26. März, Donnerstag

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„Hast du Ärger mit deinem Chef?", fragte Adam, sobald Nathan wieder zu uns aufschloss. Ich tat unbeteiligt, betrachtete das Schaufenster, hörte dennoch mit einem Ohr zu. Wenn Nathan nach vier Tagen Ärger bekommen hatte, dann war das meine Schuld. Er hatte für mich freigenommen, Anrufe von der Arbeit ignoriert und nicht erfahren, ob sein Urlaub genehmigt war.

„Nicht der Rede wert", hörte ich Nathan antworten. „Entweder kündigt der mich jetzt oder fängt sich wieder. Ist mir beides egal. Meine Prioritäten sind gelegt."

Ich sah mir Sandalen an, die für einen dreistelligen Preis angeboten wurden. Die Riemen waren in meinen Augen absolut grottig und das wenige Fell darauf gab dem keinen Deut Schönheit. Wie man sich sowas kaufen und tragen konnte, verstand ich nicht.

„Verstehe", erwiderte Adam schlicht und stellte sich zu mir. „Du siehst dir nicht ernsthaft diese widerlichen Felldinger an."

„Doch." Mit gekräuselter Stirn suchte ich nach etwas, was an den Sandalen schön war, doch nichts stach mir in die Augen. Ich ignorierte den schnellen Herzschlag in meiner Brust, den Adams Anwesenheit auslöste. Es war nicht dasselbe wie bei Nathan, aber Adams Wirkung war stark. Er hinterließ Verwirrung und Chaos in meinem Kopf. Das lag sicherlich an den letzten Tagen, die wir unentwegt zusammen waren. Ich hatte sogar zwei Nächte in seinem Zimmer geschlafen. Adam, Nathan und ich hatten in Adams Bett geschlafen, ich zwischen ihnen. Beide hatten mich die ganze Nacht festgehalten, unheimlich viel Wärme ausgestrahlt und mich damit um meinen Schlaf gebracht. Aber es war schön gewesen. Ich liebte es bei ihnen zu sein.

„Soll ich sie dir kaufen?", fragte Nathan grinsend nach. Sein Arm legte sich um meine Hüfte, symbolisierte all den Leuten, dass ich seine Freundin war. Es war schön. In seiner Nähe schienen mir Flügel zu wachsen und mich leichtfüßig neben ihm hergehen zu lassen. Mit ihm war jeder Schritt sehr einfach. Anderen in die Gesichter zu blicken, mit jemandem zu reden, gelang mir durch ihn viel besser.

Adam und Nathan erleichterten mir das Leben, rissen meine Mauern ein und holten das Mädchen nach außen, welches in mir steckte. Sie suchten nach dem Sonnenschein, das ich einst gewesen war. Auf so vielen Bildern, die wir seit Montag gemacht hatten, lachte ich und zeigte, wie glücklich ich mit ihnen war. Dank ihnen wirkte meine Fotowand lebendiger.

„Bitte nicht", gab ich zurück und verzog das Gesicht. Beide Männer lachten.

„Was ist mit denen?", wollte Adam wissen und zeigte auf ein paar offene Schuhe mit Absatz. Sie waren schlicht in schwarz gehalten, was mir gefiel. Vor dem neuen Ausbruch der Krankheit hatte ich durchaus ein paar mal Schuhe mit Absätzen getragen, welche nun bei meinen Eltern ungenutzt im Schuhschrank lagen. Früher hatte ich es gemocht, wenn ich größer war. Vor allem, wenn ich damit meinen Vater aufziehen konnte, denn er war dann wenige Zentimeter kleiner gewesen.

Jetzt konnte ich keine Absätze mehr an meinen Schuhen tragen. Zu groß war die Gefahr, dass ich einen Anfall bekam und umknickte, mir dabei etwas brach. Einen Bruch hatte ich mir zwar nicht zugezogen, aber ich wusste, wie so ein Sturz sich anfühlte. Die Prellungen waren über ein paar Wochen schmerzhaft gewesen.

„Keine Chance. Nur flache Schuhe", wehrte ich ab und windete mich aus Nathans Arm, um die Straße weiter entlangzugehen. Brisbane war groß. Hier traf man etliche Menschen und die vielen Gebäude ragten über einem. Sie waren genügend Schatten, damit man in der Sonne nicht verbrutzelte, dennoch gefiel mir die Touristenstadt Sunshine Coast besser. Sunshine Coast war lebendig, doch hier in Brisbane wirkte alles noch lauter, stressiger und unruhiger.

Um die nächste Straßenecke stand ein Musiker, der auf einer Gitarre spielte und dazu sang. Ich blieb zwischen ein paar weiteren Personen stehen und lauschte seinem Gesang. Mit meinem Handy nahm ich ein Video auf, das ich meinen Eltern zukommen lassen wollte. Ein paar Erinnerungen. Alles, was ich mit Nathan und Adam bisher erlebt hatte, lag bei meinen Eltern im Emailfach. Es war wie ein Tagebucheintrag, den ich ihnen die ganze Woche schon schickte. Sie sollten sich keine Sorgen machen und ihre Zweisamkeit genießen, die letzten wenigen Wochen, bevor mein Bruder zur Welt kam.

Das Ende steht in den Sternen *PAUSIERT*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt