Damon's POV
Die Leere ist erdrückend. Drei Wochen und nichts. Kein Zeichen, keine Regung, nur das gleichmäßige Piepen der Monitore, das mich in den Wahnsinn treibt. Der Gedanke, dass sie dort liegt, gefangen in einem Zustand, der uns alle lähmt, reißt mich in Stücke. Ich bin bei ihr, jede Sekunde. Mein Vater hat es mit der Schule geregelt, dass ich eine Pause mache. Er versteht es – anders als damals, als Mom gestorben ist. Mom war auch der Grund, warum meine kleine Schwester Kily mich jetzt braucht, doch ich kann nicht für sie da sein. Nicht so, wie ich es sollte. Alles an mir ist bei Aria, bei dieser Angst, die mich zerfrisst. Die Angst, dass sie nie wieder zu uns zurückkehrt.
Ich sehe sie an, streiche ihre Hand und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn. „Bitte, Aria...wach auf," flüstere ich, obwohl es sich anfühlt, als spräche ich ins Leere. Ihre Augen, die mich immer mit diesem schelmischen Funkeln und einem Hauch von Widerstand angesehen haben, sind geschlossen, die Haut unter ihnen ist schlaff und blass. Sie sieht so anders aus. Diese Haut, die sonst golden im Sonnenlicht schimmert, wirkt kalt und fahl. Ihre Haare, die einmal in dunklen Wellen über ihre Schultern flossen, sind leblos, fast spröde. Kein Lächeln mehr, kein Augenrollen, keine Widerworte. Der Anblick bricht mir das Herz.
„Du kannst das, Aria...du bist die Stärkste von uns allen," flüstere ich und lege meinen Kopf an ihren Bauch, schließe die Augen. Der Gedanke, dass wir nie wieder tanzen, nie wieder so ausgelassen lachen könnten, fühlt sich an, als würde ich langsam ertrinken. Ohne sie...das kann ich mir nicht vorstellen. „Ich kann nicht ohne dich," murmele ich kaum hörbar. „Kily braucht dich, ich brauche dich, jeder, der dich liebt, braucht dich."
Ein leises Klopfen reißt mich aus meinen Gedanken. Ich blicke zur Tür, und da steht Alice. Ihr Blick ist müde, erschöpft. Sie wirkt, als hätte sie in den letzten Wochen genauso wenig geschlafen wie ich.
„Hey," sagt sie leise und tritt an die andere Seite des Bettes.
„Hey," murmele ich, zu ausgelaugt, um mehr zu sagen. Alice sieht zu Aria und ihre Lippen zittern, während sie tief Luft holt.
„Alles Gute zum Geburtstag, Aria," sagt sie, ihre Stimme brüchig. „Du hast so lange auf diesen Tag gewartet. Heute wärst du endlich achtzehn geworden. Du wolltest ausziehen...wir hatten eine Party geplant. Jack und ich hatten alles vorbereitet, aber..." Ihre Stimme erstickt, und eine einzelne Träne rollt über ihre Wange. Ich verstehe die Worte kaum. Geburtstag? Ich hatte keine Ahnung. Niemand hatte etwas gesagt.
Alice wischt die Tränen aus ihren Augen und sieht zu mir, die Verzweiflung in ihrem Blick unverkennbar. „Wie...wie geht es dir, Damon?" Sie spricht die Frage leise aus, als ob sie weiß, wie sehr sie schmerzt.
Ich weiche ihrem Blick aus. „Meine Freundin liegt im Koma, und jede Hoffnung scheint zu verblassen. Wie soll es mir da schon gehen?" Meine Worte klingen kalt, aber es fühlt sich an, als hätte ich mich hinter eine Mauer aus Gleichgültigkeit zurückgezogen – genauso wie damals, als Mom starb.
Alice senkt den Kopf, ein Ausdruck von Schuld auf ihrem Gesicht. Als ich sehe, wie niedergeschlagen sie wirkt, seufze ich. „Tut mir leid, Alice. Ich weiß, du meinst es gut. Aber bitte frag das nicht mehr." Sie nickt stumm, ihre Augen auf Aria gerichtet.
„Denkst du...meinst du, dass sie je wieder aufwacht?" Ihre Stimme bricht, und sie schlingt die Arme um sich selbst, als ob sie sich vor ihrer eigenen Frage schützen will. „Der Arzt sagt, es könnte Tage dauern...Wochen...Monate, sogar Jahre. Oder...gar nicht." Ihre Worte hängen in der Luft, schwer wie Blei.
„Ich denke nicht nur, dass sie aufwachen wird. Ich weiß es," sage ich fest. „Ich vertraue ihr. Sie wird kämpfen. Sie wird zurückkommen." Alice schenkt mir ein trauriges Lächeln, und ich sehe das Funkeln von Tränen in ihren grünen Augen.
„Ich bin froh, dass sie dich hat," flüstert sie. „Dass sie jemanden hat, der für sie da ist, so wie sie immer für dich da gewesen wäre." Sie lacht bitter auf. „Schon verrückt, wie sich alles geändert hat. Jahrelang habt ihr euch gegenseitig gequält. Ein Tanz – nur ein Tanz, und plötzlich war alles anders."
Sie hat recht. An diesem Abend, als ich sie zum ersten Mal mit einem neuen Blick gesehen habe, hat sich etwas in mir verändert. Damals hätte ich nie gedacht, dass dieses Mädchen, das mich oft in den Wahnsinn trieb, mein Herz erobern würde. Aber jetzt? Jetzt ist sie alles für mich. Sie ist die eine Person, ohne die ich mir mein Leben nicht vorstellen kann.
Vier Wochen später
Ich sitze wie jeden Tag an ihrem Bett, streichle ihre Hand, fahre mit meinen Fingern sanft über ihre Haut. Die blauen Flecken, die ihre Haut früher zeichneten, sind fast verschwunden, doch ansonsten gibt es kaum Veränderungen. Nur einmal gab es eine Komplikation, die die Ärzte glücklicherweise schnell in den Griff bekamen. Es hätte schlimm ausgehen können, und allein der Gedanke daran macht mich krank.
Mein Blick schweift durch den Raum – die weißen Wände, die welkenden Blumen, die leeren Stühle. Der Geruch von Desinfektionsmittel ist mittlerweile so allgegenwärtig, dass ich ihn kaum noch wahrnehme.
„Hey." Die Tür öffnet sich, und Jack, Quinn, Max, Cole und Alice treten leise ein. Sie setzen sich still, und eine bedrückende Atmosphäre füllt den Raum. Nach einer Weile bricht Quinn das Schweigen und beginnt von der Schule zu erzählen, den Gerüchten, die kursieren. Alice erwähnt neue Beziehungen, Jack erzählt stolz, dass seine Schwester Elaine am College angenommen wurde. Sie sprechen über alles Mögliche, doch mir fehlt die Kraft, mich zu beteiligen. In Gedanken stelle ich mir vor, was Aria und ich tun könnten, wenn sie jetzt bei Bewusstsein wäre – wie wir ihren Umzug planen würden, wie ich sie in jeder freien Minute küssen und sie zum Lachen bringen könnte. Ich hätte ihr das Buch geschenkt, das sie unbedingt lesen wollte, und ich stelle mir vor, wie sie es in einem Rutsch durchliest, mich komplett ignoriert, weil sie so in die Geschichte vertieft ist. Ein kleines Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht, und ich drücke ihre Hand sanft.
Alice steht auf. „Ich hole mir etwas zu trinken. Möchte jemand auch etwas?" Als sie geht, fällt eine tiefe Stille über uns.
Ich sehe Aria an, halte ihre Hand fest und flüstere: „Bitte, komm zu mir zurück. Ich brauche dich...Ich liebe dich." Sanft drücke ich meine Lippen auf ihre, und in diesem Moment...spüre ich es. Ein leichtes, kaum wahrnehmbares Zucken.
Ich reiße den Kopf hoch. Habe ich mir das eingebildet?
„Alles okay?" fragt Max alarmiert.
„Ich...ich weiß nicht," antworte ich atemlos. „Ich dachte, ihre Lippen haben sich bewegt." Sofort springen die Jungs auf und starren sie an.
„Aria," flüstere ich und fühle die Anspannung in mir wachsen. „Wenn du mich hörst, drück meine Hand. Zeig uns, dass du da bist." Sekunden verstreichen, und ich verliere fast die Hoffnung, als ich plötzlich...etwas fühle. Ein leichtes, schwaches Drücken an meinen Fingern.
„Sie hat es geschafft!" flüstere ich überwältigt, und ein Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. Wir alle sehen gebannt auf ihre Hand, die Finger, die sich langsam, mühsam bewegen. Dann ihre Lider – sie zittern, öffnen sich einen Spalt, und endlich blicken mich ihre blauen Augen an.
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Ui sie ist wach.
Wie findet ihr es?
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Mysterious Girl-A Cinderella Story
Teen FictionAriana lebt im Schatten ihrer eigenen Familie. Bei ihrer Tante, ihrem Onkel und ihren zwei Cousinen wird sie wie eine Angestellte behandelt und seit ihrem achten Lebensjahr misshandelt. Die Erinnerung an ihre Mutter, die an Krebs gestorben ist, ist...