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Innerhalb weniger Wochen war mir die Öffentlichkeit unangenehm geworden. All die Gefühle aus Deutschland waren in mir geweckt worden und sorgten dafür, dass ich mich lieber in mein Zimmer verkroch und dort die Tage verbrachte, statt Australien weiterhin zu entdecken. Mit Adam und Nathan könnte ich mehr erleben. Olivia und Brandon waren gute Freunde geworden, die zu mir standen und nicht vor der Krankheit wegliefen.

Ich hatte positive Erfahrungen gemacht, dennoch war mir bewusst, dass es nicht so schön bleiben würde. Miranda hatte mich gefressen. Ihr letzter Blick, als sie bei Adam ihre Sachen abgeholt hatte, war hasserfüllt gewesen. Ich konnte die Verachtung in ihren Augen nicht vergessen. Sie hatte mir geschworen, dass ich bereuen würde, ihre Beziehung mit meinem Cousin zerstört zu haben.

Außerhalb des Hauses wollte ich mich partout nicht aufhalten. Olivia hatte zwar geschafft, dass ich kürzere Kleidung trug, doch dafür gab ich den Blick auf die Verbände frei. Mir entgingen die Augenpaare nicht, die in meine Richtung wanderten. Ich bemerkte, wie man die Köpfe zusammensteckte und über mich redete. Kinder hielten sich weniger zurück, wurden dafür von den Erwachsenen ermahnt.

Ich kannte das. Kannte die fragenden Blicke. Die Neugierde. Das Interesse. Am Anfang war es harmlos, doch sobald man wusste, dass ich todkrank war, ohne eine vernünftige Diagnose erhalten zu haben, änderte sich alles. Die Menschen würden Abstand halten, keinen Körperkontakt zulassen und jegliche Art von Kontakt meiden. Es würde kaum anders zu Deutschland werden, ganz gleich, wie Nathan, Adam, Brandon und Olivia darauf reagierten.

Nathan zog mich dichter an sich heran und gab mir einen Kuss auf den Kopf. Ein flüchtiger Blick in seine kastanienbraunen Augen reichte aus, damit ich seine Sorge erkannte. Er fragte mich still, ob alles in Ordnung war. Ich nickte schlicht, lächelte zaghaft.

Der Sand drückte sich zwischen meine Zehen. Jeder Schritt erinnerte mich, dass ich noch nicht meine ganze Kraft zurückerlangt hatte und mir das Gehen nach wie vor schwer fiel. Ich war froh, dass Nathan seinen Arm um meine Taille gelegt hatte und mir bewusst oder unbewusst Halt gab. Sobald der Sand ein wenig zur Seite gedrückt wurde, kämpfte ich mit dem Gleichgewicht. Meine Konzentration verlegte ich deshalb auf meine Schritte.

Im Haus war mir die Schwäche nicht aufgefallen. Der gerade Boden hatte mir einen sicheren Stand gegeben und mir das Laufen erleichtert. Am Strand fehlte das. Es war eine Herausforderung, die ich zu bewältigen hatte. Jetzt hatte ich meine Fähigkeit zu Laufen zurückerlangt, dann wollte ich sie nutzen. Ich wollte laufen solange es mir möglich war. Solange, bis der nächste stärkere Anfall mir erneut alles nehmen würde.

„Da ist Brandon", sagte Adam und zeigte den Strand weiter entlang. Ich folgte der Richtung und entdeckte meinen neugewonnenen Freund im Sand sitzen. Er hatte sein Shirt ausgezogen, eine Zigarette zwischen seinen Lippen, die zu einem Grinsen verzogen waren. Zwei weitere Personen saßen bei ihm, die ich vom Sehen kannte. Niemand, die relevant für mein Leben waren. Sie waren schlichtweg Freunde von meinen Freunden.

Sobald Brandon uns kommen sah, stand er auf und kam uns drei Schritte entgegen. Er umarmte Olivia und mich, gab Adam und Nathan einen Handschlag. Mit wenigen Worten ließ er uns wissen, dass Miranda nicht am Strand war und er vergessen hatte, Adam zu schreiben.

„Find's cool, dass du den Pulli weglässt", sagte er an mich gewandt.

„Olivia hat mich erpresst."

Die Genannte grinste dämlich und tat unschuldig. Dass sie in meinem Zimmer und mit einer Schere vor meiner Nase gefuchtelt hatte, dass sie meine Kleidung notfalls zerschneiden würde, wenn ich nicht freiwillig kürzere Sachen anziehe, erwähnte sie mit keiner Silbe. Sie hatte es nur gut gemeint, wollte, dass ich mit dem Versteckspiel aufhörte und zu dem stand, was ich nun einmal war – krank. In ihren Augen war es nicht schlimm, Verbände zu tragen und andere sehen zu lassen. Ihr war nicht bewusst, wie viele Fragen plötzliche Verbände aufkommen lassen würden. Dass man mich ausfragen würde. Es existierten bereits etliche Fragen zu meinem Verschwinden, weshalb ich nicht mehr zum Strand gekommen war oder man Nathan und Adam außerhalb des Hauses jedes Mal ohne mich angetroffen hatte.

Das Ende steht in den Sternen *PAUSIERT*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt