aber ich fühlte mich bloß noch einsamer. Wie erbärmlich war es, sich in den Armen von jemandem einsam zu fühlen, der sich wirklich um einen sorgte?

Das schlimmste ist, das jeder wusste, dass Kain mir das antun würde. Scheiße. Selbst ich hatte gewusst, dass Kain mir das antun würde. Ich hatte mich immer daran erinnert, dass man Kain nicht trauen konnte. Er hat mich dreimal getötet und meinen Körper zerstört. Was ließ mich glauben, dass er mir das nicht nochmal antun würde?

Hoffnung, dachte ich qualvoll. Ich rollte mich zusammen und zog die Decken fest über meinen Kopf. Obwohl ich mich immer wieder daran erinnerte, dass Kain Kain war und er immer ein Kontrollfreak und Mörder sein würde, hoffte und betete ein anderer Teil von mir, dass er sich verändert hatte.

Vielleicht wäre diesmal alles anders. Vielleicht würde er mich diesmal lieben. Vielleicht würde er mir diesmal meine Tat vergeben, wenn ich etwas anders handeln würde. Vielleicht würde er mir diesmal auch etwas erzählen. Vielleicht könnten wir diesmal glücklich sein.

Vielleicht dies, vielleicht das.

Aber am Ende wurde die Hoffnung durch die grausame eiserne Faust der Realität niedergeschlagen. Es gab keine Hoffnung mehr für Kain und das schmerzte. Leider schlug und litt mein Herz nur für ihn. Ich wollte wieder bei ihm sein. Ich wollte seine Arme um mich fühlen. Ich wollte, dass er mich streichelte und tröstet, wie er es getan hat, als er mich vor Hannibal gerettet hatte. Kain hatte mich gesehen, als ich m schwächsten war, und anstatt mich endgültig zu brechen, hatte er mich gerettet und sich um mich gekümmert, wie es ein Bruder/ein Liebhaber tat.

Es war nicht real.

Ein Teil von mir versuchte mich davon zu überzeugen, dass ich überreagiert hatte. Vielleicht fand Kain mich wirklich schön.

Ja, klar, und vielleicht trägt Lady Gaga bei einem MTV Music Award nur eine Jeans und ein T-Shirt.

Ich seufzte schwer, schloss die Augen und wünschte mir, dass eine Rakete oder ein Asteroid, zufällig durch meine Zimmerdecke stürzen und mich zerquetschen würde. Mein Körper zitterte noch immer hin und wieder leicht, aber meine Tränen sind irgendwann gegen Mitternacht versiegt. Mir sind die Tränen ausgegangen. Ich habe schon genug für ein paar Jahrhunderte geweint - und genug, um alles zu zerstören, was von meinem Stolz übrig war. Nun wollte ich mich nur noch verstecken, bis die Welt zu Ende geht, und ob das früher oder später geschah, war mir egal.

Verrat in Elysium [malexmale] (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt