10. Kapitel

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Es liegt tief in unserer Seele ein angeborenes Prinzip der Gerechtigkeit und der Tugend, nach dem wir unsere Handlungen und die anderer beurteilen, ob sie gut oder böse sind. Und diesem Prinzip gebe ich den Namen Gewissen.

Jean-Jacques Rousseau

»Was ist das für eine dumme Idee?« Domadors Stimme klang wie das Donnern einer Steinlawine

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»Was ist das für eine dumme Idee?« Domadors Stimme klang wie das Donnern einer Steinlawine. Sein Gesicht war vor Wut und Unglauben zu einer so schrecklichen Maske verzerrt, dass Javet im ersten Moment glaubte, er würde einem Untier aus dem Totenland gegenüber stehen. Der Mann krempelte die Ärmel seines Oberteils hoch als wolle er gleich auf den Jungen losgehen, doch Sera und Estrella eilten herbei und hielten ihn an den Schultern fest.

Die ältere der Schwestern flüsterte Domador etwas ins Ohr, was ihn wohl beruhigen sollte, aber er wurde nur noch wütender. Mit aller Kraft riss er sich von den zwei Frauen los und baute sich vor Javet auf, stieß ihm einen Finger vor die Brust. »Wir sollen dir auf die andere Seite des Pazifiks folgen, weil jemand das Gerücht aufgeschnappt hat, es würde dort einen solchen Heiler geben? Wie lange wird das dauern? Mehrere Monate? Denkst du wirklich, wir haben so viel Zeit? Bis dahin wurde Hölle schon von allen Zapatillas Negras, Zorros Lobo und Garras des Kontinents überrannt! Du hast uns einen Schwur geleistet!«

»Ich habe auch nicht vor, den Schwur zu brechen!« Javet musste sich zusammenreißen, um ihm die Worte nicht ins Gesicht zu schreien, aber seine Stimme war trotzdem lauter als beabsichtigt. Egal! »Vielleicht ist es nur ein Gerücht, aber an Gerüchten ist oft etwas Wahres dran! Du musst mir vertrauen! Ich werde den Heiler finden!«

Domador schnaubte unzufrieden, trat aber trotzdem einen Schritt zurück. Abrupt drehte er sich zu Sera um und sagte etwas, bevor er zu den drei Höllenrössern rüberging. »Wir werden uns kurz beraten«, erklärte die Frau Javet hastig und folgte Domador und Estrella.

Wenn sie nicht ins Westland wollen, muss ich mir etwas anderes überlegen, dachte Javet und fühlte, wie eine gewisse Verzweiflung in ihm aufstieg. Aber ich habe keine Ahnung, wo ich in dem Fall überhaupt anfangen soll, zu suchen! Im Grenzland und in der Einöde, weit weg von Siedlungen, gibt es nur Strahlenkranke und Verbrecher, die sich versteckt halten, um ihrer Hinrichtung zu entfliehen. Keine Heiler und erst recht niemanden, der sich mit Wissenschaft auskennt. Er selbst konnte nur lesen und schreiben, weil Marielle es ihm beigebracht hatte. »Ein König muss sich vernünftig ausdrücken können«, hatte sie ihm immer wieder gesagt.

Wenn sie nicht zustimmen, werde ich sie verlassen und auf eigene Faust ins Westland reisen, beschloss er düster. Irgendwie werde ich das schon schaffen. Er war es leid, immer wieder von Domador für seine Ideen angefahren zu werden, obwohl der Mann selber keine besseren hatte. Außerdem fühlte er sich allmählich wie ein Gefangener. Und wie eine Marionette. Er hatte mittlerweile den Eindruck, dass die Menschen aus Hölle ihn nur benutzen wollten, um das Totenland zu verlassen.

Javet blickte hinüber zu den drei Erwachsenen, die wild miteinander diskutierten. Zu seiner Überraschung war Sera diejenige, die am meisten zu sagen hatte. Sie redete mit lauter Stimme auf Domador ein, versuchte wahrscheinlich wieder, Javets Haut zu retten. Allmählich legte sich der Streit. Sie schienen sich geeinigt zu haben und kehrten zu ihm zurück.

Pazifik - VerbanntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt