Kapitel 33 - Es ist nicht leicht, ein Held zu sein

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9. Januar 2014, Hotel Bar, Rocky Mountains, Colorado – Nordamerika

Leon S. Kennedy saß mutterseelenallein in der Hotel Bar. Er war der einzige Gast, was daran lag, dass die Bar erst am Abend vollbesetzt sein würde. Es war helllichter Tag, noch dazu früh am Morgen, weshalb sämtliche andere Hotelgäste längst auf Wanderschaft durch die Gebirge waren oder einer der unzähligen Angebote über Shopping-Touren oder Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten wahrnahmen. Leon hatte an nichts davon Interesse. Er wollte einfach nur seine Ruhe, hier sitzen und ein paar Gläser kippen. Jeder hatte eben eine andere Definition von Urlaub und jeder konnte den so gestalten, wie er es für angebracht hielt.

Kennedy schwenkte nachdenklich sein Glas. Er beobachtete, wie die braune Flüssigkeit ihre Bahnen zog und lauschte, wie die Eiswürfel klimperten. Er seufzte und leerte den Scotch, ehe er geräuschvoll das Glas abstellte und nachschenkte. Unzufrieden stellte er fest, dass die Flasche schon alle war.

Als er Schritte hörte, sah er fragend zu Seite und zischte despektierlich. Er lehnte sich tiefer im Stuhl zurück und begann hämisch zu trällern: „Sieh mal einer an! Chris Redfield, der Stern der BSAA!"

Die Gesichtszüge des Veteranen verdüsterten sich, denn anhand der Artikulation und der geringschätzigen Tonlage war ersichtlich, dass Leon bereits einige Gläser zu viel gekippt hatte, und das um solch eine Uhrzeit. Das brachte unweigerlich die Frage in Redfield auf, wie lange und vor allem seit wie vielen Tagen Leon bereits hier hockte und sich evident einem depressiven Tief hingab, das er wiederum in Alkohol ertränkte. Kennedys Gemüt wirkte auf Chris jedenfalls nicht allzu vielversprechend.

„Das nennst du also Urlaub?" entgegnete Redfield ihm ebenso abschätzig. „Willst du mich verarschen, Leon? Du bist um diese Uhrzeit bereits betrunken?"

Leon feixte dreist und breitete die Arme aus. „Es ist mein Urlaub und den kann ich so verbringen, wie es mir beliebt."

Chris Lippen bildeten eine einzig zornige Linie und seine Mimik sprach Bände davon, dass er mit dieser Ansicht nicht übereinstimmte. Prinzipiell war das korrekt, dass jeder seinen Urlaub so verbringen konnte, wie er wollte, aber es gab dennoch Grenzen. Sich zu besaufen, lag definitiv fernab jener Grenze.

Kurz beäugten sich die beiden mit felsenfester Miene, ehe Leon an Chris vorbei sah und einfach schamlos nach der Bedienung winkte. „Ey! Bring mir noch eine Flasche hiervon!" Untermalend hob er die leere Flasche an.

Chris war entrüstet über die Verhaltensweise. Leon benahm sich gerade wie ein trotziger, unausstehlicher Teenager und das konnte Redfield gerade gar nicht gebrauchen. Leon war sich dem ernst der Lage noch nicht bewusst, denn Chris war garantiert nicht hier aufgekreuzt, um Leon aus Spaß den Urlaub zu vermiesen. Er musste ihm also den Ernst der Lage eintrichtern und ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Ob ihm das passte oder nicht.

„Vergiss die Flasche!" ordnete der Veteran scharf der Bedienung an.

Er erntete sofort Einspruch. „Was?!" stieß Leon empört aus. „Das hast du nicht zu entscheiden."
Der Geduldsfaden des Veteranen riss, denn er hatte weder Zeit noch die Nerven für so etwas. Wütend donnerte er die flache Hand auf den Tisch und beugte sich bedrohlich zu Leon, der nicht einmal zusammenzuckte, sondern trotzig dem Blick standhielt.

„Schluss jetzt damit!" grollte Chris. „Was zur Hölle ist los mit dir, Leon?"

„Was zur Hölle ist los mit dir", erwiderte Leon betont stoisch und verächtlich, „Redfield?"

Die Barkeeperin verfolgte aus verunsicherten und verängstigten Augen das angespannte Gespräch der beiden Männer.

„Hör zu: Ich brauch dringend deine Hilfe", versuchte er ihm den Ernst der Lage verständlich zu machen. „Etwas wirklich Mieses ist im Gange und das könnte echt hässliche Ausmaße annehmen."

Resident Evil: Code Nivanfield || A Nivanfield Story - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt