Kapitel 21 - Wenn Hoffnung längst verloren scheint, erstrahlt ein winziger Funke

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„E-es tut mir leid!", stammelte Rebecca aufgewühlt und den Tränen nahe. „Es ist alles meine Schuld!"

Chris schnaubte, um ein wenig Dampf abzulassen. Er behielt die Fassung, obwohl auch in ihm heftig die Gefühle rumorten, aber die oberste Priorität war nun erst einmal seine Schwester zu versorgen. Hinterher konnte er seinem Unmut immer noch Luft machen.

Claire war kreidebleich, und sie rang sich zu einem angestrengten, entschuldigenden Lächeln. Dicke Schweißperlen bedeckten ihr Gesicht, als klebten fette Perlmuttperlen an ihrer Haut. Emphatisch drückte sie die Hände auf die Schusswunde. Ihre Haltung sah furchtbar verkrampft aus und wenn Rebecca sie nicht stützen würde, wäre sie längst zusammengebrochen, da das Blut unaufhaltsam ihr entwisch und somit auch die Lebensenergie.

Chris zögerte daher nicht sie auf seine Arme zu nehmen. Mit Leichtigkeit hob er sie hoch und trug sie eilig in die Wohnung. Claire bemühte sich darum keine gequälten Auslaute von sich zu geben, als sie auf den starken Armen ihres Bruders lag. Sie wollte ihn nicht noch mehr beunruhigen und wütend machen, als er ohnehin schon war.

Der Veteran setzte seine Schwester behutsam auf dem Esstisch ab und fegte einmal achtlos mit dem Arm über den Tisch, um Platz zu schaffen. Er warf die Obstschale, ein Magazin und ein Glas zu Boden und bettete Claire auf der freigeräumten Fläche.

„Rebecca, hol den Erste Hilfe Kasten vom Badezimmer", wies er an und seine Stimme hatte einen unfassbar tiefen, tremolierten Ton angenommen, da die Situation ihn negativ erregte.

Die Forscherin stürmte los. Chris indessen beugte sich über seine Schwester und strich fürsorglich über ihre glühende und verschwitzte Wange, weshalb er sich auf die Unterlippe biss. Sie hatte bereits so viel Blut verloren, dass sie Fieber hatte, und das war immer ein Grund zur Beunruhigung.

Dennoch erzwang Chris ein Lächeln, um ihr Zuversicht zu spenden. Sie lächelte zurück und hob schwach die Hand, um sie auf die ihres Bruders zu legen.

„Verdammt...", nuschelte er zerknirscht. „Wie ist das nur passiert?"

Rebecca kam mit dem Koffer zurück ins Esszimmer geeilt. Die Forscherin atmete tief durch, um ihr Gemüt zu beruhigen, da sie genau wusste, dass sie nun ein ruhiges Händchen benötigen würde. Sie war damals die Feldsanitäterin beim Bravo Team der S.T.A.R.S. gewesen und hatte daher genügend Erfahrung mit diversen Verletzungen. Sie hatte oft Soldaten zusammengeflickt oder Kugeln raus operiert, aber diese Situation war so unerwartet eingetreten, dass es Rebecca kalt erwischt hatte.

Bei Einsätzen hatte sie sich bereits seelisch und moralisch darauf einstellen können, dass sie garantiert irgendwen flicken müsste. Doch hierauf war sie nicht vorbereitet gewesen. Noch dazu betraf es Claire, eine Freundin, die ihr nahestand. Obendrein fühlte Rebecca sich zum Großteil dafür verantwortlich, was ihrer Freundin widerfahren war. All das führte dazu, dass Rebecca ungewöhnlich zittrig war, obwohl Blut ihr ansonsten nichts ausmachte. Gegenwärtig kam sie sich vor wie einer dieser jungen, prahlerischen Medizinkids, die noch voller Tatendrang steckten und gerade mit Bravour ihr Studium gemeistert hatten, jedoch bei ihrem ersten, richtigen Medizineinsatz aus den Latschen kippten, sogleich sie all das Blut und die offenen Körperstellen erspähten. Oder wie die angehenden Feldsanitäter, die vor ihrer Ausbildung noch große Töne gespuckt hatten, dass nichts sie so schnell umhauen würde und sie wüssten, worauf sie sich einließen, nämlich, dass gerade bei solch gefährlichen Einsätzen es nicht gerade zimperlich zuging. Aber sobald sie dem Ausbilder dann über die Schulter sahen, wenn er Kugeln raus operierte, große Fleischwunden nähte oder sich gar um abgetrennte Gliedmaßen kümmern musste, dann reiherten die meisten Großmäuler zu ihrer eigenen Demütigung ausgiebig und kippten anschließend um. Was die Grausamkeit hierbei anbelange, übertrieb die Fiktion zumeist ausnahmsweise nicht, denn Rebecca hatte gerade bei den S.T.A.R.S. und vor allem bei der BSAA extreme Verletzungen gesehen, die von B.O.W.s verursacht worden waren. Diese reichten bis hin zur Verstümmelung. Sie hatte definitiv viel gesehen. Vieles davon wünschte sie, nie gesehen zu haben. B.O.W.s konnten Grausiges anrichten. Ganze Gliedmaße, die abgetrennt worden waren, vollkommende Entstellung, bis hin zu Körpern, die völlig entzweigerissen worden waren, sodass die offenen Organe wie zum Beispiel Gedärme sichtbar aus den Überresten hingen. Claires Schusswunde war dagegen gar nichts.

Resident Evil: Code Nivanfield || A Nivanfield Story - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt