22. Kapitel

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Tupfenherz blinzelte in das helle Licht hinein und runzelte leicht die Stirn.
Schon wieder hier?, dachte sie besorgt und erleichtert zugleich. Ich hatte Angst, dass sich der SternenClan nun von mir abwenden könnte, da ich…
Doch sie konnte den Gedanken nicht zu Ende führen, teilweise aus einem Gefühl der Scham.
„Sei gegrüßt, junge Tupfenherz.“, maunzte Silberstern, als ihr silbergrauer Schemen sich aus dem Nebel schälte.
„Ähm… Hallo.“, antwortete sie unsicher und legte haltsuchend den Schweif um ihre Pfoten.
Hinter der SternenClan Kätzin betrat eine zweite Gestalt die Lichtung und die ehemalige Heilerin entspannte sich merklich.
„Hallo, Kleines.“, schnurrte Schlammnase und strich sanft an der getupften Kätzin entlang.
„Hallo, Schlammi.“, auch sie schnurrte und erwiderte die Geste liebevoll – so sehr sie sein Tod auch schmerzte, ihn wiederzusehen zauberte ein Lächeln in ihr Gesicht.
Geduldig und sanft lächelnd wartete silberfarbene Anführerin, bis die zwei ihre Katzen freundschaftliche Zärtlichkeiten ausgetauscht hatten.
„Tupfenherz?“, miaute sie dann leise, sodass die junge Kätzin mit den Ohren zuckte und sie erwartungsvoll anblickte.
„Was gibt es, Silberstern? Warum bin ich heute hier?“, ihre Stimme klang nun wieder fester als zu Beginn des Treffens. Die lockere Atmosphäre hatte die Wogen in ihrem Inneren geglättet.
„Es möchte dich jemand treffen. Jemand Außergewöhnliches, der deinem Schicksal einen Stupser in die richtige Richtung geben will.“, die silberne Kätzin schmunzelte. Auch sie hatte diese spezielle Katze kennengelernt, wenn auch erst nach ihrem Eintritt in den SternenClan.
„Wer… wer ist es?“, fragte Tupfenherz verwundert.
Wer sollte mich schon treffen wollen? Ich bin doch nur ich: Tupfenherz. Eine kleine Kätzin, die nie wirklich zu einer Heilerin ernannt worden ist. Ich bin eine Streunerin, eine Verbannte., betrübt ließ sie den Kopf hängen.
Schlammnase, der diese Geste bemerkte, drückte sich sanft an seine ehemalige Schülerin, um ihr ein wenig Trost zu spenden.
„Er wird dir gefallen.“, flüsterte er sacht in ihr Ohr. Er?
Doch bevor die Getupfte näher auf diesen Satz eingehen konnte, trat eine weitere Katze auf die von Nebel umgebene Lichtung.
Dieser Kater hatte eine Ausstrahlung, die Tupfenherz beinah zu erdrücken schien und gleichzeitig ein wohliges Gefühl in ihr auslöste. Er ist… beeindruckend. Wer er wohl ist?, respektvoll wartete sie, bis der graue Kater mit der wellenartigen Maserung ihr lächelnd zunickte.
„Du bist die junge Tupfenherz, von der in letzter Zeit so oft die Rede ist.“, brummte er mit einem schiefen Grinsen und voller Ehrfurcht nickte sie ihm stumm zu.
„Mein Name ist Kräuternase.“, miaute er und die ehemalige Heilerin hatte das Gefühl, als würde dieser Name in ihrem Inneren wiederhallen – als würde sich etwas in ihr an diesen Namen erinnern.
Kenne ich diesen Namen? Und… halt! Von mir ist im SternenClan die Rede?! Von mir?!, doch noch immer brachte sie vor lauter Hochachtung keinen Ton heraus.
Der Tigerkater blinzelte sie schelmisch an und auf eine seltsame Weise wirkte er, als wäre er in ihrem Alter und gleichzeitig doch Äonen von Blattwechseln alt.
„Mein Name ist in deiner Zeit schon lange vergessen.“, miaute er freundlich. „Und doch bin ich... der erste Heiler, den der WaldClan in seiner Anfangszeit hatte.“
Tupfenherz Augen weiteten sich und eine weitere Welle an Ehrfurcht fesselte ihren Körper.
Der Erste?! Was für eine Ehre! Der allererste Heiler meines Clans! Nun… meines ehemaligen Clans… Doch was kann er von mir wollen?
Fragend blickte sie dem fremden Kater in die sanften, hellen Augen.
„Ähm… und was willst du… Sie… von mir?“, stammelte sie leise und grub ihre Krallen unsicher in den weichen Grasboden zu ihren Pfoten.
Kräuternase setzte sich neben Silberstern, während Schlammnase an ihrer Seite blieb.
„Erinnerst du dich an die Prophezeiung, die ich dir übergeben habe?“, fragte die SternenClan Kätzin mit heller Stimme.
Tupfenherz nickte unbehaglich, denn es war keine angenehme Prophezeiung gewesen.
Wenn die Sonne den Mond ablöst, wird der Falke auf die Reise gehen und die Herzen der Katzen erwärmen. Doch vorher wird der Schwarze Tod den Wald heimsuchen und nur ein gutes Herz kann ihn vertreiben.
„Gut und erinnerst du dich an Herzjunges Tod?“, maunzte sie sanft und ihre blauen Augen funkelten.
Alter Schmerz umschloss kalt das Herz der ehemaligen Heilerin, als sie an den Verlust ihrer Nichte dachte.
„Wie könnte ich das jemals vergessen?“, murmelte sie tonlos und senkte ihre Ohren.
Der erste Heiler nickte stumm und sah sie unverwandt mit seinen tiefgründigen, hellen Augen an.
„Ihr kanntet die Krankheit nicht, die sie so schnell zum SternenClan geholt hat, nicht wahr?“
Die Getupfte nickte unsicher und sah kurz zu Schlammnase, der Kräuternase aufmerksam beobachtete.
„Es war irgendwie alles auf einmal. Sie hatte Fieber und Schüttelfrost, bei Berührung übergab sie sich… ich konnte nichts für sie tun. Sie war einfach zu klein und zu schwach.“, flüsterte sie leise.
Der Tigerkater nickte zustimmend bei ihren Worten und legte dann den Kopf schief.
„Diese Krankheit, sie trat zu meiner Zeit einmal auf und raffte beinah den gesamten Clan dahin. Wir nannten sie ‚den schwarzen Tod', oder auch: die Katzenpest.“
Seine Augen waren schmerzerfüllt, bei dieser Erinnerung.
„Schwarzer Tod?!“, platzte es aus ihr heraus und ihr Blick flackerte einen Moment zu der Silbernen hinüber. Wie in der Prophezeiung…?
„Ja.“, antwortete er. „Die Krankheit kam über eine verweste Amsel in unser Lager. Ich weiß nicht, wie lange sie damals schon im Frischbeutehaufen lag.“
Bei diesen Worten zuckte sie besorgt mit den Schnurrbarthaaren und eine lang vergessene Erinnerung stieg in ihrem Inneren empor.
Ich erinnere mich. An dem Tag, als Herzjunges starb, fand ich Krähenfraß – ein Eichhörnchen – im Frischbeutehaufen… Es war voller Maden und ich vergrub es, nachdem ich es entdeckt hatte.
„Die Katzen hatten dieselben Symptome, die du bei Herzjunges beschrieben hast. Einige Katzen überlebten. Wir behandelten, was ihre größten Probleme waren und isolierten sie vom restlichen Clan. Nach ungefähr einem Mond war es dann vorbei. Einige Katzen konnten wir nicht retten, doch andere schafften es. Wiederum andere wurden gar nicht erst infiziert. Welchem Muster diese Krankheit folgte, haben wir nicht herausgefunden. Doch schlussendlich verschwand der Schwarze Tod so schnell, wie er gekommen war. Der entscheidende Faktor war die Isolierung der Erkrankten und die Behandlung der Hauptsymptome.“
Tupfenherz lauschte aufmerksam und die Heilerin in ihr machte Glückssprünge bei solch einem Schatz an Wissen.
„Doch… was habe ich damit zu tun? Ich bin nicht mehr die Heilerschülerin des WaldClans.“, diese Aussage war so kalt, dass der getupften Kätzin selbst ein Schauer über den Rücken lief.
„Dein Schicksal folgt dir auf den Pfoten, junge Tupfenherz. Halte die Augen offen. Ein Heiler bleibt ein Heiler, auch ohne seinen Clan.“
Kräuternase blickte sie ernst an und dann begannen die drei SternenClan Katzen immer durchscheinender zu werden.

Tupfenherz riss die bernsteinfarbenen Augen auf und lag wieder im Zweibeinernest an Michail gekuschelt. Soll ich etwa zum WaldClan zurückkehren?! Aber was ist, wenn ich das nicht mehr will?, zitternd schmiegte sie sich an ihren Gefährten und fand für den Rest der Nacht keinen Schlaf mehr. Will ich zurück?


Bild von @junip3rs0ng (Instagram)

The Betrayal Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt