2. März, Montag

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„Geht es?" Onkel Steven legte seine Hand um meinen Oberarm und half mir aufrecht zu gehen. Mir war die Erschöpfung sehr deutlich anzusehen, was viele fragende Blicke in meine Richtung lenkte. Dass ich nur kleine Schritte ging, blass war und Hilfe benötigte, blieb bei niemandem verborgen. Selbst Fremde waren an dem kranken Mädchen interessiert, das aus dem Krankenhaus spazierte.

„Muss es doch irgendwie", murmelte ich niedergeschlagen. Da war man von morgens bis zum späten Nachmittag im Krankenhaus, wurde von einem Arzt zum nächsten geschickt und ließ etliche Untersuchungen über sich ergehen, um doch keine guten Nachrichten zu hören. Kein Befund, das war es, was ich mir dauernd anhören durfte. Niemand konnte mir mitteilen, dass etwas gefunden worden war und man dagegen angehen konnte. Keiner konnte die Krankheit stoppen.

Immerhin hatte ich eine Ärztin zugewiesen bekommen, die sich in den nächsten Monaten um mich kümmern würde. Sie hatte sich freiwillig bereiterklärt, meinen dramatischen Fall gemeinsam mit Dr. Jun zu übernehmen. Eine sympathische Ärztin, die schon viel mit meinem deutschen Arzt gesprochen hatte.

Sobald ich mit Stevens Hilfe in seinem SUV saß, holte ich mein Handy aus meinem Rucksack. Ich hatte Nathan versprochen, mich bei ihm zu melden, sobald ich wissen würde, wann ich zuhause war. Sehen wollte ich nicht unbedingt jemanden. Man würde Fragen zu meiner Verfassung stellen, die ich nicht beantworten konnte. Was hätte ich auch sagen sollen? Das Krankenhaus auf der anderen Flussseite hatte mir Blut abgezapft, andere Flüssigkeiten gesammelt und mich unzähligen Tests mit allerlei Maschinen unterzogen? Da würde jeder wissen, dass ich krank war. Sehr krank.

Leonie: Ich bin jetzt auf dem Heimweg. Glaube nicht, dass man mit mir heute noch viel anfangen kann.

Nathan: Hast du trotzdem Zeit für mich? Ich möchte dir von den Wohnungen erzählen.

Ich musste unwillkürlich lächeln, das von meinem Onkel nicht unbemerkt blieb.

„Schreibst du mit Nathan?", fragte er nach, während er sich anschnallte.

„Ja. Er kommt gleich auch." Meine Antwort schickte ich Nathan, dann legte ich das Handy zurück in die Tasche des Rucksacks und diesen stellte ich zwischen meine Füße. „Hoffentlich nimmt er es mir nicht übel, dass ich so fertig bin."

„Ich glaube, er freut sich schon, wenn er mit dir bloß die Sterne ansehen kann." Noch immer lächelte Steven und fuhr die kurze Strecke zurück. Ich war froh, dass wir das Auto genommen hatten. Am Morgen hatte ich noch laufen wollen, doch jetzt war ich erleichtert nicht mehr gehen zu müssen. Meine Beine würden mich vermutlich nur noch in mein Zimmer tragen. Mehr würde ich nicht schaffen.

„Denkst du? Das ist doch langweilig. Also, für andere. Nicht für mich."

„Frag ihn. Er ist so oft in deinem Zimmer, Nathan weiß bestimmt, dass du die Sterne magst."

„Ist auch nicht zu übersehen", antwortete ich lachend. Keine fünf Minuten brauchten wir bis nach Hause. Mir blieben nur wenige Minuten, um die letzten Stunden in mir zu vergraben und niemanden sehen zu lassen, wie zermürbend die Testergebnisse gewesen waren. Ich war mir sicher, Nathan war schon da und wartete in meinem Zimmer auf mich. Also durfte ich nicht weinen und zeigen, wie enttäuscht ich war.

Ständig diese negativen Ergebnisse. Nie kam etwas gutes dabei raus und heiterte mich auf. Keiner sagte mir, dass es mir gut ging. Niemand verlängerte mein Leben. Es blieb weiterhin kurz und ließ keinen Spielraum für Träume und Wünsche.

„Kleines, geht es dir wirklich gut?" Onkel Steven legte seine große Hand über meine Faust, die auf meinem Bein lag.

„So gut es einer Totgeweihten eben gehen kann", erwiderte ich und lächelte schief, das gleich wieder verloren ging. „Ist es nicht seltsam, dass ich diese Krankheit in mir trage und es absolut nichts zu ihr gibt? Wo ist sie hergekommen? Was ist ihr Auslöser? Nicht mal Krebs ist so scheiße wie das hier."

Das Ende steht in den Sternen *PAUSIERT*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt