Marinette war sich selbst nicht sicher, ob sie in dieser Sache mit einem Erfolg rechnete.
Sie hatte sich so gut vorbereitet, wie möglich. Vor ihrem Eintreffen an der Schule hatte sie sich mehrere Minuten die Augen gerieben, damit sie gerötet waren. Außerdem war sie am Morgen nachlässig mit ihrer Frisur gewesen und als weiteres, kleines Detail trug sie verschiedenfarbige Socken.
Aber Alya war ihre beste Freundin. Und wenn sie ihr tatsächlich ein gebrochenes Herz abkaufen sollte, musste Marinette sich richtig ins Zeug legen – nicht, indem sie in einen übertriebenen Heulkrampf ausbrach, aber indem sie auf die kleinen, scheinbar unbedeutenden Gesten & Gesichtsausdrücke achtete.
Immer wieder abwesend ins Leere starren, nur noch aufgesetztes, gefühlloses Lächeln und vermeintliche Konzentrationsprobleme im Unterricht waren ihr Plan.Alles Planen und mentales Vorbereiten lief jedoch ins Leere, als Alya nicht wie sonst vor dem Schulgebäude auf sie wartete.
Marinette holte ihr Handy aus der Tasche und tatsächlich hatte sie gerade eine Nachricht von ihrer Freundin erhalten.Habe verschlafen. Gibst du bitte Bescheid?
Marinette antwortete ihr mit einem knappen »Klar.« und verstaute dann ihr Handy wieder.
Sie war sich nicht sicher, was sie von diesem Umstand hielt. War es gut, dass Alya ausgerechnet heute verschlafen hatte?
Es bedeutete, dass Marinette sich noch etwas gedulden musste, aber zumindest würde es die Zeit verkürzen, in der sie ihr etwas vormachen musste.Der Unterricht fing erst in einigen Minuten an, aber Marinette ging trotzdem ohne Umwege ins Schulgebäude und in Richtung Klassenzimmer.
Sie wollte nicht in die Situation kommen, mit ihren anderen Freunden reden zu müssen.
Da niemand außer Alya von ihrem Freund wusste, machte es nur Sinn, den anderen aus dem Weg zu gehen, und dann musste sie sich auch keine weitere Lüge für ihre geröteten Augen ausdenken.
Zu ihrer Überraschung war der Klassenraum nicht leer. Adrien saß bereits an seinem Platz. Vor ihm auf dem Tisch lag ein aufgeschlagener Schulhefter.
Marinette vermutete, dass es die Unterlagen aus dem Geschichtsunterricht waren und er sich auf den Test in der zweiten Stunde vorbereitete.
Sie gab sich alle Mühe, den Raum möglichst geräuschlos zu betreten, doch er bemerkte ihr Eintreffen.
Er hob den Kopf.
»Guten Morgen!«, sagte er und lächelte sie an.
»Morgen.«
Sie erwiderte hastig sein Lächeln und ging dann schnell an seinem Tisch vorbei zu ihrem Platz.
Im Stummen flehte sie ihn an, sich wieder auf seine Geschichtsfakten zu konzentrieren. Doch sie hatte sich noch nicht auf ihren Stuhl gesetzt, als er sich schon zu ihr umdrehte und fragte: »Marinette, ist alles in Ordnung?«
Um einen unverfänglichen Gesichtsausdruck bemüht hob sie den Kopf und erwiderte seinen Blick - seinen besorgten und unheimlich einfühlsamen Blick.
»Ja, alles gut.«
Wieder lächelte sie ihn an, doch der Ausdruck in seinen grünen Augen wollte sich nicht verändern.
Marinette musste schwer schlucken.
Wie konnten da so viel Sanftheit, Mitgefühl und Anteilnahme in seine Augen stehen? Und warum berührte es sie auf diese seltsame Weise?
Sie war sich noch immer bewusst, dass sie nicht wirklich Liebeskummer hatte. Sie wusste noch, dass es gar keinen Grund gab, traurig zu sein.
Aber Adriens Blick ließ trotzdem einen dicken Kloß in ihrem Hals entstehen. Und sogar ihre Augen wurden ein kleinwenig feucht.
»Marinette.«, sagte er leise. »Was ist passiert?«
»Nichts.«
Ihre Stimme klang gegen ihren Willen gepresst.
»Bitte, sag es mir! Vielleicht kann ich dir ja helfen.«
Sie wollte mit dem Kopf schütteln, brachte es aber nicht fertig.
Ihr kam der abwegige Gedanke, es ihm tatsächlich zu sagen.
Neben Alya war er der Einzige, der von ihrem Freund wusste. Und früher oder später würde er es sowieso mitbekommen.
Warum also nicht jetzt?»Louis, er ... hat gestern mit mir Schluss gemacht.«
Obwohl Adrien diesen Namen noch nie gehört hatte, verstand er.
Über sein Gesicht zuckte eine Emotion, die Marinette nicht so recht einordnen konnte.
»Hat er dir gesagt, warum?«, fragte er zögerlich nach.
Sie schüttelte den Kopf.
Sie sah, wie Adrien die Lippen fest aufeinanderpresste und seine Hände sich unter dem Tisch zu Fäusten ballten.
»Er hatte dich ganz offensichtlich nicht verdient!«
Der knurrende Unterton in seiner Stimme ließ ihn wie einen völlig anderen Menschen klingen. So hatte Marinette ihn noch nie erlebt.
»Kann ich irgendetwas tun? Soll ich mal bei ihm vorbeischauen?«
Sie wusste, dass nun der Moment gekommen war, ihn zu beschwichtigen und ihm klar zu machen, dass es ihr gut ging. Aber sie war zu verwirrt von der Situation.
Wollte Adrien tatsächlich auf den Jungen losgehen, der angeblich mit ihr Schluss gemacht hatte?
Ausgerechnet Adrien – der einzige Junge, wegen dem sie tatsächlich schon einmal Liebeskummer gehabt hatte?
Es war so absurd.
![](https://img.wattpad.com/cover/269271960-288-k871654.jpg)
DU LIEST GERADE
Miraculous - Endlich vereint (FF)
Fanfiction{abgeschlossen} ***TEIL 2*** (Fortsetzung zu »Miraculous - Endlich Neuanfang«) Wenn zwei Menschen endlich zueinandergefunden haben, kann sie nichts mehr aufhalten. Oder doch? Wie kann man eine Beziehung führen, wenn man die Identität des andern nich...