25. Kapitel

1 0 0
                                    

Die ersten Schritte sind die schwerste von allen..., dachte Tupfenherz schaudernd, als sie an der Stelle vorbeikamen, an der Mondsichel sie vor wenigen Monden gegen den Stamm eines Baumes geschleudert hatte.
Haltsuchend presste sie sich an Michail, der ihre Angst mit einem sanften Schnurren beantwortete.
„Sind wir bald da?", maulte Yuki leise und begutachtete ihre wunden Pfoten. „Wir sind schon so ewig lange unterwegs."
„Ja, es ist nicht mehr weit.", antwortete Falkenfeder lächelnd und ihre blauen Augen funkelten spöttisch bei den Worten der Siamkätzin. Es war, als würde sie aufblühen, je näher sie dem Lager des WaldClans kamen.
„Wir haben die Grenzen zum Clanterritorium bereits überschritten."
Unsicher blickte sich die ehemalige Heilerin um und sog die Umgebung in sich auf. Fetzen der Erinnerung an jenen schrecklichen Nachmittag durchzuckten immer wieder ihre Sicht.
Ein Zittern erschütterte ihren Körper, als das Jetzt und die Vergangenheit miteinander verschmolzen. Tränen stiegen in ihre bernsteinfarbenen Augen auf und für einen kurzen Moment wusste sie nicht genau, was Wirklichkeit war und was nicht.
Pierre, der ihre Angst zu spüren schien, schmiegte sich im Laufen an ihre andere Seite.
„Tout ira bien.", flüsterte er leise. Und dann nochmal: „Alles wird gut."
Die getupfte Kätzin blinzelte und der Schleier vor ihren Augen begann sich langsam aufzulösen.
Es ist vorbei... und es kommt nicht wieder. Ich habe Freunde, die auf mich vertrauen und denen ich mein Leben anvertrauen kann.
„Danke.", flüsterte sie zurück und ihr Schritt wurde ein wenig leichter, als das Gewicht der Angst von ihr abfiel.

Die Blicke...
Eisherz und Leuchtpelz starrten sie unverhohlen mit offenem Maul an.
Andere Katzen blickten feindselig und knurrten und wiederum Andere sprachen hinter ihrem Rücken, wenn sie glaubten, sie könnte sie nicht hören.
Mit eingezogenem Schweif trat die junge Heilerin mit ihren Freunden und ihrer Schwester in die Mitte des Lagers.
„WaldClan!", rief die 2. Anführerin mit lauter und klarer Stimme. „Ich habe unsere Rettung in den Clan gebracht." Zögernd traten einige Katzen aus den Bauen heraus und wussten anscheinend nicht, was sie darauf sagen sollten.
„Aber sie wurde verbannt!", piepste eine kleine silbergraue Kätzin. „Ich kann das Mal sehen!"
Tupfenherz zuckte erschrocken zusammen, denn genau diese Situation hatte sie so gefürchtet.
Michail begann leise zu grollen, hielt sich jedoch noch zurück und legte stattdessen seinen Schweif um ihren Körper.
„Und was sind das für Katzen?", miaute nun auch Regenkralle und musterte die Neuankömmlinge. „Sind das Streuner?"
Die vier Katzen drängten sich eng zusammen und Yuki kniff besorgt die hellen Augen zusammen.
„Was ist denn mit denen los?", flüsterte sie entsetzt und Pierre senkte demütig seine Ohren.
Sie haben Angst., dachte die getupfte Kätzin. Genau wie wir. Eine Krankheit, die sie allein nicht bekämpfen können, greift sie an und sie brauchen Hilfe von Jemandem. Jemandem, von dem sie glauben, er wäre eine schreckliche Clankatze – eine versuchte Mörderin – gewesen.
„Katzen des WaldClans!", rief Falkenfeder in diesem Moment, nachdem sie elegant auf den Großen Felsen gesprungen war und ihre Stimme war die pure Autorität.
„Wie ihr wisst grassiert unter uns der ‚Schwarze Tod'. Mondstern verliert nach und nach seine Leben, Flammenseele und Schwarznase und noch einige Andere sind bereits daran verstorben."
Flammenseele...? Oh Falkenfeder... warum hast du nichts gesagt? Erst deine Tochter, jetzt dein Gefährte...
"Unsere einzige Hoffnung ruht auf Tupfenherz, der ehemaligen Heilerschülerin Schlammnases. Sie wurde verbannt, das stimmt. Ich... ich selbst war es, die ihr das Zeichen der Verbannung gab.", bei diesen Worten schluckte ihre Schwester schwer und der Sibirische Waldkater begann etwas lauter zu knurren. „Ich habe mich auf den Weg gemacht, um sie zurückzuholen und uns in dieser schweren Zeit beizustehen..."
„TUPFENHERZ?!", der schrille Schrei einer Kätzin unterbrach die Ansprache der braunen Stellvertreterin.
Eine braun-weiße Kätzin taumelte auf die Lichtung und zog in einer einzigen, fließenden Bewegung die getupfte Kätzin an ihr Herz.
„Mein Junges... Mein kleines Junges... Mein Junges.", heiße Tränen benetzten Tupfenherz' Pelz und sie zerschmolz in dieser liebevollen Umarmung.
„Hallo Mama.", flüsterte sie rau und Baumblatt schluchzte hemmungslos in das getupfte Fell.
„Es tut mir so so leid, mein Schatz.", ihre Stimme brach. „Kannst du mir das jemals verzeihen?"
Ihr Wunsch ist so rein, wie könnte ich ihn ihr abschlagen? Sie ist doch meine Mutter.
„Das werde ich. Ich habe dich sehr lieb.", flüsterte die junge Heilerin in ihr Ohr und ein leises Schnurren rumpelte in ihrer Kehle.
Oben auf dem Großen Felsen räusperte Falkenfeder sich und fuhr dann mit ihrer Ansprache fort.
„Ich bitte euch, dass Tupfenherz und ihre Freunde mit der bekannten Freundlichkeit des WaldClans und dem nötigen Respekt behandelt werden."
„Aber... sie wurde doch verbannt, weil sie Lichtstern vergiften wollte?", maunzte Nachtpelz unsicher und verzog das Gesicht.
„Dieser Anschuldigung wurde nie nachgegangen und Tupfenherz Schuld nie bewiesen. Es war Mondstern, der den Zorn auf meine Schwester geschürt hat und für ihre Verbannung sorgte. Ich für meinen Teil glaube nicht, dass Tupfenherz je einer Katzenseele etwas antun könnte. Jeder, der sie kennt, kann nicht ernsthaft so etwas glauben und heute kann ich mir nicht mehr erklären, wieso Niemand das Ganze hinterfragt hat!", die Getupfte riss überrascht die bernsteinfarbenen Augen auf.
Falken...feder...
Zustimmendes Gemurmel machte sich unter den älteren Katzen breit und alle, die Tupfenherz je behandelt hatte machten nun sanftere Gesichter. Geradeso, als würden sie ihre Erinnerungen der letzten Monde überschreiben und sich auf die Zeit vorher besinnen. Ein Fakt, mit dem sie nicht so recht umzugehen wusste.
„Sie hat Recht! Ein Hoch auf Falkenfeder!", rief erst eine, dann auch andere Katzen und ihr wurde ein wenig übel.
Katzen sind wirklich leicht zu beeinflussen... Ich verstehe nun, wie diese Raserei damals zustande kam... Es braucht nur eine Katze, der sie folgen können – mehr nicht.
„Bitte unterstützt unsere neue Heilerin Tupfenherz so gut ihr nur könnt und heißt unsere neuen Mitglieder: Bärenherz – Michail, Mandelfell – Yuki und Dunkellicht – Pierre. Willkommen!"
Erstaunt blickte Tupfenherz erst zu Falkenfeder und dann zwischen ihren Freunden hin und her.
Sie haben das geplant! Für... für mich?, alle drei lächelten zaghaft und Tränen der Freude rannen über die Wangen der Heilerin.
In diesem Moment spürte sie einen leisen Stich in ihrem Bauch, ein kleiner Tritt ihres Jungen und ein leises Lächeln umspielte ihre Mundwinkel.
Ich bin wohl... Zuhause angekommen. Ich hoffe, diesmal bleibt es das auch: ein Zuhause. Es fällt mir schwer, diesem Moment zu vertrauen. Ob ich das wohl je wieder kann?


Bild von @Ellaina Russell (fb)

The Betrayal Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt