Bei Alice drehe ich mich zu Damon um, der mich mit einem Blick voller Sorge ansieht.
„Bitte erzähl niemandem davon," flehe ich ihn an, die Worte kommen zitternd über meine Lippen. Es ist mir so peinlich, und ich möchte einfach nur, dass diese Nacht wie ein böser Traum erscheint.
„Werde ich nicht," antwortet er, und ich nicke dankbar, obwohl ein Teil von mir immer noch in Angst vor den möglichen Konsequenzen lebt. „Damon?"
„Ja?"
„Danke." Ich kann das sanfte Lächeln in seinem Gesicht sehen, und für einen Moment fühle ich mich ein wenig leichter.
„Was hätte ich sonst machen sollen?" fragt er und klingt fast so, als könnte er meine innere Qual nachvollziehen.
„Du hättest ihn auch einfach weitermachen lassen können, bei dem Verhältnis, das wir haben." Ich senke meinen Kopf, die Scham schnürt mir die Kehle zu.
„Denkst du wirklich so über mich?" Sein Blick ist ernst, und ich erinnere mich an den gefühlvollen Damon, der so liebevoll mit seiner Schwester umgeht. „Nein," antworte ich ihm leise, während ich die Autotür schließe und versuche, die Tränen zurückzuhalten.
Als ich bei Alice ankomme, öffnet sie mir mit einem strahlenden Lächeln die Tür, aber als sie mein Gesicht sieht, verschwindet das Lächeln abrupt. Ich höre, wie das Auto von Damon davonfährt, und ein Gefühl der Einsamkeit durchfährt mich, als sie mich ins Haus zieht.
„Was ist passiert?" fragt sie besorgt, und in ihrer Stimme höre ich die leise Vorahnung.
„Wäre es möglich, wenn ich heute Nacht hier bleibe?" frage ich, die Worte klingen fast wie ein verzweifelter Hilferuf.
„Natürlich." Sie zieht mich mit in ihr Zimmer und holt bequeme Sachen heraus, die sie mir in die Hand drückt. „Ich komme gleich wieder." Ich nicke, und während sie geht, ziehe ich mir schon mal die Klamotten an.
Als sie zurückkommt, hat sie einen Kühlakku, Tücher und ein Handtuch dabei. Sie setzt sich vor mich und beginnt, meine Stirn und Lippen abzutupfen. Bei jeder Berührung zucke ich zusammen, als würden die Wunden an meiner Seele sich ebenfalls aufreißen.
„Was ist passiert, Aria?" fragt sie, und ich schüttle nur den Kopf. Ich kann noch nicht darüber reden, die Worte stecken mir im Hals fest, wie ein dicker Kloß. Ich spüre die Stellen, an die er mich berührt hat, und das Gefühl, mich schmutzig zu fühlen, überkommt mich, wie bei Tom immer.
Sie hält mir den Kühlakku an meine Wange, ihre Augen sind voller Traurigkeit, und ich kann sehen, dass sie kurz vor den Tränen ist. „Nicht weinen, Alice," sage ich hastig, als könnte ich die Tränen aufhalten, die jetzt in mir aufsteigen.
„Du... was? Du hast überall rote Stellen, deine Wunde am Kopf, die Fingerabdrücke um deinen Hals und diese blauen Flecken. Du musst mir nicht erzählen, was vorgefallen ist, denn ich ahne es, und es ist eine schlimme Vorstellung. Hat... hat er... hat er es geschafft?" fragt sie schluchzend. Ich schüttel den Kopf, und ihre Erleichterung ist spürbar, als sie mich schnell in die Arme schließt.
„Kann ich duschen gehen?" frage ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
„Natürlich, komm." Sie führt mich ins Badezimmer, legt mir Handtücher hin und verlässt dann den Raum.
Als ich in den Spiegel schaue, sehe ich, wie schlimm ich wieder aussehe. Meine linke Wange ist blau und angeschwollen, mein Hals zeigt die Spuren seiner gewaltsamen Berührung, und meine Stirn hat eine schmerzhafte Wunde. An meinen Handgelenken blitzen die blauen Flecken, die wie Erinnerungen an seinen Griff wirken.
Ich ziehe wieder die Klamotten aus und gehe unter die Dusche, um alles abzuwaschen. Das Wasser ist heiß und brennt auf meiner Haut, aber es fühlt sich wie ein reinigendes Ritual an. Mit jedem Tropfen, der herunterläuft, hoffe ich, auch die Erinnerungen an ihn abwaschen zu können, die wie ein Schatten über mir hängen.
Damon
Ich fahre mir durch die Haare und sehe Aria nach, bis Alice ihr die Tür öffnet. Ein schreckliches Gefühl frisst sich in mir fest, als ich an die schrecklichen Szenen denke, die ich miterlebt habe.
Wie konnte ich nur so blind sein? Wieso ist mir nicht früher aufgefallen, dass etwas nicht stimmte? Schon als ich sie im Restaurant beobachtet habe und gesehen habe, wie dieser Typ sie an der Hüfte angefasst hat und ihr dann noch gefolgt ist, hätte ich sofort erkennen müssen, was er vorhat. Aber nein, mein Stolz war so groß, dass ich nicht zu ihr gehen wollte. Wie bescheuert bin ich bitte?! Nur weil wir uns nicht verstehen, heißt das noch lange nicht, dass ich sie so einem Wichser aushändigen muss.
Ein frustrierter Schlag auf mein Lenkrad bringt mich zurück in die Realität. Ich sehe wieder ihre Augen vor mir. Sie waren so voll von Angst, Hilflosigkeit und Trauer. Und dann war sie auch noch körperlich verletzt – und das alles ist meine Schuld.
Als ich zu Hause ankomme, schmeiße ich die Tür schwungvoll zu und renne hoch in mein Zimmer. Doch vor meiner Zimmertür werde ich von Kylie aufgehalten.
„Dami?" fragt sie müde, und als ich nach unten sehe, steht sie mit ihrem Kuscheltier, dem Chamäleon, vor mir und sieht mich besorgt an.
„Hey Süße." Ich lächele sie an, auch wenn mein Herz schwer ist, und nehme sie auf den Arm.
„Was ist los? Warum bist du so wütend?" fragt sie mit ihrem kleinen, unschuldigen Gesicht, das mich nur noch trauriger macht.
„Alles gut." Ich schüttel den Kopf, obwohl es nicht wahr ist. „Aber wieso bist du denn noch wach?"
„Ich konnte nicht schlafen. Kann ich bei dir schlafen?" Ihre großen Augen blicken mich an, und ich nicke, als könnte ich ihr nichts abschlagen.
Bei mir im Zimmer lege ich sie in mein Bett und richte mich wieder auf. „Dami?" fragt sie schon fast im Schlaf, und ich drehe mich um.
„Ja?"
„Wann kommt Mami wieder?" Ein Stich durchbohrt meine Brust, und ich sehe sie an, meine Gefühle wirbeln durcheinander.
„Weißt du, Kily?" Ich gehe vor ihr in die Hocke und blicke ihr in die Augen. „Mami ist jetzt an einem wunderschönen Ort. Aber irgendwann wirst du sie wiedersehen." Ich lächle sie traurig an, während ich die Tränen in ihren Augen sehe, und wische ihr eine davon weg.
„Wieso ist sie dort und hat uns nicht mitgenommen?"
„Sie hat es sich nicht ausgesucht, dorthin zu gehen. Denn sie würde uns hier nicht alleine lassen, dafür liebt sie uns zu sehr."
„Also kommt sie nicht wieder?" Wieder fließen kleine Wassertropfen über ihre Wangen, und ich wische sie weg. Ich schüttel nur den Kopf, als mir die Schwere der Wahrheit bewusst wird.
„Kommt Ari denn wieder, oder ist sie auch an so einem Ort?" Bei der Erwähnung von ihr zieht sich etwas in meiner Brust zusammen.
„Nein, sie ist nicht an so einem Ort. Ich verspreche dir, dass sie wieder herkommen wird." Ihr kurzes Lächeln gibt mir Hoffnung, auch wenn ich selbst nicht sicher bin, was die Zukunft bringt. „Sie ist so wie Mami."
„Ja, das ist sie wirklich," sage ich lächelnd und gebe ihr einen Kuss. „Schlaf jetzt, Prinzessin."
„Hab dich lieb, Dami."
„Ich dich auch." Ich erhebe mich wieder und gehe ins Badezimmer, um mich zu waschen. Der Wasserstrahl gibt mir einen kurzen Moment der Klarheit, bevor ich mich wieder neben Kylie ins Bett lege. Irgendwann in der Nacht schlafe ich nach langer Zeit ein, während die Gedanken an Aria und das, was sie durchgemacht hat, wie ein ständiges Echo in meinem Kopf widerhallen
DU LIEST GERADE
Mysterious Girl-A Cinderella Story
Roman pour AdolescentsAriana lebt im Schatten ihrer eigenen Familie. Bei ihrer Tante, ihrem Onkel und ihren zwei Cousinen wird sie wie eine Angestellte behandelt und seit ihrem achten Lebensjahr misshandelt. Die Erinnerung an ihre Mutter, die an Krebs gestorben ist, ist...