Gleicher Tag

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Nathan wich nicht von meiner Seite. Er hielt bei jeder Möglichkeit meine Hand und wartete neben mir. Immer. Über Stunden sah er zu, wie man verschiedene Untersuchungen bei mir durchführte und wir dazwischen ewig warten mussten, bis man Zeit fand. Die Wartezeiten zwischen den Untersuchungen waren die längsten, was mich schier wahnsinnig machte.

Ich wurde in eine Röhre gesteckt, bekam viel Blut abgenommen, der ganze Körper wurde angesehen. Es war Zufall, dass Nathan und ich am Morgen noch nicht gefrühstückt hatten, sodass man die Blutabnahme hatte durchführen können. Man ließ mich auf einem Laufband laufen, betrachtete mein Herz genauer und achtete auf jedes noch so kleine Anzeichen, das mein Körper möglicherweise von sich gab. Meine Gehirnströme wurden gemessen. Nichts wurde ausgelassen, weil Doktor Jun im engen Austausch mit dem Krankenhaus stand und die Leute dazu aufgefordert hatte, mich komplett durchzuchecken.

Wir brauchten Antworten. Wir mussten wissen, ob sich die Krankheit verändert hatte.

Vielleicht war es nichts.

Vielleicht war es alles.

Ich hatte die anderen informiert, sodass sie alle gekommen waren. Steven und Birgit fehlten auf der Arbeit. Meine Eltern warteten auf meine zuständige Ärztin, damit sie endlich erfuhren, was mir fehlte. Brandon, Olivia und Adam versuchten vergeblich Nathan und mich aufzuheitern.

Am späten Mittag schickte man mich in die Cafeteria. Man verlangte, dass ich etwas aß und zu Kräften kam, da der Tag für mich lang sein würde. Es wäre nicht nötig, dass so viele Menschen hier waren und warteten, aber die Ärzte und das weitere Personal hatten nicht den Hauch einer Ahnung, wie wichtig es jedem einzelnen war, dass man etwas Neues erfuhr.

Das Brötchen, das Nathan für mich kaufte, aß ich nicht. Ich nagte ein wenig daran, doch bekam es nicht herunter. Nichts konnte ich meinem Magen zuführen, als hätte sich dieser verknotet. Meine Familie und Freunde redeten an mir herum, dass ich etwas essen musste, aber sie zwangen mich nicht. Am wenigsten Nathan und meine Eltern.

„Ich wollte nicht für so viel Aufsehen sorgen", murmelte ich an Nathans Schulter gelehnt. Seine Hand ruhte auf meinem Oberschenkel und er streichelte mich unentwegt. Wir trugen frische Kleidung, die Adam uns mitgebracht hatte.

„Ich weiß."

Meine Mutter hielt meine Hand. „Ich bin froh, dass wir dabei sein können, Schatz."

Das wusste ich. Sie hatte mich nicht nach Australien fliegen lassen wollen. Meine Mutter hatte mich bei sich behalten wollen, damit sie mich unterstützen konnte. Wie damals, als die Krankheit das erste Mal an die Oberfläche getreten war. Meine Eltern und ich hatten nicht voraussehen können, wie sich mein Leben in Australien veränderte, weshalb es meiner Mutter wichtig war, dass ich jemanden an meiner Seite sitzen hatte, die Bescheid wusste. Wir hatten viel und lange darüber gesprochen und ich hatte offen zu meinen Ängsten gestanden, dass Adam sich von mir abwenden könnte oder die Australier mir gegenüber ebenfalls feindlich gesinnt gegenübertraten. Ein Teil davon war eingetroffen, doch wenn ich mich umschaute, war ich von liebenden Menschen umgeben.

Ich war nicht länger allein. Meine Mutter musste diesen Kampf nicht allein austragen.

Wir hatten beide eine enorme Last ablegen können.

„Können wir irgendwas für dich tun?", fragte Olivia nach.

„Ihr macht genug für mich."

Ich schloss die Augen und dachte an den gestrigen Abend, an das Tanzen und Rumalbern, das Lachen und gegenseitige Necken. Es war anders als bisher gewesen. Nathan, Adam, Brandon, Olivia und ich waren sehr viel näher gerückt und hatten eine neue Basis geschaffen. Sie hatten mir gezeigt, dass ich mich nicht zurückhalten musste. Mit ihnen konnte ich mich neu entdecken und Dinge tun, die ich nie hatte umsetzen können. Ich war die letzten Wochen stets mit ihnen glücklich gewesen, doch gestern war dieses Gefühl gewachsen. Es war stärker geworden und hatte in mir eine große Liebe für jeden hinterlassen.

Das Ende steht in den Sternen *PAUSIERT*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt