Kapitel 36 - Der Bruchpunkt sämtlicher Prinzipien

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15. Februar 2014, geheimes BSAA HQ, Gebäudetrakt A, Zentraletage, Ebene OG 36, London, England – Europa

Mit stoischer Ruhe und Präzession führte Redfield sein Sturmgewehr, als sie von einer kleinen Gruppe Soldaten in Empfang genommen wurden. Er hatte sich noch nie so überlegen und wohl dabei gefühlt, den Abzug zu betätigen. Er hatte stets aus reinem Gewissen, Ehrgefühl und Pflicht den Abzug betätigt, aber er hatte nie eine Befriedigung dabei verspürt. Er hatte etliche Zombies niedergeschossen und dabei rein gar nichts gefühlt, weder Freude noch sonderliches Bedauern, weil er in der Rolle als Captains stets darauf bedacht gewesen war, Besonnenheit zu wahren und Emotionen nicht zu sehr an sich heranzulassen. Es war einfach ein weiterer, notwendiger Schuss, ein weiterer erforderlicher Kill für ihn gewesen, da er sich stets vor Augen geführt hatte, dass keine andere Wahl blieb. Doch just in diesem Moment wurde er von Genugtuung beschwingt, wann immer er den Abzug betätigte und das Projektil einer der Soldaten niederrang, die ihn und Leon versuchten aufzuhalten. Der Kupferduft, der sich dadurch verbreitete, berauschte ihn zusätzlich wie eine Droge.

Unter anderen Umständen hätte es Chris gefürchtet, wenn er Freude dabei empfand, Projektile in menschliches, noch nicht verrottetes Fleisch zu jagen und den Duft von Blut genoss, doch unter anderen Umständen hätte er auch niemals so empfunden oder gehandelt. Diese Leute hier konnten weder Mitleid noch Erbarmen von ihm erwartet. Immerhin hielten sie hier einen Mann gegen seinen Willen fest und führten unmenschliche Experimente durch. Für Chris hatten diese Leute jegliches Recht auf Gnade verwirkt. Sie hatten nichts anderes verdient, als unter Schmerzen zusammenzubrechen, wenn Leon oder er sie niederschossen.

In Atlanta hatte er noch von roher Gewalt abgesehen und es vermieden irgendjemandem zu Schaden. Aber hier konnte niemand mehr Zurückhaltung von ihm erhoffen, denn hier konnte er sicher sein, dass sämtliche der hier anwesenden Angestellten in Amelias Plan eingeweiht waren und aus eigener, freier Überzeugung sich hieran beteiligten. Dafür mussten sie nun die Konsequenzen tragen.

Ahnungslos schlenderte ein Mann um die Ecke, der von seinem herannahenden Unglück noch nichts ahnte, da er zu beschäftigt war, auf sein Klemmbrett zu starren sowie eine Melodie vor sich hin summte. Chris und Leon näherten sich dem Mann mit festen, unerschütterlichen Schritten. Anhand des Auftretens des Mannes, könnte er glatt von der Buchhaltung oder Verwaltungsabteilung stammen.

Erst als die beiden unmittelbar vor ihm standen, sah der Mann fragend von seinem Klemmbrett auf und realisierte die beiden furchteinflößenden Eindringlinge. Ein Schrei entfloh seiner Kehle, und vor Schreck ließ er das Klemmbrett fallen. Seine Knie schlotterten, als er die beiden Männer anstarrte. Unter diesen despotischen Blicken schrumpfte er regelregt, taumelte angsterfüllt zurück, stieß mit dem Rücken gegen die Wand und drückte sich zitternd dagegen, während er den Blick abwandte und die Augen zusammenpetzte.

„Bitte, tun Sie mir nichts!" rief er jammernd.

„Wo ist der Hauptzentraltraum?" verlangte Redfield zu wissen.

Die Zähne des Mannes klapperten, und er wagte es nicht die beiden anzusehen. „D-den Gang runter, dann rechts bis zur großen Doppeltür. I-ist nicht zu übersehen."

Leon war ein wenig überrascht über die schnelle, unkomplizierte Auskunft des Mannes. Er hatte eher damit gerechnet, dass der Kerl in ein reines Gewinsel verfallen würde.

„Danke vielmals für die freundliche Auskunft", erwiderte Kennedy daher.

„Bitte, lassen-", setzte der Mann an, als der DSO-Agent ihm kurzerhand den Pistolengriff über die Schläfe zog, wodurch er bewusstlos an der Wand hinabglitt.

Chris und Leon setzten ihren Weg fort, als just einige weitere Soldaten den Flur entlang geeilt kamen.

Redfield kam ihnen mit beängstigender Gemächlichkeit entgegen. Chris Augenbrauen lagen eng beieinander, die Stirn in Falten und sein Mienenspiel war furchterregend vor Ernsthaftigkeit. Leon hatte gleichermaßen eine Mimik aufgesetzt, die Redfields in nichts nachstand. Die Soldaten formierten sich und legten an, doch die pure Unsicherheit stand ihnen allen ins Gesicht geschrieben. Keiner von ihnen war es gewohnt, dass mit solch widersprüchlicher Ruhe jemand auf sie zu kam.

Resident Evil: Code Nivanfield || A Nivanfield Story - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt