„Kilian?" murmelte ich unsicher. Ich bekam ein leises Winseln zur Antwort. Langsam bewegte er sich auf mich zu. Als ich zurück weichen wollte, hielt er sofort inne und legte den Kopf schief. Ich schloss die Augen. Das war alles gerade zu viel. Der Schmerz, dazu hatte ich Hunger und Durst. Und dann war hier etwas, von dem ich nicht wusste, was es von mir wollte. Wobei ich mittlerweile sicher war, dass der Wolf mir nicht schaden würde. Das hätte er schon lang tun können.
Mit neuen Mut öffnete ich die Augen. Der Wolf wedelte leicht mit dem Schwanz und winselte. Er fixierte mich und bewegte den Kopf langsam von einer Seite zur anderen. Wenn es bei Tieren das gäbe, würde ich sagen, dass er besorgt war. Erneut lief er in meine Richtung, um sich dann neben mir nieder zu lassen. Sein Kopf war direkt neben meinen Beinen. Schokoladenbraune Augen blickten mich an.
Unsicher streckte ich die Hand aus und ließ in daran schnüffeln. Seine Rute bewegte sich stärker und er senkte den Kopf etwas. Sanft fuhr ich mit den Fingern über sein Fell und fing an ihn zu kraulen. Darauf gab er ein Schnurren von sich. Wenn die gesamte Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte ich laut aufgelacht. War er jetzt zu einer Katze mutiert? Doch noch immer lag ein sehr großer Wolf neben mir. Etwas mutiger streichelte ich ihn durch sein seidenweiches Haar und bemerkte, wie ich ruhiger wurde. Bewusst atmete ich ein und aus. Immerhin war ich nicht mehr alleine.
„Was machen wir jetzt?" fragte ich den Wolf. Reden konnte er nicht mit mir. Aber er sah mich zuversichtlich an. „Hast du einen Plan?" Da bekam ich tatsächlich ein Nicken. Da schöpfte ich neue Hoffnung.
Kilian stand auf und blickte mich erwartungsvoll an. „Das wird etwas schwierig" versuchte ich zu erklären. Doch er stupste mich nur mit der Nase an. Ächzend versuchte ich mich hochzuziehen – dabei passte ich auf, dass ich den verletzten Fuß nicht zu sehr belastete. Vorsichtig setzte ich diesen leicht auf, um gleich darauf zusammen zu zucken. Ich unterdrückte mir einen Schmerzensschrei – damit kam ich nicht weit.
Erst jetzt konnte ich genau sehen, wie groß der Wolf war – die Schulterhöhe war tatsächlich in etwa bei meinen Kopf. Da ließ er sich plötzlich wieder nieder. Verwirrt musterte ich ihn – was wollte er? Dann hatte ich eine Idee „soll ich auf dir reiten?" Erneut kam ein Nicken. Also wuchtete ich mein Bein über seine Seite. Wo sollte ich mich festhalten? An seinem Fell? Das könnte etwas ungemütlich für ihn werden. Da mir nichts besseres einfiel, fasste ich mit den Händen in seine Haare.
Langsam stand das Tier auf. Es war ein seltsames Gefühl, dort oben zu sitzen. Ich versuchte mich mit den Schenkeln zu fixieren, wie beim Reiten. Mit Sattel wäre das um einiges leichter, dachte ich ironisch. Da merkte ich, wie wir uns langsam bewegten. Nach einer Weile hatte ich den Dreh raus und konnte seinen Bewegungen folgen.
Die Sonne war aufgegangen und man konnte den Wald und die Hindernisse besser sehen. Der Wolf beschleunigte etwas und nach nicht allzu langer Zeit kamen wir an einen Wanderparkplatz an. Und nicht nur das: als Empfangskomitee waren dort Iris und Adrian mit zwei Autos. Nun weinte ich fast vor Freude. Endlich hatte ich es geschafft – ich war in Sicherheit.
Der Wolf legte sich wieder hin, damit ich absteigen konnte. Mit meinem verletzten Knöchel war das immer noch etwas schwierig. Adrian wollte mir helfen, doch da knurrte das Tier unter mir. Da hob er die Hände und ging wieder zurück. Dafür umfasste mich Iris unter den Achseln und führte mich zum Auto, wo ich mich seufzend auf den Beifahrersitz nieder ließ.
Mein Zimmerkollegin kam mit einer Flasche Wasser und etwas Knäckebrot. Noch nie war etwas so köstlich. Kühl rann das Nass meine Kehle herunter. Völlig ausgehungert von den Strapazen, biss ich herzhaft in das Essen.
Währenddessen schienen Adrian und Kilian in einer stillen Kommunikation zu sein. Schließlich kam Erstere und sagte „wir beide haben noch etwas zu erledigen. Fahrt ihr schon mal zum Arzt, wir kommen dann nach." Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging zum Wald. Der Wolf sah mich noch einmal an und wedelte zum Abschied mit seinen Schwanz. Verwirrt schaute ich ihn an. Doch dann gab ich mir einen Ruck winkte ihm zu. Er war mir zu nichts verpflichtet und hatte bereits mehr für mich getan als viele andere. Da bildete ich mir ein, dass ich ein Lächeln von dem Tier erntete, bevor er sich umdrehte und Adrian hinterher ging.
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Von Wölfen beschützt
RomanceMaja hatte in den letzten Jahren nicht viel zu lachen. An ihren 18. Geburtstag überschlugen sich dann die Ereignisse und sie beschloss nicht mehr nach Hause zurück zu kehren. Stattdessen lebte sie in einen Haus mit anderen Jugendlichen. Doch irgende...