Im Rollstuhl zu sitzen und sich schieben zu lassen, war das letzte, was ich wollte. Mir fehlte meine Selbstständigkeit. Viel lieber entschied ich, auf welche Weise ich zu meinem Ziel gelangte. Sowas sollten nicht andere für mich übernehmen. Und doch war es das, was zur Realität wurde. Solange meine Beine ihre Arbeit nicht aufnahmen, wovon momentan nicht einmal ausgegangen wurde, da kein Gefühl zurückgekommen war, würde ich auf andere und dem Rollstuhl angewiesen sein.
Während meine Mutter mich an eine Parkbank platzierte, um sich ebenfalls setzen zu können, fühlte ich mich in die Vergangenheit versetzt. Es war ein anderer Ort, doch schon vor zehn Jahren hatte sie mich durch die Gegend geschoben. Sie hatte ihre Arbeit aufgegeben, um für mich da sein und mich bei der Genesung unterstützen zu können. Meine Mutter hatte ihr gesamtes Leben für mich aufgegeben.
Eine Wiederholung wollte ich nicht.
Ich betrachtete meine Mutter, die in ihrer Tasche wühlte und trotz der Situation ein Lächeln auf den Lippen trug. Etwas, was sich niemals ändern würde. Ganz gleich, wie schlecht es mir je gegangen war, sie hatte sich ein Lächeln für mich aufgezwungen. Für mich war sie stark geblieben, hatte gekämpft und all den Verantwortlichen Dampf unter dem Hintern gemacht, damit man mir half. Mit ihr war Gerd in den Krieg gezogen. Beide hatten alles für mich getan, um mein Leben zu retten.
„Du musst das nicht mehr machen, Mama."
Sie hielt inne und sah mich verwundert an.
„Stark sein. Ich bin nicht mehr neun oder zehn."
„Ach, Leonie. Ich werde mein ganzes Leben für dich stark sein und für dich oder mit dir kämpfen", entgegnete sie mit diesem liebevollen Lächeln, das mich jedes Mal eine tiefe Zuneigung für sie empfinden ließ. Hinter diesem Lächeln hatte ich nie die Sorge um mich erkennen können. Als Mutter wusste sie, wie sie die negativen Gefühle versteckt halten konnte. Gleichzeitig ließ sie mich erkennen, wie sehr sie ihr Kind liebte.
„Ich bin jetzt alt genug", begann ich und wurde von ihrer Hand unterbrochen, die sie mir auf mein Bein legte.
„Du kannst nicht alt genug sein. Wenn du erst Mutter bist, wirst du verstehen, dass man sein Leben mit Sorgen um das eigene Kind verbringt." Ihre Augen leuchteten, als würde sie sich an etwas erinnern. Das Lächeln folgte, hatte etwas Amüsantes. „Als du das erste Mal bei Letizia geschlafen hast, habe ich viermal bei ihrer Mutter angerufen und mich vergewissert, dass es dir gut geht. Ich möchte das am liebsten jetzt noch machen."
An die Übernachtungen bei Letizia erinnerte ich mich nicht mehr. So einige Erinnerungen hatte ich vergessen, während das erste Mal, als sie mich ein Monster betitelt hatte, in mir gespeichert war, als wäre es gestern passiert. Viele schlechte Momente saßen in mir fest und wurden langsam von den Erlebnissen mit Nathan, Adam, Olivia und Brandon ersetzt. Stück für Stück ließen sie die schlechten Gefühle verschwinden und ersetzten sie durch positive Erlebnisse.
Aber meine Mutter von solch belanglosen Augenblicken erzählen zu hören, tat gut. Es waren positive Momente, etwas, woran wir festhalten konnten, damit meine aktuelle Situation nicht über uns einbrach und wir einsackten.
„Du warst also eine Übermutter", stellte ich belustigt fest.
Sie lachte, was früher, als die Krankheit das erste Mal ausgebrochen war, das Schönste am Tag gewesen war. Ich hörte sie gerne lachen. Noch mehr mochte ich, wenn die Fältchen dann an ihren Augen zur Geltung kamen oder ihre Augen schimmerten. Es hatte jeden Tag gerettet. Ihr Lachen war mein Anker gewesen, hatte mich weitermachen lassen und mich daran erinnert, dass ich sie noch viel öfter lachen hören wollte.
Das hatte sich bis heute nicht geändert.
„Und was für eine", pflichtete sie mir amüsiert bei. Sie erzählte von meiner Brotdose für den Kindergarten, die sie bewusst mit sehr vielen Vitaminen gefüllt hatte. Gleichzeitig hatte sie täglich bei den Erzieherinnen nachgefragt, ob es irgendwelche Probleme oder Auffälligkeiten gegeben hatte. Meine Mutter hatte mich nie den ganzen Tag dort gelassen, weil sie nicht wollte, dass ich mich einsam fühlte, wenn ich das letzte Kind war. Sie hatte nicht gewollt, dass ich je das Gefühl der Einsamkeit kennenlernte.
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Das Ende steht in den Sternen *PAUSIERT*
Любовные романыBIS AUF UNBESTIMMTE ZEIT PAUSIERT Leonie hat vor zehn Jahren wie durch ein Wunder überlebt. Nun ist die unbekannte Krankheit zurück und sie steht dem Tod einmal mehr gegenüber. - Mit neun Jahren hat Leonie den Kontakt zu ihrem Cousin in Australien...