13. Kapitel

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„Was ist wichtig beim Mäusejagen?“, miaute Schlammnase fragend und betrachtete seine Schülerin mit einem kleinen Lächeln. Tupfenpfote legte den Kopf schief und dachte einen Moment nach.
„Dass sie mich nicht riechen können?“, antwortete sie dann und zuckte mit den Ohren. Die Kräuter hatten sie mittlerweile durch, fehlten nur noch Selbstverteidigung und ein wenig Jagdtraining – nur für alle Fälle.
Ein Mond war vergangen seit Herzjunges Tod und Tupfenpfote hatte verstanden, dass es nicht ihre Schuld gewesen war. Sie hatte lange für diese Erkenntnis gebraucht, doch nach vielen Gesprächen mit Schlammnase hatte sie es verstanden und sich selbst vergeben. Auch er hatte diese Krankheit nicht gekannt und hatte nichts für das kleine Junge tun können – Niemand hätte das, Schüler oder nicht Schüler. Es war zu früh geboren und war nicht stark genug gewesen. Der Wunsch der jungen Schülerin war es nun aus dieser Sache zu lernen und den Überlebenden, allen voran ihrer Schwester, zu helfen den bleibenden Schmerz zu verarbeiten.
„Da hast du Recht, aber bei Mäusen muss man noch etwas beachten.“
„Ach ja?“, sie legte den Kopf, den sie gerade erst erhoben hatte, ein weiteres Mal schief. „Was denn?“ Ihr Mentor lächelte sie an und die hellen Stellen um seine Schnauze unterstrichen sein erhobenes Alter.
„Mäuse können dich durch den Boden fühlen, wenn du nicht aufpasst.“ Der alte Kater ließ sich in einer Jagdhalten sinken und tappte auf leisen Pfoten vorwärts. „Du musst sehr vorsichtig auftreten dafür.“
Sie versuchte es ihm gleichzumachen und tappte ebenfalls vorwärts. Die ungewohnte Stellung war anstrengend und als sie davon abgelenkt nicht auf ihre Umgebung achtete, stieß Schlammnase sie leise kichernd um.
„Tja, gegen einen Baum gelaufen.“, miaute er nur grinsend und zuckte mit den Schultern.
„Von wegen Baum.“, brummelte sie und streckte ihm innerlich die rosafarbene Zunge raus. „Der hatte ja nur vier Wurzeln.“
Der graue Heiler schmunzelte leicht und wurde dann wieder ernster.
„Du musst im Jagdkauern beweglich sein, sonst wird das nichts.“ Er musterte sie kurz. „Und du darfst den Schweif nicht so weit nach oben nehmen, sonst sieht dich ja jeder schon von weitem.“
Tupfenpfote verdrehte leicht die bernsteinfarbenen Augen, nahm die geduckte Position wieder ein und senkte den Schweif. „Besser so?“
„Viel besser.“, miaute er. „So und jetzt such dir eine Maus und bring sie mir. Ich warte solange hier.“
Fauler alter Sack Knochen., dachte sie, doch sie musste lächeln dabei und schnippte ihm nur einmal mit dem Schweif gegen eines seiner Ohren.
Bedächtig schloss sie die Augen – wobei es für den Kater aussehen musste, als sammle sie ihre Gedanken – und dachte fest an eine Maus, wie sie aussah, wie sie schmeckte und vor ihren Augen erschien das gelbe Band, das ihr mittlerweile so vertraut war. Langsam und sich umsichtig umschauend, folgte sie dem Band, bis sie die Maus selbst wittern konnte und stoppte einen Moment lang. Der Wind kam von Seiten der Maus, was bedeutete, dass diese sie nicht riechen konnte und somit nicht gewarnt wurde.
Sorgsam ging sie in die erübte Jagdposition und schlich sich näher heran.
Dich kriege ich…, dachte die Heilerschülerin mit zusammengekniffenen Augen. Mit einem großen Sprung landete sie etwa eine Katzenlänge vor der Maus und ehe das Beutetier panisch kreischend fliehen konnte, warf sie sie mit einem knirschenden Geräusch gegen einen Baum.
Mhm… nicht ganz so geplant, aber gefangen ist gefangen. Ich sollte noch üben Abstände besser einzuschätzen., kurzerhand schnappte sie sich ihre Beute und tappte zurück zu Schlammnase, dem sie das Tier vor die Pfoten legte. Der besah sich ihren Fang genau und schmunzelte bei dessen Anblick leicht. „Was hast du denn mit der gemacht? Dich draufgesetzt?“, jetzt kicherte er lauthals über seinen eigenen Scherz.
„Nein habe ich nicht.“, sie streckte ihm in gespielter Empörung die Zunge raus. „Nur im Eifer des Gefechts gegen einen Baum geworfen.“
„Da hattest du aber viel Schwung.“, miaute er lächelnd und verkniff sich einen weiteren seiner lustigen Kommentare. „Sehr gut, das war die Lektion für heute.“
Seit an Seite, Tupfenpfote mit ihrer Maus im Maul, trotteten sie zurück zum Lager.
Ob sich so Kriegerschüler fühlen? Es ist schon irgendwie erfüllend für den Clan gejagt zu haben, auch wenn es nur eine winzige Maus ist. Ob Falkenfeder sich darüber freuen würde?

„NEEEIIIINNN!“, schrie Tupfenpfote entsetzt, als sie die zwei Jungen bemerkte, die fröhlich mit ein paar leuchtend roten Beeren spielten. Erschrocken warfen sie die Köpfe herum und starrten sie an.
„Wo habt ihr die her?“, heiliger Zorn brannte in ihren Augen, während sie auf die beiden zueilte.
Wellenjunges zeigte stumm in eine unbestimmte Richtung und blinzelte sie mit seinen großen blauen Augen an.
„Ihr seid also einfach so aus dem Lager herausspaziert und habt die hier gefunden und euch gedacht: hey lasst uns doch damit spielen?!“, die sonst so freundliche Kätzin hatte ihren kurzen Fell aufgeplustert und redete sich so langsam in Rage. Schneejunges brach nun in Tränen aus, presste sich an ihren Bruder und Wellenjunges blickte schuldbewusst zu Boden.
Die Heilerschülerin atmete tief ein und aus – immerhin handelte es sich hier nur um zwei unbedachte Junge, denen zum Glück nichts schlimmes wiederfahren war – und lächelte beide Jungen dann an. „Ihr beide putzt euch bitte ganz doll die Pfoten, in Ordnung? Aber nicht mit der Zunge, das ist sehr wichtig. Mit diesen Beeren dürft ihr nicht spielen, sie sind sehr sehr giftig. Eure Eltern wollen schließlich nicht, dass euch Beiden etwas zustößt, nicht wahr?“, miaute sie sanft, pattete vorsichtig die Köpfe der kleinen Katzen und Schneejunges Tränenstrom beruhigte sich wieder.
Beide nickten reumütig, putzten sich die Pfoten unter der Aufsicht der getupften Kätzin in einer Pfütze und rannten so schnell sie konnten in die Kinderstube.
Heute werden sie die wohl nicht nochmal verlassen.
Währenddessen nahm sich die getupfte Kätzin ein großes Blatt und sammelte voll Sorgfalt alle Giftbeeren ein. Als sie von ihrer Arbeit aufsah, bemerkte sie Mondsichel, der sie aufmerksam und mit einem seltsamen Funkeln in den Augen anblickte.
Unsicher nahm sie das Blatt auf, um die Todesbeeren im Kräuterlager zu verstauen und tappte langsam in Richtung Heilerbau.
Was will er denn nur immer von mir?

Nach getaner Arbeit begab sie sich zu Falkenfeder und ließ sich neben ihr nieder. Ihre Schwester hatte sich noch nicht von ihrem Verlust erholt und hob nicht einmal den Kopf, um sie zu grüßen. Lustlos fraß die braune Kätzin an der kleinen Maus, die Tupfenpfote ihr kurz zuvor gefangen hatte und starrte blicklos ins Leere.
„Wie geht es dir?“, fragte sie ihre Schwester besorgt.
„Wie soll es mir schon gehen?“, antwortete diese tonlos und zuckte nur mit den Schultern.
„Wollen wir nachher zusammen schwimmen gehen?“
Wo ist nur die aufgedrehte, fröhliche und unaufhaltsame Falkenfeder hin? Irgendwo tief da drinnen… da muss sie sein...
„Nein…“, miaute ihre Schwester abwesend und ließ schließlich von dem kleinen Kadaver ab. Es war schwer zu sagen, ob sie überhaupt etwas davon gegessen hatte oder nicht.
„Willst du mit mir… zum Grab gehen?“, fragte sie unsicher und putzte der Braunen mit sanften Strichen über die Schulter. Die Schülerin war jeden einzelnen Tag beim Grab ihrer Nichte gewesen, doch Falkenfeder mied diesen Ort.
„Nein, aber ich werde Jagen gehen.“, missmutig stemmte sie sich hoch und tappte, ohne zu warten, in den Wald.
Traurig schaute sie ihrer Schwester nach und schloss ihre bernsteinfarbenen Augen.
Na ja, wenigstens beschäftigt sie sich… Ob ich dieses Loch jemals werde füllen können?
Ohne sich umzublicken, stand Tupfenpfote auf und lief ihrerseits in den Wald.

„Hallo Kleines.“, flüsterte die Heilerschülerin leise, während sie die Erde von Unkraut befreite. „Wie geht es dir da oben? Ich hoffe die Anderen ärgern dich nicht, aber falls doch kommst du sicher nach deiner Mama.“, sie lächelte leise bei der Vorstellung, wie Herzjunges den anderen Katzen ihre Hintern versohlte. „Deine Mutter hat es nicht leicht… Aber sie wird dich schon noch besuchen kommen, da bin ich sicher. Gib ihr etwas Zeit.“
Vorsichtig legte sie eine einzelne rosafarbene Blüte auf das Grab.
„Sieh mal, die habe ich dir heute mitgebracht. Rosa, wie ein kleines Herzchen, wie du.“, sie schluckte kurz, denn obwohl sie es sich nicht eingestehen wollte, schmerzte auch ihr Herz. Unerbittlich stiegen ihr wieder Tränen in die Augen, die sie wegzublinzeln suchte.
„Es tut mir immer noch leid, dass du nur eine so kurze Zeit bei uns hattest und ich dir nicht helfen konnte… Ich weiß, es war nicht meine Schuld, aber… dein Fortgang… hat ein tiefes Loch in unsere Familie gerissen…“, sie verstummte kurz und eine Träne rann ihr über die Wange. Deine Mama hat mir noch nicht vergeben… Ich weiß nicht, ob sie das Jemals tun wird…
„Ähm na ja… ich komme dann morgen wieder. Ich habe dich lieb, kleines Herzchen.“, maunzte sie dann leise und wischte sich die Tränen fort.

The Betrayal Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt