Kapitel 19 - Ohne jeglichen Skrupel

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2. November 2013, geheimes BSAA HQ, London, England – Europa

Piers hörte Schritte, gefolgt von dem Geräusch der hydraulischen Tür, die ins Labor führte. Sein Körper zuckte automatisch bei dem Geräusch zusammen, weil die Bewegung der Tür meist ein Vorbote des Unheils war. In der Regel betrat nur jemand diese Räumlichkeit, wenn einer der Assistenten kam, um ihn bezüglich Proben anzuzapfen. Sie entnahmen ihm Blut, Gewebeproben und andere Körperflüssigkeiten. Oder sie kamen, um andere Messwerte anzustellen, seinen allgemeinen Status zu überprüfen oder ihm eine dieser Spritzen zu verabreichen. Jenes Mittel, das aus Jake Mullers Antikörper gewonnen wurde und dafür sorgte, Piers ruhig zu stellen sowie die weitere Ausbreitung des Virus zu unterdrücken. Sie versetzten den jungen Schützen damit in einen Art Ruhezustand, und exakt so fühlte es sich auch an.

Seine Muskulatur war schwach und meistens konnte er sich kaum regen. Er musste daher sämtliche Prozeduren einfach so über sich ergehen lassen. Der einzige Vorteil davon war, dass er sich meist sogar so benommen und taub fühlte, dass er nicht mal mehr aktive Wut, Scham über seine erbärmliche und demütigende Lage oder Schmerz empfand.

Er bemerkte, wenn die Wirkung des Stoffes nachließ und seine Empfindung langsam zurückkehrte sowie Leben in seine Muskeln kam. Immer dann fühlte er ein heißes Prickeln und wie seine Sehnen sich anspannten. Der Zustand währte nie lange, da sie ihm in regelmäßigen Abständen eine Dosis verabreichten, um sicher zu stellen, dass sich seine Kraft nicht zu sehr regenerierte. Es verhinderte zudem, dass das Virus keine weiteren Schäden oder Mutationen auslösen konnte.

Er war ein wertvolles Subjekt, das in seiner aktuellen Form eine geheime Formel in sich trug, die Alister Crawford unbedingt für sein Forschungsprojekt haben wollte. Sie durften daher nicht riskieren, dass jene geheime Formel verloren ging, indem das Virus sich in seinem Körper ausdehnt und möglicherweise weitere Veränderungen an Struktur und Genetik vornähme.

Über den damit verbundenen Umstand, dass die Wissenschaftler somit verhinderten, dass er vollwertig zu einem hirnlosen, bestialischen Zombiemutant verkam, konnte er sich nicht freuen. Er fühlte sich zu elend in seiner Lage, als sich über irgendetwas zu freuen. Es war erniedrigend diesen Wissenschaftsheinis so ausgeliefert zu sein. Es gab kaum eine treffende Umschreibung dafür, wie schrecklich er sich fühlte und welch verwerflicher Eingriff dieses Handeln in der menschlichen Würde darstellte. Zumal Crawford seine Machtverteilung mehr als deutlich klargestellt hatte. Der Forscher ließ keine Gelegenheit verstreichen, um dem jungen Schützen abermals diese Rollenverteilung unter die Nase zu reiben.

Wann immer Piers diesen arroganten, widerlichen Bastard und dessen süffisantes, dreckiges Grinsen sah, verspürte er das unbändige Verlangen, ihm in die Fresse schlagen zu wollen. Doch sein Körper gehorchte nicht.

Zu seinem Leidwesen betrat jener Abschaum gerade das Labor. Augenblicklich durchfuhr Piers eine seichte Anspannung, die nur vage das Taubheitsgefühl durchbrach.

Mit einem breiten, gehässigen Grinsen hielt er auf den Schützen zu – es war genau jenes Grinsen, das geradezu danach verlangte, dass man seine Faust darin vergrub.

Noch bevor er bei dem Talentschützen ankam, ging erneut die Tür und seine Assistentin Chloe Attaway trat ein,

„Mister Crawford? Sie haben Besuch", teilte sie ihm mit.

Crawford blinzelte irritiert. „Besuch? Von wem?"

Chloe kam nicht dazu ihm die Frage zu beantworten, da bereits der Besuch in Form einer platinblonden, athletischen und hochgewachsenen Frau eintrat. Ein durchtriebenes, eisblaues Auge, das an einen Husky erinnerte, schillerte in einer starken Ausstrahlung, die allein eine Gänsehaut auslöste. Ihr zweites Auge sowie ihre gesamte rechte Gesichtshälfte waren von ihrem leicht fransigen Seitenscheitel verdeckt. Ihr platinblondes Haar fiel glatt über ihre Schultern wie eine einzige, gerade Linie aus Gelbgold. Ihre schmalen Lippen waren betont in einem dunklen Blauton, der sich im starken Kontrast zu ihrem hellen, makellosen Hautton abhob sowie zeitgleich im Einklang zu ihrem eisigen Auge stand. Ihre Hautfarbe hingegen erinnerte an weißen Marmor oder sogar Schnee. Man könnte sie also glatt mit der Schneekönigin verwechseln. Und ein Muttermal lenkte die Aufmerksamkeit auf ihren linken Mundwinkel.

Resident Evil: Code Nivanfield || A Nivanfield Story - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt