5. Kapitel

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Freitags hatte ich nachmittags keinen Unterricht – das war dann die optimale Gelegenheit, um noch einen Abstecher in die Einkaufshalle zu machen. Immerhin brauchte ich noch mein Kleid für die Abi-Abschlussfeier.

Wobei ich mir über die Krawatte keine Sorgen machen musste. Valentin hat mich seit Montag nicht mehr angesprochen und ich hatte nicht den Mut, von mir aus zu fragen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass er mich immer wieder verstohlen musterte, wenn er dachte, dass es niemand sieht. Ich hatte zu große Angst mich zu blamieren, um von mir aus auf jemanden zuzugehen. Von daher war es eher unwahrscheinlich, dass sich ein anderer noch schnell findet. Dafür müsste ich ja ausgehen und jemanden kennen lernen. Am Nähsten kam ich einem männlichen Wesen in letzter Zeit in der Einkaufshalle. Und das war mehr als unfreiwillig. Doch ein kleiner Teil in mir hoffte, dass er vielleicht wieder dort ist und ich ihn sehen könnte. Ein wohliger Schauer durchfuhr mich schon alleine beim Gedanken daran.

Auf den Weg durch den Park sah ich wieder den Jugendlichen auf der Bank. Er ist mir die ganze Woche schon aufgefallen – mal mit einem Buch, mal einfach mit dem Handy. Scheinbar ist das sein neuer Lieblingsort zum Rückzug. Wobei es schon seltsam war, dass er jeden Nachmittag da saß. Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte genug mit mir selbst zu kämpfen, da sollte ich mir nicht noch um andere Gedanken machen.

„Bienchen" hörte ich hinter mir ein hämisches Rufen. Oh, Mist – natürlich mussten sie ausgerechnet heute mir auflauern. Bevor ich weglaufen konnte, hatten mich die 4 Jungs aus meinen Jahrgang schon umzingelt. Den naheliegenden Spitznamen fanden sie unglaublich witzig, wie man an ihren breiten Grinsen sehen konnte. Ich fand es eher einfallslos, jemanden der Maja heißt so zu betiteln. „Na, wie geht es uns denn heute? Hat dir schon jemand gezeigt, wie das mit Bienen und Blumen ist?" feixte Jan, der Anführer der Truppe. Ich versuchte ruhig zu bleiben und das Zittern in meiner Stimme in den Griff zu bekommen „es ging mir sehr viel besser, als ich noch unbehelligt hier laufen konnte."

Darauf bekam ich nur noch mehr Gelächter zur Antwort. Scheinbar war meine Intention mir meine Angst nicht anmerken zu lassen, nicht erfolgreich. „Du kannst uns das Geld auch einfach geben, das macht alles einfacher" Jan beugte sich noch etwas vor „du findest bestimmt auch eine Arbeit, die dir schnell gutes Geld einbringt – bei deiner Figur." Dabei schlug mir einer der anderen mit der Hand auf meinen Po und drückte leicht zu.

Ich erstarrte. Wo war noch einmal die schlagfertige Antwort, wenn man sie brauchte? Stattdessen wich mir alles Blut aus den Kopf und zurück blieb gähnende Leere. Ich hatte fast mein ganzes Erspartes bei mir, weil ich noch einkaufen wollte. Das durfte ich mir nicht wegnehmen lassen. Ich wollte hocherhobenen Hauptes zum Abschlussball gehen, eben wegen allem, was sie mir angetan haben. Das war meine Rache, das Zeichen, dass sie mich nicht gebrochen hatten. Doch wenn sie mir jetzt das Geld stahlen, war das alles hinfällig.

„Niemals gebe ich euch Geld" stieß ich zitternd – aber jetzt vor Wut - hervor. „Nun, dann müssen wir es uns wohl holen" und mit den Worten wurde an meiner Tasche gezerrt, doch ich hielt sie fest – bereits mit Tränen der Verzweiflung in den Augen. Hämisch schaute Jan mir ins Gesicht. Er wusste genau wie ich, dass er bekommen würde was er wollte. Es war nur noch eine Frage der Zeit. So viel Pech konnte ich doch nicht haben. Ausgerechnet heute gingen sie mir nach.

„Das ist aber keine große Leistung – vier Kerle gegen eine Frau" ertönte da plötzlich eine Stimme. Der Junge von der Parkbank hatte sich eingemischt. Etwas Hoffnung keimte in mir aus. Er erhob sich und schlenderte betont langsam auf uns zu. Er war größer als ich anfangs vermutete und von kräftiger Statur - man sah ihm regelmäßiges Training an. Er musterte die vier Jungs abschätzend.

Meine Angreifer wandten sich ihm zu. Ich und meine Tasche waren für einen kurzen Moment vergessen. Die Gelegenheit der Ablenkung nutzte ich, um mich umzudrehen, zwischen ihnen hindurch zu schlüpfen und zum Bus zu rennen. Mit etwas Glück erwischte ich noch den nächsten. Und tatsächlich hielt ihn mir Mike auf. „Gerade noch rechtzeitig" grinste er und ging vor mir durch den Bus. Ich ergatterte noch einen Sitzplatz und war so erleichtert, dass ich fast doch noch heulte. Ich versuchte meinen Atem und mein immer noch klopfendes Herz zu beruhigen. Was für eine verrückte Woche. Zum Glück gab es nur noch eine bis zum Abi – viel länger halte ich das nicht mehr aus.

An der Einkaufshalle stieg ich aus und ging in den Second Hand Laden auf der Suche nach einem Kleid. Die neuste Mode würde es nicht sein, aber das war ich gewohnt. In meiner kleinen Größe war die Auswahl ziemlich begrenzt - mehr als ich erwartet hatte.

Eines fand ich, was von der Länge und ganz gut passte, aber etwas weit war. Die mitternachtsblaue Farbe war etwas dunkel für meinen hellen Teint, aber das musste ich in Kauf nehmen. Aber es war nicht zu unruhig und betonte die natürlichen, hellen Strähnen in meinen hellbraunen Haaren. Ich drehte mich vor dem Spiegel und legte zur Probe ein paar schräge Falten. Das sah nicht schlecht aus – vielleicht konnte ich es etwas um nähen und aufpeppen.

Der Preis passte in mein Budget, deshalb nahm ich es direkt mit. Für etwas besseres hatte ich weder Zeit, Motivation noch das nötige Kleingeld. Um Schuhe würde ich mich ein anderes Mal kümmern – oder einfach schickere Sandalen nehmen, die ich noch hatte. Das gleiche galt für die Tasche.

Was ich direkt erledigte war, in den Nähladen zu gehen. Dort kaufte ich farblich passendes Garn, damit ich das Kleid etwas abändern konnte – zumindest etwas enger musste es werden, damit es nicht wie ein Sack an mir herunterhing.

Vor den Pailletten und Steinen blieb ich unschlüssig stehen. Sollte ich es wagen, so etwas anzunähen? Mit einen Blick auf den Preis entschied ich mich erst einmal dagegen. Zunächst sollte ich das Kleid in Form bringen, danach noch weiter verzieren und verändern.

Von Wölfen beschütztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt