Kapitel 20 - Unverhofft kommt selten allein

20 6 2
                                    

4. November 2013, Wohnung von Chris, Atlanta, Georgia – Nordamerika

Mit einem prickelnden Zischen öffnete er die Bierdose und nahm einen tiefen Schluck des kühlen Getränks.

Chris hatte gerade seine abendliche Routine vollzogen. Sein nackter Oberkörper war stellenweise noch besetzt von vereinzelten Wassertropfen, die sich gemächlich entlang seiner Muskulatur bahnten. Ein Handtuch hatte er sich über den Nacken gelegt. Ansonsten trug er eine bequeme, graumelierte Sporthose.

Der November zeichnete sich äußerst kühl ab, wobei der Oktober auch nicht mit übermäßiger Wärme geglänzt hatte. Das Wetter und die Temperaturen hielten Redfield jedoch nicht davon ab, weiterhin seine Bahnen im Pool zu absolvieren. Er war hart im Nehmen und eisige Temperaturen machten ihm kaum mehr etwas aus. Im Gegenteil: Er fand es sogar sehr erfrischend und belebend.

Es war ein tolles Gefühl, wenn der ganze Körper zu kribbeln begann und Leben in die Blutkörperchen kam. Es fühlte sich an, als würde eine ganze Ameisenarmee unter der Haut entlang marschieren und die Muskulatur damit stimulieren, um Reibung und somit Wärme zu erzeugen. Das Kribbeln war nichts anderes als die Aktivierung der körpereigenen Heizung.

Es hatte einen vergleichbaren Effekt wie das berauschende Gefühl der Lust. Der Unterschied war lediglich, dass bei der einen Szenerie das Kribbeln aufgrund der Kälte rührte, um die reguläre Körpertemperatur anzukurbeln, während die andere Szenerie aufgrund von Leidenschaft eine erschaudernde Hitzewelle durch den Körper jagte und die Temperatur über die Regularität ansteigen ließ. In beiden Fällen erzitterte der Leib und die Muskulatur spannte. Beides waren beschwingte und lebhafte Erfahrungen. Da Chris aufgrund von Piers Nivans Absenz nicht länger in den Genuss der stimulierenden Leidenschaft kam, blieb ihm nur die Kälte und der Sport, um belebendes Adrenalin freizusetzen. Er hatte darin also einen verbissenen Ersatz gefunden – wobei Ersatz deutlich übertrieben und eher relativ war, denn es war eher als verzweifelter Versuch zu betiteln, zumindest ein wenig Ablenkung und Belebtheit zu erzwingen. Das kühle Nass des Pools hatte sich dahingehend bisher als einziges, einigermaßen etabliertes Mittel bewährt - neben dem Alkohol natürlich.

Chris, der mit so viel Terror, Tod und Verlust konfrontiert war, sehnte sich eben nach dieser simplen Lebhaftigkeit, die für ihn deutlich mehr bedeutsam war als für andere Menschen.

Er nahm einen weitere Schluck Bier und tapste dann Richtung Wohnzimmer. Er würde auf dem Sofa dahin schwelgen, den Rest seines Gesöffs genießen und die Zeit einfach verstreichen lassen, so wie er es bereits seit Tagen handhabte.

Redfield stellte die Dose auf dem Glastisch ab, als sich seine Augen zu kleinen Schlitzen formten. Er erfasste seine Handfeuerwaffe, die ebenfalls auf dem Glastisch lag. Er hatte sie zuvor dort abgelegt, nachdem er die Waffe gewartet und den Lauf gereinigt hatte. Kurz hielt er inne, ehe er blitzartig die Waffe griff, sie entsicherte und herumwirbelte.

Er hatte eine Silhouette im Blickfeld ausfindig machen können - unmittelbar vor der Panoramafensterfront, die raus auf die Dachterrasse führte. Die Beleuchtung von draußen hatten die Umrisse markant hervorgehoben, weshalb sie ihm direkt aufgefallen waren.
Aus kritischen Augen sondierte er die schattenhafte, galante Gestalt, die lässig dort stand und völlig unberührt davonblieb, dass ein Waffenlauf auf sie gerichtet wurde. Langsam schälte sich die Silhouette aus dem Widerschein, als Chris die Unbekannte eingehend begutachtete.

Sie trug ein schwarzes, schlichtes Top und darüber einen langen, tiefroten Cardigan, der fast bis zum Boden reichte. Weinrote Hot Pants schmeichelten ihrer schlanken Taille und darunter trug sie schwarze Leggings, die die Form ihrer Beine wiedergaben und in hohen, weinroten Lederstiefeln versanken. Ihr rabenschwarzes Haar schimmerte sanft in den nächtlichen Farben, die von der Außenwelt in die Räumlichkeit drangen. Ein leicht amüsiertes Lächeln lag auf ihren Lippen und ihre Augen trotzten vor Selbstbewusstsein.

Resident Evil: Code Nivanfield || A Nivanfield Story - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt