20. Kapitel

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Mit den Gedanken immer noch bei dem Gespräch mit Iris, kaute ich nach dem Mittagessen am Freitag auf meiner Lippe. „Das würde ich gerne auch wieder machen" ertönte es plötzlich vor mir. Ich sah hoch und da waren sie – die schokoladenbraunen Augen, leicht verhangen und spitzbübisch blitzend. „Ich hoffe, du hast heute noch nichts vor – ich würde dich gerne auf das Stadtfest entführen."

Stumm sah ich ihn an. In meinem Gehirn ratterte es. Sollte ich wütend sein, weil er die ganze Woche kaum mit mir geredet hatte? Hatte ich ein Anrecht darauf? Wir waren beide ungebunden und es war ja nicht so, dass er sich mit anderen vergnügt hatte. Ich runzelte die Stirn. Zumindest hoffte ich das. Kilian setzte sich mir gegenüber und fing nach kurzer Zeit an auf seinem Stuhl unruhig hin und her zu rutschen „ich weiß, dass ich letzte Woche nicht so viel Zeit für Privates hatte. Aktuell ist alles etwas viel mit dem Haus und der Gruppe und anderen Gruppen, aber das sollte jetzt geklärt sein. Bitte, ich würde gerne mehr Zeit mit dir verbringen – so lange es möglich ist." Er lächelte mich an.

Ich musterte sein Gesicht und versank in seinen Augen. Hatte ich gerade das Gefühl, dass die Entscheidung schwierig sein würde? Mein Herz, das sich schon wieder beschleunigt hatte, machte ganz klare Ansagen und ließ mir keine Wahl. Schließlich nickte ich zustimmend. Die Erleichterung war Kilian deutlich anzusehen. Eigentlich wollte ich ihn nicht so nahe an mich ran lassen – doch bei dem Blick schmolz ich dahin.

***

Auf dem Stadtfest bestand Kilian darauf, dass wir alles fuhren, was uns in die Quere kam. Es gab eine kleine Achterbahn, Kettenkarussell, ein Geisterhaus und sich wahnsinnig schnell drehende Teile, bei denen man froh war, wenn man sein Essen bei sich behält. Kilian gewann für mich am Schießstand ein Kuscheltier und überzeugte mich davon den kleinen Wolf zu nehmen. In Erinnerung an unseren Besuch im Tierpark. Es war schön ihn so unbeschwert zu sehen. In der letzten Woche kam er mir manchmal etwas bedrückt und ernst vor, doch scheinbar hat sich das tatsächlich erledigt.

Es wurde langsam dunkel und wir hatten uns extra das Riesenrad bis zum Schluss aufgehoben. Die Schlange war zwar lang, aber dank der netten Gesellschaft verging die Zeit wie im Flug. Kilian überzeugte den Mann, dass wir eine Gondel für uns alleine bekamen und schon ging es hoch. Der Blick von oben, über die hell erleuchtete Stadt, war atemberaubend.

Kilian wechselte auf den Platz neben mir und legte eine Hand auf meine Wange. Schon spürte ich das mittlerweile bekannte Kribbeln, was sich von der Stelle im ganzen Körper ausbreitete. Er beugte sich runter und schnupperte zunächst an meinen Haaren. Ich wand mich unangenehm. „In deinen Duft könnte ich ertrinken" flüsterte er „wenn du wüsstest, was du mit mir machst. Ich kann es gar nicht erwarten, dich zu schmecken. Darf ich?" flüsterte er, während er Küsse von meinem Ohr bis zu meiner Lippe verteilte. Weil ich meiner Stimme nicht mehr traute, nickte ich leicht.

Das reichte ihm als Aufforderung und er stürzte sich auf meinen Mund. Nicht so sanft, wie das letzte Mal. Eher wie ein Verdurstender, der eine Quelle gefunden hatte. Seine eine Hand war in meinen Haaren vergraben – zum Glück, ansonsten wäre mein Kopf von der Wucht nach hinten gekippt. Ein Feuerwerk explodierte in meinen Mund und breitete sich überall aus. Eine Gänsehaut überzog mich und ich erschauderte - allerdings nicht wegen der Kälte. Ich hörte ein Seufzen und merkte, dass ich es war, die das von sich gegeben hat. Es mischte sich zu seinem Stöhnen. Unsere Zungen führten einen Tanz auf der Dominanz und Unterwerfung. Ich parierte seine Stöße, aber hier merkte man, wer von uns der Erfahrene war. Was ich an Technik nicht konnte, versuchte ich durch Enthusiasmus wieder wett zu machen. Am liebsten wäre ich in ihn hereingekrochen. Ich war gerade dabei, zu ihm auf den Schoß zu klettern.

„Die Fahrt ist zu Ende, ihr Turteltäubchen" ertönte plötzlich eine Stimme, die mich zusammen fahren ließ. Ein Mann stand an der offenen Gondeltür und deutete eine Verbeugung mit einer Handbewegung an, die uns zum Aussteigen aufforderte. Ich wurde knallrot. Wie peinlich war das denn? Ich hatte vollkommen vergessen, dass wir hier in der Öffentlichkeit waren. Wenn die Fahrt noch länger gedauert hätte... Das wollte ich mir gar nicht ausmalen.

Kilian nahm mich an der Hand und wir gingen auf den Platz. Nachdem wir ein paar Schritte gegangen waren, fing er aus vollem Halse an zu lachen. Da konnte ich mich nicht mehr bremsen und fiel mit ein, bis wir beide außer Atem waren. Er hielt mich in den Arm und kam mit den Lippen an mein Ohr. Er kam aus dem Grinsen gar nicht mehr raus „ich würde gerne zu Hause genau da weiter machen. Bist du dabei?" Ob ich dabei war? Ich verstand genau, was er meinte. Unentschlossen kaute ich auf meiner Lippe herum. Ich schaute in die schokoladenbraunen Augen, die meine Lippen fixierten. Und auf einmal war die Entscheidung ganz einfach. Und so machten wir uns auf, um auf den schnellsten Weg zurück zu kommen.

Im Haus angekommen, nahm mich Kilian an die Hand und wir gingen in sein Zimmer. Er hatte eines für sich – das kam uns jetzt sehr gelegen.

Unsere Lippen fanden sich und die Küsse wurden immer leidenschaftlicher. Ich stand mit dem Rücken zur Tür. Kilians Hände wanderten über meine Arme, an meinen Seiten entlang und stahlen sich unter meine Bluse. Sobald sie auf die zarte Haut darunter trafen, ging ein Kribbeln durch meinen ganzen Körper und ich sog Luft ein. Das nutzte Kilian aus, um mit der Zunge noch tiefer in meinen Mund vorzudringen.

Meine Hände vergruben sich in seinen kastanienbraunen Haaren. Zwischen unsere Lippenpaare passte kein Blatt Papier mehr und mein Blut rann heiß und laut durch meine Adern. Mein Herz setzte immer mal wieder aus, um dann in der doppelten Geschwindigkeit weiter zu schlagen. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass wir uns nicht nah genug waren.

Langsam lösten wir uns voneinander und ich konnte nicht verhindern, dass ich leise wimmerte. Lächelnd zog mich Kilian mit auf das Bett – auf den Weg dorthin streiften wir uns noch schnell die Schuhe ab. Er stützte sich mit den Armen über mir auf und nahm erneut meinen Mund in Besitz. Immer drängender wurden seine Küsse, bis wir beide um Atem rangen.

„Maja" murmelte er in mein Ohr. „Was machst du nur mit mir? Du verhext mich." Ich konnte nicht antworten, sondern streichelte ihn stattdessen. Meine Hände wanderten unter sein T-Shirt und meine Finger erkundeten die gut definierten Muskeln darunter. „Wenn wir jetzt nicht aufhören, kann ich für nichts garantieren. Ich weiß nicht, ob ich mich dann noch zurück halten kann" warnte Kilian mich leise. „Ich will gar nicht, dass du dich zurück hältst" flüsterte ich in sein Ohr.

Von Wölfen beschütztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt