„Im ersten Stock sind die Mädels, im Erdgeschoss die Jungs untergebracht. Je nachdem zu zweit oder zu viert." Erzählte meine Zimmergenossin mir, während sie mir die Gemeinschaftsräume zeigte.
Dann klopfte sie an eine Tür. Nachdem wir hereingerufen worden sind, betraten wir das Zimmer. Er war voller Schränke mit allen möglichen Unterlagen. In der Mitte stand ein großer, rustikaler Tisch und hinter dem saß Kilian.
„Sehr gut, dann bringen wir die Formalität gleich hinter uns – hier ist dein Schlüssel" sagte er geschäftsmäßig und schob mir ein Zettel mit einem Schlüssel zu. Dabei vermied er den Blickkontakt. Mit klopfenden Herzen trat ich schüchtern näher und las mir das durch. Es war ein Bestätigungsformular, dass ich einen Schlüssel erhalten habe. Das unterschrieb ich zügig. Dabei war ich mir der Nähe von Kilian die ganze Zeit bewusst. Es fühlte sich an, als würde ein Ofen mit voller Power laufen. Schließlich schaute ich ihn fragend an. Das war ein Fehler, sobald ich in seine Augen sah, war meine Zunge wie gelähmt.
„Ist noch etwas?" erkundigte er sich. „Ähm – wie ist das mit der Miete?" stieß ich hervor „Ich habe aktuell nicht so viel Geld zu Verfügung, aber ich könnte..." Kilian unterbrach meinen Redefluss, bevor ich einen Vorschlag zu Ende bringen konnte und winkte lässig ab. „Mach dir darüber keine Sorgen, es ist alles geklärt. Das Bett war frei und du störst nicht."
Verwirrt blinzelte ich mit den Augen und legte den Kopf schief. Das Haus hatte keine schlechte Lage, soweit ich das beurteilen konnte und war bestimmt nicht billig. Doch Iris zog mich schon wieder weiter, um mir die Außenanlagen zu zeigen. Doch Kilians Blick spürte ich auf mir bis sich die Türen geschlossen hatten. Als wir auf dem Gang waren seufzte ich auf – ob vor Erleichterung oder Enttäuschung war mir selbst nicht klar. Ich musste ihn mir irgendwie aus den Kopf schlagen und meine Tagträume begraben, sonst würde ich hier nicht glücklich werden.
Auf den Weg trafen wir noch ein bekanntes Gesicht – der Junge von der Parkbank. Langsam kamen mir die Zufälle doch verdächtig vor. „Hey, wie geht es dir? Wie schön, dass du jetzt auch hier wohnst. Ich bin Adrian" stellte er sich vor. „Hallo – ich bin Maja" sagte ich. Wissend wie alle hier lächelte er mich an.
„Vielen Dank für deine Hilfe vor ein paar Wochen. Ich hoffe, du hast es nicht bereut?" fragte ich zögernd. Doch er lachte nur „es freut mich, dass ich helfen konnte." Ich rang nach Worten „Es tut mir leid, dass ich dich einfach im Stich gelassen habe" brachte ich schließlich leise heraus.
Immer noch lachend schüttelte er seinen Kopf. „Mach dir darüber keine Gedanken. Ich habe den Anführer in die Eier getreten und bin dann weg gerannt. Da konnten sie sich nicht entscheiden, ob sie dir oder mir folgen sollen" grinste er verschmitzt. Er musste den Zweifel in meinen Augen gesehen haben, denn er beugte sich etwas runter. „Bitte reagiere immer genau so. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen. Wenn ich dann auch noch auf dich achten muss, macht es das ganze nur komplizierter und schlimmer."
Seine Worte beruhigten mich und ich lächelte ihn schüchtern an. Er zwinkerte mir aufmunternd zu. Flirtete er gerade mit mir? Unsicher legte ich meinen Kopf schief und musterte ihn. Dann wurde sein Blick etwas glasig. „Ich muss los" verabschiedete er sich hastig und ließ mich verwirrt zurück. Er schien nett zu sein und ich hätte mich gerne noch länger mit ihm unterhalten. Doch Iris ließ mir keine Zeit zum Nachdenken und schleifte mich weiter.
Nach der Tour, gingen wir wieder in unser Zimmer. Es gab genau eine Sache, die ich jetzt unbedingt machen musste, um den Kopf frei zu bekommen: Zeichnen. Iris versuchte mich davon zu überzeugen, dafür in den Hobbyraum zu gehen. Der ist zusätzlich auch Treffpunkt für alle und Gemeinschaftsraum. Sie versicherte mir, dass ich trotzdem alleine sitzen und für mich zeichnen könnte – ohne, dass mich jemand dabei unterbricht.
Doch mir war einfach nicht nach Gesellschaft. Ich musste alleine sein, um meine Gedanken zu ordnen. Schließlich gab sie auf und ging ohne mich in den Gemeinschaftsraum, um sich dort mit anderen zu treffen. Erleichtert seufzte ich auf. Ich mochte Iris zwar wirklich gerne, aber mit ihr war Ruhe quasi ausgeschlossen.
Gedankenverloren zeichnete ich und hing meinen Gedanken nach. Schon immer war Zeichnen für mich so etwas wie eine Therapie, um Erlebnisse zu verarbeiten. Zunächst malte ich eine gefesselte Frau auf dem Bett und dahinter eine feiernde Meute. Nach und nach veränderte ich das Bild. Die Feiernden wurden gesichtslos und die Frau ausdrucksstark. Sie würde das überstehen und gestärkt aus der Sache herausgehen.
Als nächstes malte ich ein großes Haus mit vielen Jugendlichen. Es hatte eine großzügige Außenanlage und grenzte an ein Waldstück. Irgendetwas stimmte hier doch nicht. Es war genau vor meiner Nase, aber ich hatte das Gefühl, dass ich es nicht greifen konnte. Was war faul?
Beim Betrachten des Bildes, wurde mir plötzlich klar, was mich störte: es gab keine Erwachsenen. Der Älteste, den ich bisher gesehen hatte, war Kilian. Und den würde ich auf Anfang 20 schätzen. Er war im Büro und schien alles unter sich zu haben. Aber wie finanzierten sie sich? Es war mir ein Rätsel.
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Von Wölfen beschützt
RomanceMaja hatte in den letzten Jahren nicht viel zu lachen. An ihren 18. Geburtstag überschlugen sich dann die Ereignisse und sie beschloss nicht mehr nach Hause zurück zu kehren. Stattdessen lebte sie in einen Haus mit anderen Jugendlichen. Doch irgende...