Leo hätte Schauspielerin werden können. Es war unfassbar, wie schnell sie ihre Maske wechselte und von Tränen zu einem Lächeln hinüberging. Sie achtete sehr darauf, dass niemand hinter ihre Fassade blickte und herausfand, was sie in Wirklichkeit fühlte oder dachte, aber ihr war auch bewusst, dass ich sie lesen konnte. Vielleicht verlor sie deshalb das Lächeln, wenn sie in meinem Pickup saß.
Als wir zu der Wohnung gefahren waren, hatte sie bereits ihr Lächeln verschwinden lassen, um es wieder aufzusetzen, sobald sie die Tür geöffnet hatte. Leo war gegenüber der Maklerin freundlich gewesen, hatte mit ihr gelacht und war auf deren Witze eingegangen. Sie hatte so getan, als wäre sie vor wenigen Stunden nicht noch zusammengebrochen.
Aber sie hatte das Lächeln wieder abgelegt, kaum dass die Maklerin uns den Rücken gekehrt und gegangen war. Sobald wir unter uns waren, schien Leo ihre Maske nicht aufrechthalten zu wollen, jedoch wollte sie auch nicht mit mir über ihre Gedanken sprechen. Sie blockte jeden meiner Versuche ab, stellte Gegenfragen und wechselte geschickt das Thema.
Mir war aufgefallen, wie sie ihre Hände auf ihren Schoß drückte und zu Fäusten ballte. Sie war angespannt, mied jede Berührung und mittlerweile glaubte ich, dass sie ihre Hände versteckte. Irgendwie war das komisch, denn gestern noch hatte sie meine Hand gehalten und mir die Pinselführung gezeigt. Es war ein kleiner Malkurs gewesen, den sie mir gegeben hatte, doch das heutige Bild hatte sie stehen und liegen lassen. Das hatte sie nicht einmal zu ende gemalt, was absolut untypisch für sie war.
In ihrem Zimmer standen immer irgendwelche Leinwände, die noch von ihr angemalt werden mussten. Birgit und Steven kauften ihr immerzu neue. Was war heute bloß geschehen, dass sie ihr neues Bild nicht einmal mehr angesehen hatte? Sie hatte ihre Farben nicht weggeräumt oder die Farbe von der Palette gewaschen. Ich verstand das nicht.
„Alles in Ordnung?", fragte ich sie.
„Ja."
Ich sah kurz zu ihr hinüber. Leo mied jeden Blick zu mir und starrte aus dem Fenster der Beifahrertür, sodass ich nicht einmal ihr Gesicht richtig sehen konnte. Sie trug diese verfluchte Regenwolke mit sich. Von dem früheren Sonnenschein war nichts mehr übrig. Absolut gar nichts mehr. Adam hatte mir dauernd erzählt, wie sehr Leo gestrahlt hatte, wenn sie zusammen gewesen waren. Die beiden waren ein Herz und eine Seele gewesen, hatten so viel erlebt, obwohl sie sich nur in den Ferien gesehen hatten und nicht einmal dann hatten beide zum selben Zeitpunkt Ferien gehabt. Oft genug hatte Leo zur Schule gehen müssen und Adam war bis zum Mittag allein geblieben.
Auf all den Familienfotos sahen die beiden glücklich aus. Leo und Adam hatten als Kinder schon ein schönes Paar abgeben, was jetzt nicht anders war. Mich nervte das tatsächlich. Meine Emotionen musste ich tief in mir vergraben, damit Leo und Adam nicht bemerkten, wie sehr mich deren Anblick störte. Wie sie sich vorhin umarmt hatten, da wusste ich, sie würden zueinander finden. Sie waren füreinander bestimmt, hatten ihre Liebe für den anderen nicht verloren. Mit ein bisschen Zeit würde Adam sicherlich Miranda verlassen und den Schritt auf Leo zugehen, ganz gleich, ob sie Cousin und Cousinen waren. Letztlich durften Cousin und Cousinen ein Paar sein. Das war nicht verboten.
Ich verzog das Gesicht und wartete, bis die Ampel umgeschaltet hatte.
Würde Adam mir wirklich in die Quere kommen? Er wusste, dass ich für Leo Gefühle entwickelte und man durchaus von Verliebtheit sprechen konnte. Wir hatten das ausdiskutiert, damit ich seinen Segen erhielt und es versuchen konnte. Ich wollte mit Leo zusammen sein. Seit Wochen hielt ich mich in ihrer Nähe auf und ging dafür meinen Freunden aus dem Weg, die ständig Nachrichten schrieben oder über Adam fragten, wo ich denn war.
Für mich gab es zur Zeit nur die Arbeit und Leo, die ich in alles einband.
„Wann ist die nächste Besichtigung?", fragte Leo aus dem Nichts.
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Das Ende steht in den Sternen *PAUSIERT*
RomantizmBIS AUF UNBESTIMMTE ZEIT PAUSIERT Leonie hat vor zehn Jahren wie durch ein Wunder überlebt. Nun ist die unbekannte Krankheit zurück und sie steht dem Tod einmal mehr gegenüber. - Mit neun Jahren hat Leonie den Kontakt zu ihrem Cousin in Australien...