11. Kapitel

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"Sie kommen!", die Panik in der Stimme des roten Katers war erdrückend und der Getupften wurde es speiübel, als es sie aus ihrem Schlaf riss. Tupfenpfote sprang alarmiert auf die Pfoten und Schlammnase tat es ihr gleich. Obwohl es bereits Nacht war, waren die zwei Katzen auf einen Schlag hellwach. „Es ist viel zu früh!“, zischte sie mit aufgerissenen Augen.
Schlammnase brummte nur, doch auch er strahlte eine Besorgnis aus, die ihren Magen noch mehr zusammenziehen ließ.
Das Herz der jungen Heilerschülerin schlug wahnsinnig schnell in ihrer Brust, denn hier ging es nicht um irgendjemanden, hier ging es um ihre Schwester.  Was ist, wenn ich etwas falsch mache? Was ist, wenn ich Jemanden verliere? Die Jungen kommen viel zu früh!, angsterfüllt presste sie die Kiefer auf einander bis diese zu schmerzen begannen.
"Lass uns gehen.", maunzte ihr Mentor bestimmt und gemeinsam verließen sie den Heilerbau. Die anderen Katzen schliefen in ihren eigenen Bauen, während sie zur Kinderstube eilten. Einzelne blickten verstört oder übermüdet heraus, doch der graue Heiler verscheuchte sie mit einer unwilligen Geste.
Oh SternenClan, bitte leite meine Pfoten. Ich bitte dich.
Falkenfeder keuchte schmerzerfüllt und Flammenseele, ihr Gefährte, schnurrte ihr beruhigend zu – seine Wange fest an ihre gepresst.
"Wir übernehmen jetzt. Tritt bitte zur Seite.", miaute die Schülerin bestimmt und versuchte dabei sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen. „Weißblume? Nimm deine Jungen und geh erst einmal in den Schülerbau, um die heutige Nacht dort zu verbringen. Dort ist im Moment nicht viel los.“
Die besorgte weiße Königin nickte nur, nahm ihre zwei Junge auf und verließ mit einem letzten Blick auf die braune Kriegerin die Kinderstube.
Ihre Schwester stöhnte vor Schmerz und wand sich in ihrem bereits blutig gewordenen Nest, während Flammenseele nur angsterfüllt daneben stand.
Mit geübten Bewegungen tastete Tupfenpfote den Bauch ihrer Schwester ab, um die Lage der Jungen festzustellen.
Verdammt, ich kann nichts mehr dagegen tun…
"Es… ist eines und es ist bereits unterwegs.", sie begutachtete den Stand der Geburt – der Muttermund war bereits weit eröffnet und Blut floss mit jeder neuen Wehe daraus hervor. "Falkenfeder? In welchem Abstand kommen die Wehen und wie sieht es mit dem Schmerzen aus?", miaute sie fester, als sie erwartet hatte und atmete innerlich tief durch. Ich habe solche Angst…
Schlammnase saß in einer Ecke ihr gegenüber und beobachtete schweigend das Treiben.
Er wird eingreifen, wenn ich etwas falsch mache. Er weiß, dass zwei Heiler auf einmal zu viel sind. Er wird nicht zulassen, dass sie stirbt. Er darf es nicht. Er darf es einfach nicht!, vor Anspannung stellten sich ihre Haare auf.
Ihre Schwester stöhnte erneut schmerzerfüllt auf und blinzelte sie aus glasigen Augen an.
"Sie kommen regelmäßig und ja, es tut schrecklich weh! Du hast nie gesagt, dass es so schlimm sein würde."
Die getupfte Schülerin nahm sich die Himbeerblätter, welche sie sich schnell vor dem Aufbruch geschnappt hatte und reichte sie der braunen Königin.
"Du musst sie kauen und schlucken. Sie werden deine Schmerzen etwas lindern.", maunzte sie immer noch nervös und beobachtete sie aufmerksam.
"Willst du einen Stock zum drauf beißen?", doch die braune Kätzin schüttelte nur stumm den Kopf und keuchte schwer atmend.
"Okay, Falkenfeder? Du musst jetzt pressen, dein Junges will raus und auch wenn es noch etwas früh ist, kann nichts es daran hindern.", unterstützend legte sie eine Pfote auf den Bauch. Die Königin presste und gab einen leisen Schrei von sich. Flammenseele lief, nun vor der Kinderstube, unruhig auf und ab, was sie allerdings nur am Rande registrierte. Ein Blutschwall tränkte das Moos unter ihr, doch Tupfenpfote konnte noch kein Köpfchen erkennen.
"Sehr gut, aber du musst noch einmal pressen, dein Junges braucht noch etwas Hilfe.", sanft lächelte sie ihr zu, obwohl die Anspannung sie innerlich zu zerreißen drohte.
Du schaffst das, Schwesterherz.
Nach der nächsten Wehe wurde ein kleines, helles Köpfchen sichtbar und die Heilerschülerin unterstützte das Pressen wieder mit einem sanften Druck ihrer Vorderpfoten.
„Falkenfeder? Atme ruhig ein und aus. Ein und aus. Du musst noch einmal pressen."
Ihre Schwester wand sich unter ihr vor Schmerz, doch die Schmerzensschreie waren durch die Anstrengung nun kraftlos und leise.
„Du schaffst das. Du bist sehr stark.“, murmelte sie ihr zu und tatsächlich: Falkenfeder nahm all ihre Kraftreserven zusammen und ihr Junges kam mit einem weiteren Schwall Blut zur Welt.
Tupfenpfote befreite es von seiner Fruchtblase, dem Schleim und ganz sanft leckte sie das weiche Fell gegen den Strich, um die Blutzirkulation anzuregen. Dieses Junge war so viel kleiner, als es die von Weißblume gewesen waren und es strampelte kaum. Du musst leben, Kleines. Bitte leb.
Doch es piepste leise, was bedeutete, dass es atmete und lebte. Sicher, dass das Junge gesund war, wenn auch schwach, wandte sie sich der jungen Mutter zu.
Schlammnase übernahm, ohne dass sie ihn danach hätte fragen müssen, das kleine Junge, damit sie sich um ihre Schwester kümmern konnte.
„Du musst noch ein letztes Mal pressen.“, miaute sie und Falkenfeder lächelte sie müde an. „Geht es… geht es ihm gut?“ Und mit einem letzten Aufbäumen und den letzten Kraftreserven erschien nun auch die Nachgeburt.
Die getupfte Schülerin übergab sie Flammenseele, der sie ein wenig angeekelt entgegennahm und anschließend vergrub. Tja, das gehört zum Jungebekommen eben dazu.
Die Blutung versiegte langsam und als sie das winzige Junge an die mit Milch gefüllten Zitzen gelegt hatte, strahlte die Königin vor Glück. Erschöpft, aber stolz, wandte sie sich an die frischgebackene Tante.
"Tupfenpfote? Ich danke dir. Für alles." und Tupfenpfote putzte sanft über den Kopf ihrer Schwester.
„Du warst super und deinem Kleinen geht es auch gut. Es ist ein Mädchen.“
„Eine Tochter…“, hauchte sie glücklich und begutachtete liebevoll ihr Junges. „Sie ist so winzig und rosig.“, flüsterte sie.
„Ja, das ist sie.“, antwortete die Heilerschülerin und ein sanftes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
Als letzte Amtshandlung entfernte sie das blutige Nest und ersetzte es durch ein neues, welches sie schnell aus Moos und Gras zusammenstellte.
Bevor sie gehen wollte, um die neue Familie in Ruhe zu lassen, hielt ihre Schwester sie zurück.
„Wir werden sie Herzjunges nennen. Was hälst du davon?“, ihre Stimme klang müde – unsagbar müde – aber auch stolz.
„Ein wunderschöner Name.“, schnurrte sie liebevoll, stupste Falkenfeder sanft an und verließ dann die Kinderstube.
Mit Schlammnase kehrte sie in den Heilerbau zurück, wo die Anspannung endlich von ihr abfiel.
"Das hast du sehr gut gemacht.", schnurrte er. "Eine Geburt von so kleinen Jungen hätte auch ganz anders ablaufen können. Du wirst mal eine sehr gute Heilerin sein.“
Tupfenpfotes Augen strahlten glücklich zu ihm empor.
Ich bin Tante. Die Geburt ist gut verlaufen. und dann Was, wenn das Junge zu schwach ist, um zu überleben?, dieser Gedanke ließ ihr einen kalten Schauer über den Rücken fahren. So etwas lasse ich nicht zu! Niemals!


Bild von @mushirums (Instagram)

The Betrayal Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt