2. April, Donnerstag

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Meine Beine gaben nach und ich fiel auf die Knie. Tränen traten gleich wieder an die Oberfläche und benetzten meine Wangen. Schon wieder schaffte ich es nicht, an der ganzen Länge des Gehbarren zu gehen. Wieder versagten meine Beine.

Ich ballte die Hände zu Fäusten, schlug sie verzweifelt auf den Boden. Warum nur? Warum kam das Gefühl nicht schneller zurück? Früher war das anders gewesen. Der erste Ausbruch der Krankheit war anders verlaufen und hatte mir mehr Zeit gegeben. Über Jahre hatte ich mit der Krankheit gekämpft, während sie jetzt seit erst einem Jahr zurück war.

Ich erinnerte mich gut an damals, wie mich die stärkeren Anfälle meine Beine gekostet hatten. Wie ich das Laufen für ein paar Tage verlernt hatte. Es hatte nur ein paar wenige Tage gedauert, dann war das Gefühl zurück gewesen. Ich war wieder gelaufen.

Jetzt war das Gefühl immer noch nicht ganz da. Das Laufen fiel mir wesentlich schwerer und der Rollstuhl war fester Bestandteil geworden.

Ein Mann kam zu mir, der mich bei meiner Reha unterstützte und täglich Zeit mit mir verbrachte, damit das Gefühl in meinen Beinen zurückkehrte. Dass es zurückkam, dessen war man sich sicher. Ich wusste es selbst. Trotzdem fühlte sich jeder Sturz wie ein Versagen an und nahm mir ein wenig Hoffnung.

Dass ich so niedergeschlagen war, lag nicht einzig an meiner gesundheitlichen Verfassung. Birgit hatte mein Handy in die Klinik gebracht, sodass ich Kontakt zu meinen Eltern haben konnte, doch niemand sonst hatte seither eine Nachricht von mir erhalten. Steven und Birgit schrieben mir einmal täglich. Adam und Nathan versuchten es mit Anrufen und Nachrichten. Keiner von ihnen war je zu mir durchgekommen und hatte ein Lebenszeichen von mir bekommen. Sie wussten, dass ich lebte, aber mehr nicht. Ich hatte die Ärztin gezwungen, niemandem etwas zu erzählen.

„Das reicht für heute", verkündete der Mann, sobald er mich in den Rollstuhl gesetzt hatte. „Soll ich dir eine Schwester rufen, damit sie dich in dein Zimmer bringt?"

Meine Finger krallten sich in meine Stoffhose. Ich wollte keine Hilfe, wollte nicht so erbärmlich und hilflos wirken, aber was für eine Wahl hatte ich schon? Also nickte ich schweigend, hielt den Blick auf meine zitternden Hände gerichtet und presste die Lippen zusammen. Die Hilflosigkeit machte mich wahnsinnig. Die Einsamkeit war noch schlimmer.

Gott, ich wollte Nathan so sehr wiedersehen. Ich wollte seine Stimme hören, von ihm berührt werden. Er fehlte mir ungemein.

Nathan hatte einen kleinen Blumenstrauß für mich abgegeben. Eine Schwester hatte mir diesen vorgestern in das Zimmer gebracht und mir gesagt, dass sie von dem jungen Mann kam, der seit meiner Einlieferung nicht von meiner Seite gewichen war. Ich wusste von den Schwestern, dass Nathan täglich zur Klinik kam und fragte, ob er mich besuchen dürfte. Er versuchte es immer wieder.

Was war ich nur für eine miserable Freundin, dass ich ihn derart von mir stieß, obwohl er die Krankheit mit mir gemeinsam bekämpfen wollte. Er wollte für mich da sein, mich an schlechten Tagen auffangen und mein Lächeln bewahren. Nathan hatte diese Trennung nicht gewollt, die ich erzwungen hatte.

„Wie weit bist du heute gekommen?", fragte die Krankenschwester, kaum dass sie an mich herangetreten war.

„Die Hälfte", murmelte ich wenig erfreut.

„Sei nicht so negativ, Leonie." Sie ging vor mir in die Hocke, damit wir einander ansahen. Ein aufmunterndes Lächeln ruhte auf ihren Lippen. „Es wird jeden Tag besser. Bald wirst du wieder laufen und nach Hause gehen können."

Ava war eine Frau mittleren Alters. Bei ihrem strahlenden Lächeln, das ich jeden Tag zu Gesicht bekam, glaubte ich, dass sie nur Gutes in ihrem Leben erlebt hatte. Sie war jemand, die positive Energie verteilte und andere damit erreichen wollte. Mich hatte sie nicht aufgeben, versuchte es immer wieder, dabei hatte ich seit dem Versagen meiner Beine kaum gesprochen und kein einziges Lächeln gezeigt. Ich war die Negativität in Person geworden.

Das Ende steht in den Sternen *PAUSIERT*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt