24. Kapitel

5K 209 3
                                    

Oh nein, was hatte ich nur angerichtet? Wie gelähmt saß ich auf dem Bett, bis meine Muskeln endlich wieder Befehlen folgten. Ich konnte mir denken, wo sie hingegangen war und machte mich auf den Weg zum Büro.

Wie erwartet hörte ich eine aufgebrachte, nur zu bekannte Frauenstimme „du musst es ihr endlich sagen. Merkst du nicht, dass sonst alles den Bach runter geht?" das Gemurmel, was darauf folgte, konnte ich nicht wirklich verstehen. „Du wirst schon sehen was du davon hast" damit kam eine aufgebrachte Iris aus dem Zimmer. Sie sah mich, lächelte und bedeutete mir mit einer Handbewegung, dass ich eintreten sollte. Zögernd folgte ich der Aufforderung.

Im Zimmer saß Kilian gedankenverloren mit den Rücken zu mir. Ich schloss die Tür und überlegte, ob ich auf mich aufmerksam machen sollte, als er sich im Stuhl herumdrehte. „Setz dich doch bitte!" sagte er müde. Er jetzt fiel mir auf, dass seine Schultern eingesunken waren. Zögernd nahm ich auf einem der Sessel Platz und er setzte sich mir gegenüber.

Mit den Fingern massierte er die Nasenwurzel und sah mich nachdenklich an. Je länger er mir stumm gegenüber saß, desto mehr Wut baute sich in mir auf. Schließlich sprang ich auf und warf ihm ein „wenn du mir nichts sagen willst, dann kann ich auch gehen" zu. Das schien ihn aus seiner Erstarrung zu reißen „Maja, bitte. Gib mir nur etwas Zeit, um meine Worte zu sortieren!" Bittend deutete er auf den Platz, auf dem ich bis eben saß. Gegen den Hundeblick war ich trotz der Kränkung noch nicht immun, also fügte ich mich. Mit verschränkten Armen sah ich ihn erwartungsvoll an.

„Wie du dir vielleicht schon gedacht hast, sind wir hier" er machte eine Handbewegung um sich herum „etwas Besonderes" begann er. Ich nickte – normale Jugendliche lebten in dem Alter noch bei ihren Eltern und nicht alleine in einem riesigen Anwesen. „Die Wahrheit ist, dass wir hier eine fest eingeschworene Gemeinschaft sind. Wir haben eine feste Struktur und Hierarchie. Ich bin ganz oben, danach folgen Mike und Adrian. Die anderen sind mehr oder weniger gleichwertig" er ließ mich nicht aus den Augen, fast so, als wolle er sicher gehen, dass ich ihm noch folgte. Da brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Endlich erfuhr ich einmal etwas und gespannt wartete ich auf seine weitere Ausführung.

„Wir sind keine normalen Menschen, sonder Werwölfe. Wir gehören zu einem Rudel und die sogenannten Youngster ab 16 Jahre bekommen die Wahl, ob sie hier einziehen oder bei ihrer Familie bleiben wollen." Immer noch musterte er mich. Ich sah ihn zunächst ungläubig an, doch dann konnte ich nicht mehr an mich halten und prustete los „Werwölfe? Klar, also aus dem Alter, in dem man an Märchen glaubt, bin ich raus."

Ernst sah mich Kilian an und mein Lachen erstarb „du verarschst mich doch, oder?" Er schüttelte den Kopf. Das kann nicht sein. Werwölfe gab es nicht und dann auch noch in unserer Stadt? Unmöglich. Ich kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus.

Mein Gegenüber stand auf und fing an sich Auszuziehen. Nur in Boxershorts blieb er vor mir stehen. Ich war so verblüfft, dass ich mich nicht von der Stelle rührte. Dann veränderte er sich, sein Rücken dehnte und streckte sich, Arme und Beine wurden immer länger. Es war wie bei einem Unfall – ich konnte einfach nicht weg schauen. Und dann stand plötzlich ein kastanienbrauner Wolf mit schokoladenbraunen Augen vor mir und schüttelte sich. Nur um ein vielfaches größer als die Wölfe im Tierpark – seine Schulter war schätzungsweise auf der Höhe von meinem Kopf. Nicht, dass ich das Bedürfnis hätte, ihm so nah zu kommen, um das zu bestätigen. Er füllte die Hälfte der freien Bürofläche mit seiner Masse aus.

Die Angst lähmte mich. Ich konnte nichts bewegen. Mein Herz raste und mein Atem beschleunigte sich so stark, dass ich kurz vor dem Hyperventilieren war. Ich starrte ihn an und konnte nicht glauben, was eben geschehen war. Das Tier trat einen Schritt auf mich zu und dann merkte ich, wie mich ein Adrenalinschub wach rüttelte. „Nein, nicht näher kommen" schrie ich ihn an und sprang auf. Der Wolf schaute mich aus unglücklichen Augen an, blieb aber stehen. „Du bist... Du bist ein Monster" stotterte ich. Da knurrte das Tier wütend und seine Nackenhaare stellten sich auf. Ich kannte mich gut genug mit Hunden aus, um zu wissen dass das kein gutes Zeichen war.

Mit einem Satz war ich bei der Tür und ohne noch weiter zu überlegen, stürmte ich hindurch und schloss sie hinter mir. Schwer atmend stand ich im Gang. Zum Glück ging die Tür nach innen auf – die konnte er bestimmt nicht so einfach aufmachen. Doch was sollte ich machen?

Mein Gehirn war wie leergefegt, doch eines wusste ich ganz sicher: ich musste hier raus und so weit weg wie möglich. In Rekordgeschwindigkeit erreichte ich die Haustür, ging auf die Straße – und rannte los. So lange, bis meine Lunge brannte und meine Beine um Erbarmen schrien. Erschöpft ließ ich mich auf die nächste Parkbank fallen.

Von Wölfen beschütztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt