~ You have to die a few times before you can really live. ~
Ich habe Angst. Vielleicht ist es das erste mal in meinem Leben, dass ich wirklich und wahrhaftig so sehr Angst um eine Person habe. Nicht um mich, sondern um sie.
Es ist schön wieder in Amilias blaue Augen zu blicken und doch bringt es mich jeden Tag ein bisschen mehr um, weil sie leer sind. So verdammt leer, ruhig, tot. Und ich weiß nicht was ich machen soll.
Die Schuldgefühle fressen mich von innen heraus auf. Sie zerfleischen mich und doch versuche ich sie im Zaun zu halten, denn helfen wird es nicht wirklich etwas.
Die Wochen vergingen wie im Flug. Die Tage sind an mir vorbeigezogen, ohne das ich etwas davon mitbekommen hätte. In der Schule bin ich entweder am schlafen oder mit den Gedanken wo anders gewesen.
Nachts konnte ich dann nicht schlafen, weil Gedanken und Bilder durch meinen Kopf schossen. Sie waren nicht mehr auszuhalten und vielleicht wollte ich das auch gar nicht. Vielleicht hatte ich diese folter verdient.
Ich war jeden Tag nach der Schule im Krankenhaus. Ich saß an ihrem Bett, habe dem gleichmäßigen piepen ihres Herzens gelauscht. Entweder hat Amilia geschlafen oder sie hat mich schweigend angestarrt mit leerem Blick und ausdrucksloser Miene.
Vielleicht gibt auch sie mir die Schuld für all das. Für die Sachen, die ich nicht verhindert habe, obwohl ich es hätte tun können.
Als Amilia nach Monaten aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe ich sie jeden Tag zu Hause besucht und doch hat sich nichts verändert. Nicht ihr Blick, ihre Art, geschweige denn die Sachen die sie sagte, eigentlich nicht sagte.
Und doch kam ich jeden Tag aufs Neue hier hin. Legte mich zu ihr ins Bett und nahm sie in den Arm, obwohl sie sich nicht bewegte, nicht sagte ob es okay wäre, wenn ich das tue.
Ich tat es einfach. Auch wenn es mir vielleicht besser half als ihr.
Als ich meine Augen aufschlage, erkenne ich Kissen. Ziemlich viele Kissen, die nicht in mein Zimmer gehören. Einen Moment bin ich verwirrt und dann kommt alles doppelt so hart zurück.
Für einen weiteren Moment schließe ich meine Augen und lasse mich in die Kissen fallen, weil sie so schön weich und warm sind. Im nächsten Moment fällt mir auf, dass der Platz neben mir leer ist.
Ich schrecke hoch, Panik schnürt mir die Kehle zu und mein Blick gleitet hecktisch im Zimmer herum, bis es an einem Lichtstrahl unter einer Tür hängen bleibt. Als ich genauer hinhöre dringt wasserprasseln zu mir durch.
Ich stehe auf, vorsichtig und laufe zu der Tür hin. Als ich sie öffne muss ich blinzeln, weil es plötzlich so hell ist. Aber dann erkenne ich ein Badezimmer, in dem ich bis jetzt noch nie war.
Amilia Sitz in der Badewanne, die Hände um ihre Beine geschlungen und den Kopf auf ihre Knie abgestützt. Wasser läuft auf sie drauf und sammelt sich in der Wanne unter ihr.
Als ihr Blick zu mir gleitet muss ich schlucken, weil mir diese leere einen Schauer über den Rücken jagt.
Ich zwinge mir ein Lächeln aufs Gesicht. »Hey. Was machst du denn da?« Meine Stimme zittert und ich verfluche mich dafür, dass ich nicht mal diese kleine Sache hinkriege. »Du wirst noch krank.«
Amilia starrt mich nur weiter an. Und ich muss an mich halten nicht hier und jetzt zusammenzubrechen.
Mit vorsichtigen Schritten laufe ich auf sie zu und stelle das Wasser ab. Sie beobachtet jeder meiner Bewegungen mit einem Blick, den ich noch nie gesehen habe.
Ich strecke die Hand nach ihr aus und konzentriere mich darauf, sie nicht zittern zu lassen. Einer von uns muss stark sein. Sie betrachtet die Hand, die Ringe die meine Finger umschließen, dann schaut sie wieder mich an.
Leer.
Ihr Blick ist so verdammt leer. Ich seufze, halte die Tränen zurück und lege die Arme unter ihren Rücken und in die Kniekehlen, um sie hochzuheben. Amilias Kleidung tropft und die Geräusche hallen ohrenbetäubend laut im Zimmer wieder.
Ich drücke sie an mich, weil sie so kalt ist und versuche sie wenigstens ein bisschen zu Wärmen. Dann laufe ich mit ihr zum Bett, lege sie darauf ab und hole Handtuch und neue Kleidung, um sie umzuziehen.
Es ist nicht das erste mal, dass ich es machen muss.
Als sie fertig umgezogen ist und still im Bett liegt, lege ich mich ein weiteres Mal neben sie und schlinge meine Arme um ihren Körper, als wäre sie der Anker, der mich am Leben hält, obwohl es genau anders herum sein sollte.
Ich spüre ihrem Atem, wie er gleichmäßig gegen meine Brust prallt und bin um jeden dieser Atemzüge mehr als glücklich.
»Ich hatte keine Zeit.« sagt Amilia irgendwann leise in den Raum. Ich bin so überrascht, dass ich zusammenzucke. Es ist das erste mal seit langem, dass sie wieder spricht.
Plötzlich fangen meine Augen an zu brennen und mein Hals schnürt sich zu. »Wofür hattest du keine Zeit?« frage ich erstickt.
Amilias Augen sind immer noch leer und auf meine Brust gerichtet. Ihre Stimme ausdruckslos. »Um sie zu verabschieden. Ich durfte es nicht. Ich musste weitermachen.«
Ich habe das Gefühl ich hätte keinen Sauerstoff mehr. Amilia schließt die Augen und entspannt sich innerhalb von Sekunden, bevor sie komplett eingeschlafen ist.
Und ich bin kurz davor komplett zusammen zu brechen.
Das Wissen, dass sie nicht nur mit einem Trauma zu kämpfen hat, sondern auch mit der Verarbeitung des Todes ihrer Schwester, lässt mich plötzlich zusammenbrechen. Sie sagte, sie durfte sich nicht verabschieden. Sie musste weitermachen und jetzt macht sie da weiter, wo sie damals aufgehört hat. Vielleicht fängt sie auch gerade erst an.
Ich drücke sie ein Stück enger an mich, die Tränen laufen meine Wangen hinunter und als ich die ersten Schluchzer kommen, presse ich mein Gesicht ins Kopfkissen. Damit Amilia nicht wach wird und vielleicht auch, damit ich mir nicht eingestehen muss, wie sehr es auch mich belastet.
Ich breche zusammen, mit Amilia in meinen Armen.
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Forever us | ✓
عاطفية»𝐈𝐜𝐡 𝐞𝐫𝐭𝐫𝐢𝐧𝐤𝐞, 𝐯𝐞𝐫𝐬𝐭𝐚𝐧𝐝𝐞𝐧? 𝐈𝐜𝐡 𝐞𝐫𝐭𝐫𝐢𝐧𝐤𝐞 𝐢𝐧 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐦 𝐒𝐞𝐞 𝐝𝐞𝐫 𝐆𝐞𝐟𝐮̈𝐡𝐥𝐞 𝐮𝐧𝐝 𝐝𝐮 𝐛𝐢𝐬𝐭 𝐝𝐞𝐫 𝐞𝐢𝐧𝐳𝐢𝐠𝐞 𝐝𝐞𝐫 𝐦𝐢𝐜𝐡 𝐫𝐞𝐭𝐭𝐞𝐧 𝐤𝐨̈𝐧𝐧𝐭𝐞, 𝐚𝐛𝐞𝐫 𝐝𝐮 𝐬𝐢𝐞𝐡𝐭 𝐞𝐬 𝐞𝐢𝐧𝐟𝐚𝐜𝐡...