Gleicher Tag - Leo

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Es tat weh.

Es tat verflucht nochmal weh.

Nathan und Olivia hatten mit ihren Worten meine Mauer zum Einstürzen gebracht und mich vor deren Freunden in Tränen ausbrechen lassen. Gott, das war so peinlich.

Aber es tat weh.

Nicht nur, dass Nathan durchschaut hatte, wie unwohl ich mich unter seinen Freunden fühlte. Es war einfach alles. Adams Worte, sein Handeln, mich mit zu seinen Freunden zu nehmen und deren Ignoranz. Nicht einmal mein Cousin hatte bemerkt, wie furchtbar die Situation für mich gewesen war. Ausgerechnet er!

Ich strich mir die nassen Strähnen aus dem Gesicht und schniefte. Mein Handy vibrierte seit einer gefühlten Ewigkeit ununterbrochen. Immer wieder rief man mich an. Ich wusste nicht mit Sicherheit, ob ich in die richtige Richtung lief und so nach Hause kam. Mir war es eigentlich egal, wohin ich lief. Hauptsache ich war allein und musste mich den Blicken nicht mehr aussetzen.

Keiner wusste, dass ich in Deutschland als Monster abgestempelt worden war und ich dadurch keine Freunde hatte, dennoch hatte ich das Gefühl gehabt, dass sie mich wie eine Feindin betrachteten. Sie hatten nichts mit mir zu tun haben wollen. Außer Brandon. Er hatte sich um mich gekümmert, mit mir geredet, aber sobald die anderen vor dem Restaurant dazu gekommen waren, hatte er seine Aufmerksamkeit auf diese gelegt.

Es war egal, was Nathan sagte, letztlich blieb mir nur er. Ich wollte mich nicht nochmal zu der Gruppe setzen. Niemanden von ihnen wollte ich nochmal begegnen. Sie sollten von mir fernbleiben, mich in Ruhe lassen. Man hatte mich genug mit Ignoranz bestraft.

Nur dass jene von meinem Cousin so viel schmerzvoller war. Früher hätte er mit einem einzigen Blick bemerkt, wie schlecht es mir ging und wie unwohl ich mich fühlte. Er wäre zu mir gekommen, hätte gefragt und wäre geblieben. Adam hätte mich nie in so eine Situation gesteckt, der ich mich allein stellen musste.

Zeiten ändern sich.

Als Kind war das sicher normal gewesen, dass er sich um mich gekümmert hatte. Jetzt waren wir erwachsen und mussten unsere Leben selbstständig auf die Reihe bekommen. Er hatte das geschafft, weil er immer ein normales Leben geführt hatte, aber ich ...

Ein Schluchzer entwich mir. Ich blieb an einer Hauswand gelehnt stehen und ging daran in die Hocke. Mein Gesicht vergrub ich unter meinen Händen. Es war mir egal, wie elendig ich dabei aussah. Wie kindisch diese Haltung war. Dass Adam mich mit der gleichen Ignoranz bestraft hatte, tat so weh. Den Schmerz hielt ich nicht aus, also weinte ich offen. Allein.

Immer wieder lief es darauf hinaus, dass ich allein war.

Ich hätte in Deutschland bleiben sollen, bei meinen Eltern. Dann wäre ich nicht allein.

Irgendwann hätten Steven und Birgit erfahren, dass ich an der unbekannten Krankheit gestorben wäre. Adam hätte es von seinen Eltern erfahren. Nathan von Adam. So wäre die Geschichte zu Ende gegangen, ohne dass ich Adam je wieder begegnet und dem Schmerz ausgesetzt wäre.

Ich wusste, es war reine Enttäuschung, dass Adam mich nicht beachtete. Als ich mich für den Umzug entschieden hatte, hatte ich all meine Hoffnung in das Wiedersehen gelegt und geglaubt, wir würden wieder wie früher zusammen sein. Wir würden gemeinsam lachen, herumalbern, Unsinn treiben und manchmal könnte ich neben ihm schlafen. Ich hatte an einer Illusion festgehalten, die mir bei meiner Ankunft bereits genommen worden war. Nun gab es für mich kein Zurück mehr und ich musste mit der Situation zurechtkommen.

„Nathan ...", hauchte ich weinend. Der einzige Lichtblick war Nathan. Ich wollte ihn sehen, ihn bei mir haben und mich in seine Arme flüchten. Im Restaurant hatte ich nicht in Tränen ausbrechen wollen, obwohl ich mir sicher war, dass Nathan mich auch dort getröstet hätte, aber jetzt war ich allein auf fremden Straßen und der einzige Freund war nicht bei mir.

Das Ende steht in den Sternen *PAUSIERT*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt