17. Kapitel

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Am nächsten Tag war Samstag – also der Tag, an dem Kilian etwas mit mir unternehmen wollte. Beim Frühstück überlegte ich, ob er sich noch daran erinnerte. Das klärte sich recht schnell, weil er zu mir an den Tisch kam „Hast du Lust in den Tierpark zu gehen?" Ich machte große Augen. Was war dass denn für eine seltsame Idee? „Wir können natürlich auch woanders hingehen" fügte er noch schnell hinzu.

Die Frage war eher, ob ich überhaupt noch etwas mit ihm machen wollte. Nachdenklich kaute ich an meiner Unterlippe. Kilian beugte sich runter und flüsterte „mach das nicht, sonst will ich auch mal probieren." Ich erstarrte und mein Herzschlag beschleunigte sich. Hatte er etwa gerade mit mir geflirtet? Unsicher schaute ich zu ihm hoch. Ich war zu unerfahren für solche Spiele.

Seufzend setzte sich Kilian mir gegenüber. „Hör zu, ich weiß, dass ich mich letztens wie ein Idiot aufgeführt habe. Es tut mir leid, wenn ich dich da erschreckt habe. Ich hatte in letzter Zeit so viel um die Ohren und dann auch noch du..." verzweifelt fasste er sich in die Haare und zog etwas daran nach hinten. „Bitte lass mich das alles erklären – am besten, wenn wir irgendwo ungestört sind" sagte er und machte eine unbestimmte Handbewegung in den Raum hinein.

Ich freundete mich immer mehr mit der Tierpark-Idee an. Warum auch nicht? Tiere mochte ich und da war man unter Leuten. Zwei große Pluspunkte. Ohne es bewusst wahrzunehmen, hatte ich wieder angefangen an meiner Unterlippe zu kauen. Dann sah ich den verhangenen Blick von Kilian, wie er auf meine Stelle starrte, in der sich meine Zähne bohrten. Sofort hörte ich auf und seine Augen schnellten nach oben zu meinen. „Gut, gehen wir in den Tierpark" stimmte ich zu. „Aber unter einer Bedingung" fragend sah mich Kilian an „du beantwortest mir meine Fragen." Nun war es an ihn zu zögern – doch schließlich nickte er lächelnd.

Wir fuhren mit dem Auto. Dort angekommen, holte ich mein Geldbeutel heraus, doch Kilian wollte davon nicht wissen und war fast beleidigt, dass ich selbst zahlen wollte. Zähneknirschend nahm ich von ihm das Ticket und ging zum Eingang. Wieder ein Punkt mehr auf der Schuldenliste.

„Du siehst wunderschön in den neuen Kleidern aus – auch wenn du gerade eine ganz schöne Schnute ziehst." Flüsterte er von hinten in mein Ohr. Ich errötete „du siehst auch sehr gut aus" hatte ich das etwa laut gesagt? Scheinbar, weil Kilian fing aus vollem Hals an zu lachen. Das führte dazu, dass ich rot wie eine Tomate wurde. Am liebsten wäre ich im Boden versunken.

Er fasste mich mit der Hand an die Wange und zwang mich dazu, ihn anzusehen. „Nur falls ich es noch nicht erwähnt habe: du bist absolut reizend, egal was du machst" dabei sah er mir tief in die Augen. Ich merkte, wie sich eine Gänsehaut bildete und mein Puls beschleunigte. Schnell trat ich zurück, löste den Augenkontakt und nahm einen tiefen Atemzug – immerhin waren wir hier, um den Tierpark anzusehen und ich wollte Antworten haben.

Kilian kommentierte meinen Rückzug nicht und gemeinsam gingen wir und betrachteten die Gehege. Ich war schon länger nicht mehr hier. Es gab nicht viele exotische Tiere, sondern Hirsche, Flamingos und Pfaue. Ein schönes Exemplar, das gerade ein Rad schlug erregte meine Aufmerksamkeit. Schnell zuckte ich das Handy, um Fotos zu schießen. „Wunderschön" murmelte ich. „Ja" antwortete Kilian. Doch als ich zu Seite schaute, waren seine Augen auf mich gerichtet. Er beugte sich noch etwas vor, so dass seine Nase fast meine Ohren berührte. „Außergewöhnlich schön und sehr anziehend" flüsterte er.

Beschämt trat ich einen Schritt zur Seite und räusperte mich. „Ich glaube, es ist ein guter Zeitpunkt, um etwas zu Essen" versuchte ich mit fester Stimme zu sagen. Er nickte nur und ging voran zu einem kleinen Café. Dort überlegte ich, wie ich am besten meine Fragen formulieren könnte. Immerhin hatte er versprochen sie zu beantworten.

„Einen Euro für deine Gedanken" forderte mich Kilian heraus. „Warum macht ihr das alles?" Darauf erntete ich nur einen verwirrten Blick und eine hochgezogene Augenbraue. Also führte ich es näher aus „die kostenlose Unterkunft, Verpflegung und sogar die Kleider, die ich trage".

Langsam lehnte sich Kilian zurück und kratzte sich am Kinn. „Ist das wichtig?" Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, dass ich endlich Antworten will. Ich wollte aber nicht so viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen, deshalb betrachtete ich ihn durch zusammen gekniffene Augen. Ich hoffte er verstand, dass es für mich sehr wohl wichtig war den Grund zu erfahren.

„Du hattest Probleme, wir haben dir geholfen." Sagte Kilian achselzuckend. Ich hob meine Augenbrauen und schaute ihn abwartend an. Dabei versuchte ich seinen Blick standzuhalten und nicht zu blinzeln. „Als du in der Einkaufshalle in mich rein gelaufen bist, war ich fasziniert von dir. Du hattest eine Traurigkeit an dir und ich habe ein paar Erkundigungen eingezogen. Mike und Valentin kannten dich schon, deshalb war es nicht allzu schwer. Als Mike dann von der ... Feier bei euch erzählt hat, war mir klar, dass wir dich da raus holen müssen. Sieh es als gute Tat an." Argwöhnisch sah ich ihn an. Nach meiner Erfahrung tat niemand einfach so etwas – jeder erwartete früher oder später einen Gegenleistung. Und die Unsicherheit, was es sein würde, belastete mich immer mehr. Er unterband alle weiteren Fragen, indem er der Bedienung signalisierte, dass wir zahlen wollten.

Von Wölfen beschütztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt