-

286 23 1
                                    

„Du willst ihn sehen, oder? Dann komm heute Nachmittag zum Strand."

Nach diesen Worten war Nathan gegangen und hatte mich allein gelassen. Er war in sein Zimmer gegangen, hatte sich hingelegt. Dass er am Morgen überhaupt wach gewesen war, lag zum einen an seiner Nachtschicht und zum anderen an meinem Gespräch mit meinen Eltern. Anscheinend hatte er eine Weile zugehört, obwohl er kein Wort verstanden hatte, aber aus dem Gespräch hatte er meine Emotionen herausgehört. Einzig die Tonlagen hatten verraten, wie es mir ging und wie gut mir das Gespräch mit meinen Eltern getan hatte.

Es war eigenartig, wie gut ich mich fühlte, seit Nathan mir von dem Foto in Adams Portemonnaie erzählt hatte. Er hatte mich damit aufgebaut, obwohl das lediglich Raum für Interpretationen ließ. Ich konnte nicht mit Sicherheit behaupten, dass Adam an mir hing und noch etwas für mich empfand. Vielleicht hing er an en Erinnerungen und bewahrte diese, doch nach all den Jahren wollte er mit mir nichts mehr zu tun haben. Möglich war es.

Aber ich wollte hoffen. So sehr.

Ich hatte Adam und seine Freunde bereits entdeckt. Deren Gruppe war noch größer und lauter geworden. Sie hatten mehrere Kühlboxen dabei, tranken Alkohol und hörten Musik über eine Box. Es war ein Bild, das in mir Neid weckte.

Letizia, unsere frühere Freundin, hatte auch ihren Freundeskreis. Sie ging auf Partys, hatte schon mehrere Jungen verführt und ging mit ihren Freundinnen shoppen. Wir hätten das zusammen erleben sollen, doch sie hatte mich von sich gestoßen, kaum dass sie über meine Krankheit Bescheid wusste. Selbst mit ihren damaligen neun Jahren hatte sie sich mir gegenüber wahrlich widerlich verhalten und mich bis zuletzt gedemütigt.

Ich wollte doch auch nur ein, zwei Freundinnen haben und mit ihnen etwas erleben. Ich war kein Monster, nur krank. Wenn Letizia mich so verächtlich behandelt hatte, würde es Adam auch machen. Das war es, was ich immer gedacht hatte. Dies war mein Grund gewesen, weshalb er aus meinem Leben verschwinden musste, bevor er irgendwas erfuhr. Sein Lachen sollte meine Erinnerung an ihm bleiben.

Adams Lachen war nun für andere gedacht.

Meine Füße vergrub ich im Sand, legte einen Arm um meine Knie und bettete mein Kinn auf diesen. Ich wollte nicht, dass Adam sich beobachtet fühlte und deshalb noch böser auf mich war. Es war sein Leben, das mit Freunden, einer Freundin und Glück gefüllt war, während meines voll von Einsamkeit war. Wir lebten zwei grundverschiedene Leben.

Immer wieder nahm ich etwas Sand in eine Hand und ließ diesen langsam aus meinen Fingern rieseln. Es war so furchtbar langweilig. Niemand redete mit mir. Keiner wollte etwas mit mir zu tun haben. Ich wollte auch nicht jedes Mal ein Buch lesen oder auf einer Leinwand malen.

Natürlich liebte ich den Ausblick auf das Meer. Bei Sonnenschein glänzte die Oberfläche wie funkelnde Sterne. Daran würde ich mich nie sattsehen können.

„Ich habe erst gezweifelt, ob du wirklich kommst. Du hast dir Zeit gelassen." Nathan hockte sich schräg vor mich und grinste mich an. „Malst du heute gar nicht?"

„Nein."

„Dann können wir ja schwimmen gehen."

Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich sah verlegen zur Seite. Hier konnten wahrscheinlich alle schwimmen, während ich mir nicht mal sicher war, ob ich über der Oberfläche bleiben oder wie ein Stein untergehen würde. Außerdem besaß ich keinen Bikini oder Badeanzug. Wozu auch? Ich trug immer Shorts und Tops, so dass die sichtbaren Stellen braun wurden.

„Leo?"

„Ich kann nicht schwimmen", murmelte ich und zog die Beine noch enger an meinen Körper. Noch immer schaute ich zur Seite, um ihm nicht mein Gesicht zeigen zu müssen. Er sollte nicht sehen, wie peinlich mir das war. Mit Adam hatte ich das Schwimmen langsam erlernt. Dank ihm war ich für das Seepferdchen bereit gewesen, doch mehr hatte ich nicht erreicht. Ich würde nie mit Adam auf einem Surfbrett stehen, wie wir es uns früher vorgestellt hatten.

Das Ende steht in den Sternen *PAUSIERT*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt