26. Juni, Dienstag

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Ich verlor nach dem ersten Mal noch ganze fünf weitere Male mein Bewusstsein, übergab mich und erinnerte mich vage, wie man mich aus dem Bett gehoben und gewaschen hatte, während es neu überzogen worden war. Fünf Mal hatte ich kastanienbraune Augen gesehen und etwas auf mein Gesicht fallen gespürt. Ich hatte einen spürbaren Druck an meiner Hand gefühlt, doch ihn nicht erwidern können.

Auch dieses Mal erbrach ich mich, während man mir eine Nierenschale hinhielt. Man tupfte den Schweiß von meinem Gesicht, half mir ein paar Schlucke Wasser zu trinken und mich zurück in das große Kissen zu legen. Ich hörte das vertraute Piepen des Computers, das meinen Herzschlag permanent aufnahm. Viel zu häufig hatte ich in der Vergangenheit mitbekommen, wie mein Herz seinen Takt verloren und der Schmerz eingesetzt hatte.

Ich hasste Krankenhäuser.

Meine Augen waren nach vorne gerichtet. Der Schleier in meinem Kopf lichtete sich Stück für Stück und ich erinnerte mich an meinen Traum sowie an meine Worte gegenüber meiner Großmutter. Für einige Sekunden verlor ich mich an ihren liebevollen Gesichtsausdruck und ihren letzten Worten.

Du bist stark, Leonie. Gib nicht auf.

Ich fragte mich, ob ich gestorben wäre, hätte ich mich nicht gegen meine Großmutter gestellt und ihr entschlossen gesagt, dass ich nicht bereit war, ihr zu folgen und zu einem Stern zu werden. Möglicherweise hatte dieser Traum eine größere Bedeutung und ich wäre nicht aufgewacht, hätte ich andere Worte benutzt.

Man berührte mich. Ich sah die Hand auf meinem Schienenbein, konnte sie jedoch nicht fühlen, was mich unweigerlich auf den Schaden hinwies, den der letzte Anfall hinterlassen hatte. Meine Beine hatten ihre Funktion erneut verloren.

Der Nebel in meinem Kopf verschwand in der Sekunde, in der mir das bewusst wurde. In mir keimte Wut. Ich wollte laufen. Ich wollte weiter mit allen Australien erkunden. Ich wollte den Sand an meinen Füßen spüren. Ich wollte mit meinen Freunden rennen.

Tränen stiegen in mir auf und ich hob meine geballten Hände. „Na los", presste ich hervor, hörte die Schwäche in meiner Stimme und schlug auf meine Oberschenkel. Wieder und wieder, bis man meine Handgelenke umfasste und mich stoppte. Bis man sich über mich beugte und gerötete, kastanienbraune Augen meine einfingen.

„Es ist mir scheißegal, ob du sie bewegen kannst", lauteten seine ersten Worte, die die Tränen über meine Wangen rinnen ließen. Er weinte prompt mit mir.

Von seinen Augen war die Liebe abzulesen, die ich erst durch ihn kennengelernt hatte. Ich sah das Leid, das er schon sehr viel länger empfand und durch den letzten Anfall stärker geworden war. Aber es hatte ihn nicht von mir ferngehalten. Er war hier. Vermutlich war er mir nicht von der Seite gewichen und hatte an meinem Bett geschlafen.

Nathan lockerte seinen Griff, bis er seine Hände gänzlich entfernte und sich an meine Brust schmiegte. Er schob seine Arme unter meinen Rücken, klammerte sich an mich. Ich spürte sein Beben, hörte ihn schniefen und zittrig atmen.

Seine Verzweiflung war unübersehbar und ließ mich erahnen, dass ich sehr viel länger ohne Bewusstsein gewesen war.

Ich legte die Arme um seinen Kopf und vergrub das Gesicht in sein Haar, atmete seinen vertrauten Duft ein. Es war mir egal, dass um mich herum noch so viel mehr Familie und Freunde saßen oder standen und sie weinten. Mein Fokus ruhte auf Nathan. Einzig auf ihn, der mir seit unserer ersten Begegnung bewies, dass ich ihm alles bedeutete und er für mich über seine eigenen Grenzen ging, um bei mir sein zu können. Er zeigte, wie sehr er mich liebte und er stets vor und nicht hinter mir stand. Bei Nathan fühlte ich, dass ich sein Mittelpunkt war.

„Wäre das nicht mit so viel Traurigkeit verbunden, könnte das das Schönste sein, was ich je bei Jackson gesehen habe", erklang es. Ein Lächeln war herauszuhören.

Das Ende steht in den Sternen *PAUSIERT*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt